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19.01.18 / »Lügenpresse« – ein Wort und seine Karriere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-18 vom 19. Januar 2018

»Lügenpresse« – ein Wort und seine Karriere

Lügenpresse“: Nazi-Jargon? So einfach ist die Sache nicht. Das Schmähwort ist viel älter, es hat eine wechselvolle Karriere hinter sich. Im 19. Jahrhundert von prononciert konservativen Katholiken gegen die liberale und freisinnige Publizistik ins Feld geführt und auch von der aufkommenden Arbeiterbewegung in ihrer Auseinandersetzung mit den monarchistischen und großbürgerlichen Zeitungen benutzt, hat es zu Beginn der 20. Jahrhunderts erstmals ein Konjunkturhoch erlebt – durch völkisch-nationalistische Ideologen. Der Historiker Alfred von Harnack wetterte im Weltkriegsjahr 1914 gegen ausländische Blätter, nannte sie das „Tier aus dem Abgrund“: „Als vierte Großmacht hat sich gegen Deutschland die internationale Lügenpresse erhoben …“ Zwei Jahre später erschien das Pamphlet „Die Lügenpresse. Der Lügenfeldzug unserer Feinde“.  

Nach dem Ersten Weltkrieg diente der Schmähbegriff zur Stigmatisierung der Zeitungen als unpatriotisch, die auf dem Boden der Weimarer Republik standen. Bei Joseph Goebbels lässt sich „Lügenpresse“ in seinen Tagebucheintragungen 1930 und 1939 nachweisen, bezogen auf die Auslandspresse.  

Doch die Schmähungen kamen nicht nur von rechts außen, wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen sollte: Die Propagandisten der DDR, von denen einige ihr Handwerk im Dritten Reich gelernt hatten, ereiferten sich über die „westliche Lügenpresse“; „kapitalistische Lügenpresse“ war ein Topos der Agitation Karl-Eduard von Schnitzlers gegen die NATO-Staaten. Umgekehrt bezogen Journalisten in der Bundesrepublik das Wort auf die Medien der SED und der Block­parteien. „Der Schmähbegriff wird immer dann aus der Mottenkiste geholt, wenn es darum geht, der jeweils anderen Seite die Legitimation zu entziehen“, kommentierte die „Frankfurter Allgemeine“. Im Januar 2015 wurde „Lügenpresse“ von deutschen Sprachwissenschaftlern zum Unwort des Jahres 2014 erklärt – eine Reaktion auf Vorwürfe von Pegida-Anhängern in mitteldeutschen Städten.G.F.