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12.01.18 / Weltlicher Hoffnungsträger am Nil / Gamal Abdel Nasser versuchte, Arabien, Afrika und die islamische Welt unter der Führung seines Landes zu einigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-18 vom 12. Januar 2018

Weltlicher Hoffnungsträger am Nil
Gamal Abdel Nasser versuchte, Arabien, Afrika und die islamische Welt unter der Führung seines Landes zu einigen
Wolfgang Kaufmann

Gamal Abdel Nasser galt als moderner arabischer Messias, denn er versprach einen Ausweg aus Rückständigkeit und nationaler Zersplitterung. Vor 100 Jahren, am 15. Januar 1918, kam der Präsident Ägyptens beziehungsweise der Vereinigten Arabischen Republik von 1954 bis 1970 in Alexandria zur Welt. 

Eine Verortung Nassers im politischen Spektrum ist schwierig. Ideologisch flexibel arbeitete er zeitweise mit so unterschiedlichen Kräften wie den Achsenmächten, den Muslimbrüdern, den Block­freien und der Sowjet­union zusammen. Als seine Vorbilder gelten so unterschiedliche Männer wie Mohammed, George Washington, Voltaire und Mahatma Gandhi. 

Bereits im Alter von zwölf Jahren beteiligte sich der Sohn eines Postbeamten an Demonstrationen gegen die Briten, deren Protektorat Ägypten seinerzeit war. Deshalb kam er 1935 in Untersuchungshaft. Nichtsdestotrotz konnte er bereits zwei Jahre später eine Ausbildung an der Militärakademie in Kairo beginnen. Bald darauf galt sein Hass nicht mehr nur der Protektoratsmacht, sondern auch den Juden im benachbarten Palästina. Er war überzeugt von der Authentizität der sogenannten Protokolle der Weisen von Zion. Und so kooperierte Nasser während des Zweiten Weltkriegs mit Agenten der sowohl antibritischen als auch antijüdischen Achsenmächte.

Nach der Niederlage der Araber im Palästinakrieg gründete der Infanteriehauptmann eine konspirative Organisation namens Harakat ad-Dubbat al-Ahrar (Komitee der Freien Offiziere), die in der Nacht vom 22. zum 23. Juli 1952 gegen den ägyptischen König Faruq putschte. Die Militärs um Nasser beendeten die Monarchie, weil sie sie dafür verantwortlich machten, dass Israel die Araber trotz 80-facher zahlenmäßiger Unterlegenheit hatte besiegen können.

Anschließend übernahm Generalmajor Muhammad Nagib den Vorsitz im Revolutionären Kommandorat und wurde nach der Ausrufung der Republik deren erster Präsident. Nasser, nunmehr Oberst, avancierte bis zum Juni 1953 zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte sowie Premier- und Innenminister. In dieser Eigenschaft kooperierte er auch mit der Muslimbruderschaft, die den Kampf gegen die Briten unterstützt hatte. So berief er drei namhafte Muslimbrüder in die Kommission, welche die neue republikanische Verfassung erarbeiten sollte. 

Diese Zusammenarbeit endete nach dem Attentatsversuch auf Nasser vom 26. Oktober 1954. Damals schoss der Muslimbruder Mahmoud Abdel-Latif aus nur wenigen Metern Distanz achtmal auf den Premier, ohne ihn jedoch zu treffen. Dabei kam Nasser der misslungene Anschlag durchaus zupass, weil er nun den überaus populären, aber unbequem gewordenen Nagib der Mitwisserschaft beschuldigen und am 14. November 1954 ins politische Aus drängen konnte. Die Konsequenz hieraus war Nassers Aufstieg zum Staatspräsidenten. Am 23. Juni 1956 wählten ihn 99,9 Prozent der Ägypter in dieses Amt. 

Einen Monat später verkündete der neue Führer des Landes die Verstaatlichung der mehrheitlich britisch-französischen Sueskanal-Gesellschaft. Daraufhin versuchten die beiden westlichen Staaten im Verein mit Israel, den „Hitler vom Nil“ zu stürzen. Das Vorhaben en­dete allerdings mangels US-amerikanischer Unterstützung mit einem Fiasko für die Angreifer, wodurch Nasser nun zur Lichtgestalt der arabischen Welt aufstieg. Das ermutigte ihn, die Verwirklichung all der Visionen in Angriff zu nehmen, welche er 1955 in seiner programmatischen Schrift „Ägyptens Befreiung: Die Philosophie der Revolution“ dargelegt hatte. Entsprechend der sogenannten Drei-Kreise-Theorie sollte das Land am Nil die Führungsrolle in Arabien und im islamischen Raum sowie auch in Afrika übernehmen. Darüber hinaus zeigte sich Nasser fest entschlossen, die Ägypter dazu zu bringen, „die fortschreitende Karawane der Menschheit wieder einzuholen, hinter der wir vor fünf Jahrhunderten oder länger zurück­ge­blie­ben waren“. Als erster Schritt auf dem Wege der Umsetzung der ambitionierten Ziele des Panarabismus galt der Zusammenschluss Ägyptens und Syriens zur Verei­nigten Arabischen Republik (VAR) am 1. Februar 1958. 

Ebenso trachtete Nasser danach, die „arabisch-asiatische Einheit“ herbeizuführen. Deshalb engagierte er sich gemeinsam mit dem indischen Premierminister Jawaharlal Nehru und dem indonesischen Präsidenten Sukarno, aber auch mit dem jugoslawischen Staats- und Regierungschef Josip Broz Tito in der Bewegung der block­freien Staaten. 

Allerdings scheiterte das Projekt eines arabisch-islamischen Großreiches zwischen Atlantik und Persischem Golf bereits 1961, als Syrien wegen der autokratischen Attitüden Nassers aus der VAR austrat. Daraufhin versprach der ägyptische Präsident seinen Landsleuten, ein „neues soziales System und eine neue Kultur“ einzuführen, nämlich den „arabischen Sozialismus“. Und tatsächlich ließ er nachfolgend Banken, Versicherungen und den Großhandel verstaatlichen. Außerdem propagierte Nasser das Konzept eines „islamischen Sozialismus“. 

Dies wiederum brachte ihn in Konfrontation zum saudischen König Saud ibn Abd al-Aziz Al Saud, mit dem zusammen er 1954 die Islamische Konferenz ins Leben gerufen hatte. Die Gründung erfolgte zwar im saudi-arabischen Mekka, aber ihren Sitz hatte sie in der ägyptischen Hauptstadt und an deren Spitze stand mit Muhammad Anwar as-Sadat ein Ägypter. Zur Bekräftigung seines Führungsanspruchs in der muslimischen Welt etablierte Al Saud deshalb 1962 die Islamische Weltliga, woraufhin Nasser die Kairoer Akademie für Islamische Untersuchungen zum Gegenpol von Al Sauds Liga ausbaute und regelmäßig große Islamkonferenzen abhalten ließ. 

Sein jetzt sozialistisch daherkommendes Programm bescherte Nasser die wachsende Unterstützung des sozialistischen Lagers, allen voran der UdSSR. In den 1960er Jahren wurde Ägypten der größte Empfänger von Militärhilfe seitens des Kreml außerhalb der Warschauer Vertragsorganisation. Das konnte indes nicht die schwere Niederlage im Sechstagekrieg gegen den von den USA unterstützten Staat Israel verhindern. Von diesem Debakel sollte sich Nasser nie wieder erholen, obwohl ihn sein Volk per Akklamation dazu nötigte, auf den spontan verkündeten Rücktritt zu verzichten.

Drei Jahre später, am 28. September 1970, starb der gesundheitlich wie politisch schwer angeschlagene ägyptische Präsident im Alter von nur 52 Jahren in seinem Haus in Kairo an den Folgen eines Herzinfarktes. Tags zuvor hatte der notorische Kettenraucher noch als Vermittler im Bruderkrieg zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Jordanien fungiert und einen Waffenstillstand aushandeln können.