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12.01.18 / Linksradikalenbekämpfung aus der Sicht eines Linken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-18 vom 12. Januar 2018

Linksradikalenbekämpfung aus der Sicht eines Linken
Karlheinz Lau

Der Titel des Buches „Mit aller Härte. Wie Polizei und Staatsschutz Linksradikale jagen“ verrät bereits die politische Position des Verfassers: Er ist dem linken Spektrum zuzuordnen. Er beschreibt die ihm sympathischen Gutmenschen, die aus Kritik am kapitalistischen System der Bundesrepublik Deutschland Anschläge auf Polizeifahrzeuge, Bundeswehranlagen, Autohäuser, Behörden oder Supermärkte ver-üben. Nicht so sympathisch scheinen Polizei, Landes- und Bundeskriminalämter sowie der Verfassungsschutz in Bund und Ländern, die mit unterschiedlichem Erfolg  und erheblichem technischen Einsatz die linksradikalen Täter jagen. 

Brunner beschäftigt sich hauptsächlich mit den Aktivitäten einer linksradikalen Gruppierung namens „militante Gruppe“. Die Jahre ab 2000 sind überwiegender Schauplatz von Szenebezirken Berlins wie Kreuzberg, Friedrichshain, Wedding und auch das Märkische Viertel in Reinickendorf. Neben  Namen von Fahndern und Verdächtigen gibt es zwei Hauptpersonen: einmal den ehemaligen Jungsozialisten und Mitarbeiter im „Roten Antiquariat“, der bedeutendsten Buchhandlung der linken Szene in Berlin, Oliver Rast, Jahrgang 1972, und den zwielichtigen Andrej Holm, der ursprünglich nach den Berliner Wahlen von der Bausenatorin Katrin Lompscher als Staatssekretär benannt, aber aufgrund seiner DDR-Vergangenheit und den Aktivitäten im linksradikalen Milieu nach der „Wende“ kurzfristig entlassen wurde. Er dient heute als Berater der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. 

Für seine Recherchen zog der Autor zahllose Quellen heran: Zeitungsartikel, Gespräche mit Fahndern und Kriminalbeamten sowie Angehörigen der linken und linksradikalen Szene – gewissermaßen Zeitzeugen –, Auswertungen von Ermittlungsakten, protokollierte Aussagen von Kriminalbeamten und Verfassungsschützern sowie Protokolle von Gerichtverhandlungen. Brunner gelang es, an inhaltliche Auswertungen von operativen Maßnahmen heranzukommen: 

E-Mail-Observation, Telekommunikationsüberwachungen oder Auswertungen von Videoaufzeichnungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Texten wider. Zahlreiche Schauplätze sowie die Namen vieler Beteiligter aus der Szene und den Fahndungsbehörden muss der Leser sich ordnen, bis er den roten Faden „militante Gruppe“ und auch Eckfiguren wie  Horn erkennt. 

Viele Mitglieder der militanten Linken gehen normalen Berufen nach wie etwa Krankenpfleger und führen ein Doppelleben. Rast studierte nach dem Abitur Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Dieses Institut galt bis in die 90er Jahre als Ideenschmiede für die linksextreme Bewegung. Hier war Rast im Allgemeinen Studentenausschuss  (AStA) tätig, der in jenen Jahren ein strategisches Zentrum der Linksextremen war. In den Zeiten, in denen er nicht im Untergrund tätig war oder eine längere Haftstrafe absaß, arbeitete er im „Roten Antiquariat“ und ließ sich zum Buchhändler ausbilden. Während seiner jüngsten Haftzeit von 2011 bis 2014 gründete er in der JVA Tegel eine Gefangenengewerkschaft. Sie forderte einen Mindestlohn für arbeitende Gefangene und deren Einbeziehung in die Rentenversicherung. Am 17. September 2016 erhielt sie den Menschenrechtspreis der Humanistischen Union Deutschlands. 

Holm befindet sich seit 2007 im Visier der Fahnder. Seine mehrdeutige Rolle bis zu seiner Entlassung als Staatssekretär wird dargestellt. Das Selbstverständnis der Gruppe um Rast war und ist, dass ihre Anschläge wie das Abfackeln von Autos und Lastwagen auf Bundeswehreinrichtungen und Firmen Angriffe auf Teile des kapitalistischen Repressionsapparates sind. 

Eine klammheimliche Freude schimmert durch, wenn die Fahndungsbehörden ins Leere laufen, dieses sieht Brunner auch im Fall der NSU. Für Kenner der Szene ist es nicht überraschend, und trotzdem muss es einkalkuliert werden. Die Unterstützung des Linksradikalismus ragt deutlich in bestimmte Eliten der Gesellschaft hinein. Zu nennen sind Berufsfelder wie Sozialpädagogen, Mediziner, Anwälte, Psychologen oder auch Lehrer. Hier existieren Netzwerke mit politischen Gruppierungen im Bereich der Linken. Für den normalen Bürger kann es beruhigend wirken, dass die  Strafverfolgungsbehörden des demokratischen Staates aus zweifellosen Pannen und Fehleinschätzungen Schlussfolgerungen ziehen. 

Das Buch kann ein „Erfahrungsbericht“ für Leute sein, die ihre Vision vom Sozialismus oder Kommunismus über abgefackelte Autos oder geplünderte Supermärkte erreichen möchten, um damit die Welt verbessern zu wollen. Ansonsten sollte man an die Lektüre mit fragender und auch kritischer Distanz herangehen, wie sich offensichtlich intelligente Menschen derartige Orientierungen suchen.

Frank Brunner: „Mit aller Härte. Wie Polizei und Staatsschutz Linksradikale jagen“, Bastei Lübbe Verlag, Köln 2017, broschiert, 252 Seiten, 15 Euro