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12.01.18 / Im Visier des SA-Mannes / Ostpreußen-Roman über eine Buchhandlung in schwerer Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-18 vom 12. Januar 2018

Im Visier des SA-Mannes
Ostpreußen-Roman über eine Buchhandlung in schwerer Zeit
Dagmar Jestrzemski

Dramatische Geschehnisse rund um die traditionsreiche Königsberger Verlagsbuchhandlung Gräfe und Unzer schildert Michael Paul aus Lahr in seinem zweiten Ostpreußen-Roman mit dem Titel „Das Haus der Bücher“. Es geht um die Zeit kurz nach der Machtergreifung Adolf Hitlers. Handlung und Figuren des Romans sind fiktiv, doch so oder ähnlich könnte sich die Drangsalierung der Besitzer von Verlagen und Buchhandlungen im Zuge der Gleichschaltung abgespielt haben. 

Im Februar 1933 begannen diese Aktionen. Gräfe und Unzer war vor dem Zweiten Weltkrieg eine der größten Buchhandlungen Europas.  Stolz nannte man sich „Haus der Bücher“. Zu Beginn der Romanhandlung geraten der Inhaber von Gräfe und Unzer, Wilhelm Kirchner, seine engsten Mitarbeiter und einige Kontaktpersonen ins Visier eines brutalen SA-Mannes. Dieser ist zudem aus persönlichen Gründen rachsüchtig und willens, über Leichen zu gehen. Es geht ihm darum, das Wohlwollen des Kreisleiters zu erheischen, da er Parteikarriere in Berlin machen will.

Hauptschauplätze sind das imposante Gebäude von Gräfe und Unzer am Paradeplatz, wo das „Haus der Bücher“ bis zu den schreck-lichen Kriegsereignissen 1945 untergebracht war, und eine Villa im Stadtteil Maraunenhof nördlich des Oberteichs. Bis zum Tag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 zieht sich die Schlinge um die  Beteiligten und deren Kontaktpersonen immer weiter zu. Kurz darauf überstürzen sich die Ereignisse. Für den zwischen Hoffen und Bangen schwebenden Leser bedeutet dies böse Überraschungen, hat der Autor doch seinen „guten“ Protagonisten mehrfach Etappensiege vergönnt, indem er sie ihrem Häscher ein Schnippchen schlagen ließ. Umso mehr empfindet man den tragischen Ausgang der Verfolgungsjagd regelrecht als „Foul“. Das hinterlässt einen faden Nachgeschmack. Michael Paul war sich dessen durchaus bewusst. In seinem Nachwort entschuldigt er sich dafür und kündigt an, sich im nächsten Roman zu bessern. 

Die Handlung setzt sich in einem Nachspiel Anfang der 1990er Jahre fort. Ein Geheimnis muss noch gelüftet werden. Dazu reist der Geschäftsführer des nunmehrigen Münchner Kochbuchverlags Gräfe und Unzer, Christian Heistermann, in die nun russische Stadt Königsberg. In der Stadt Immanuel Kants erinnert außer einer Replik seines Denkmals fast nichts mehr an die Hauptstadt Ostpreußens. Doch die Villa an der Wallrodstraße gibt es noch. Dort wohnt ein alter Herr, der schon immer damit gerechnet hat, dass ein Besucher aus dem Westen käme, um ihm die richtige Frage zu stellen. Und wenigstens für eine der beiden unvollendeten Liebesgeschichten hat sich Paul einen verspäteten, versöhnlichen Ausgang ausgedacht. Das Leben geht weiter: Der Buchhändler Konrad Gallinat trifft im Alter mit seiner ihm bis dahin unbekannten Tochter aus New York zusammen.

Bemerkenswert ist Michael Pauls genaue Kenntnis der Lokalitäten im alten Königsberg. Dank akribischer Recherchen hat er Orte, Straßen und die Buchhandlung mit ihren verschiedenen Abteilungen realitätsgetreu in die Handlung einbezogen. Beigegeben ist eine Fotostrecke mit Außen- und Innenansichten der Buchhandlung Gräfe und Unzer am Paradeplatz. 

Von Jan Wiesemann, Vertriebsleiter Buchhandel und „Verlagshistoriker“ beim Münchner Verlag Gräfe und Unzer, stammt ein Abriss zur Historie der berühmten, 1722 gegründeten Königsberger Verlagsbuchhandlung. Im Gegensatz zu den Ereignissen des Romans soll es dem damaligen Inhaber Bernhard Koch gelungen sein, sein Geschäft weitgehend vom Einfluss der Nationalsozialisten freizuhalten. In den Unterlagen des Verlagsarchivs fand Michael Paul Belege dafür, dass Koch trotz der ständigen Gefahr verbotene Bücher „unter dem Ladentisch“ verkauft hat.

Michael Paul: „Das Haus der Bücher“, Verlag Bunte Hunde, Lahr 2017, gebunden, 443 Seiten, 16,99 Euro