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19.01.18 / Ins Elektronetz gegangen / Nordseefische unter Strom gesetzt – EU-Kommission überlegt, die Fischerei mit Elektronetzen zuzulassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-18 vom 19. Januar 2018

Ins Elektronetz gegangen
Nordseefische unter Strom gesetzt – EU-Kommission überlegt, die Fischerei mit Elektronetzen zuzulassen
D. Jestrzemski

Das offizielle Verbot der sogenannten Elektrofischerei in der EU steht auf dem Prüfstand. Fürsprecher behaupten, dass das Einfangen der Fische mittels Aufschreckens durch Gleichstrom auf dem Meeresboden schonender sei als die Schleppnetzfischerei.

Momentan bestimmt ein bisher kaum bekanntes Thema die Dis­kussion über die europäische Fischereipolitik. Es geht um die Fischerei mit Elektronetzen. Offiziell ist die Elektro- beziehungsweise E-Fischerei in der Europäischen Union seit 1998 verboten. Dementsprechend hat die Meldung, dass in jedem EU-Staat trotzdem bereits seit 2007 bis zu fünf Prozent der Schleppnetz-Fangschiffe mit Elektronetzen fischen dürfen, für einige Überraschung gesorgt. Am 16. Januar beschäftigte sich das EU-Parlament mit dieser Fangpraxis. Anlass ist die vorgesehene Ausweitung der umstrittenen E-Fischerei oder Pulsfischerei. Ob das Ergebnis der Parlamentsabstimmung Einfluss auf die Entscheidung der EU-Kommission und des Ministerrats hat, wird sich zeigen. Beide Gremien hatten sich schon vor zwei Jahren dafür ausgesprochen. 

Bevor die E-Fischerei für weitere negative Schlagzeilen sorgt und der Bürgerprotest zunimmt, könnte die EU-Kommission bereits Tatsachen geschaffen haben. Ursprünglich stand die Entscheidung über die erweiterte Zulassung erst für die Jahresmitte an. Doch offenbar haben es die Brüsseler Beamten jetzt eilig. Man spekuliert vermutlich darauf, dass sich die hitzige Diskussion über das Für und Wider der Fangmethode nach der gemeldeten Freigabe der neuen Fangpraxis bald wieder beruhigen wird. Das könnte sich aber als Irrtum erweisen.

Besonders unter den Nordseeanrainern sorgt das Vorhaben, die E-Fischerei als „konventionell“ zu deklarieren, für erhebliche Unruhe. Was die Niederländer als modernes Verfahren zum schnellen und schonenden Fischfang loben, wird von den Franzosen und Briten sowie unter anderem von einer Gruppe von 17 internationalen Umweltorganisationen als zerstörerisch, unmoralisch und unrechtmäßig gegeißelt. 

Bei der Schleppnetzfischerei mit Elektronetzen ziehen die Fangschiffe mit Elektroden gespickte Netze in geringer Höhe über den Meeresboden. Durch die in den Meeresboden ausgesendeten elektrischen Impulse werden Krabben und Plattfische wie Schollen, die sich am Meeresboden verstecken, hochgescheucht. Mit verkrümmter Muskulatur landen sie unweigerlich im Netz, und zwar in viel größerer Zahl als bei der üblichen Fangmethode mit Grundschleppnetzen. Die Rede ist von von der fünffachen Menge an Krabben, aber auch bis zu 20 Prozent mehr Seezungen und Schollen. 

Britische und französische Fischer, die diese Methode ablehnen, verweisen auf die Gefahr der Überfischung und Konsequenzen für die Unterwasserfauna und Flora. Auch kursieren immer mehr Berichte von Fischern über verstümmelte, verkrüppelte und tote Fische in ihren Netzen, was sie auf die Pulsfischerei zurück­führen. Deren erklärte Gegner führen die Chinesen als warnendes Beispiel an. Sie hatten diese Praxis schon vor Jahren erlaubt und dann wieder verboten, weil immer größere Teile des Chinesischen Meeres mit dieser Fangmethode leergefischt wurden. 

Die Meeresschutzorganisation „Bloom“ mit Sitz in Paris hat in einem Brandbrief an Fischereikommissar Karmenu Vella appelliert, dem Beispiel Frankreichs zu folgen und diese „zerstörerische, unrechtmäßige und unmoralische“ Fangmethode vollständig zu verbieten. Die E-Fischerei sei wegen ihrer „Über-Effizienz“ und starker negativer Auswirkungen extrem gefährlich. Bloom weist die Behauptung der EU-Kommission zurück, die neue Methode sei für den Meeresboden schonender als die bisher in der Bodenfischerei angewandte Schleppnetzfischerei, wobei der Meeresboden aufgerissen wird.

Man dürfe die Stromschlag-Praxis nicht als nachhaltig deklarieren, nur weil sie im Vergleich mit der verheerendsten Methode im Hinblick auf den Meeresboden besser abschneidet. In dem Brief wird der EU-Kommission ferner Betrug und Manipulation im Zusammenhang mit der seit 2007 geltenden Teilgenehmigung vorgeworfen. Nur durch ihre starke Lobby hätten die Niederländer seinerzeit dieses Ziel erreicht. Die EU-Kommission habe sich über seriöse wissenschaftliche Expertisen, unter anderem des eigenen Gutachtergremiums, hinweggesetzt. Darin steht vermerkt, dass erst eine Reihe von Problemen gelöst werden müssen, bevor irgendeine Ausnahmeregelung genehmigt werden kann.  

Bloom hat vor der europäischen Union Klage gegen die Niederlande eingereicht, weil sich das Land nicht an die Fünf-Prozent-Abmachung hält. Insgesamt sind 84 holländische Fangboote und damit 28 Prozent der Schleppnetzflotte mit Elektronetzen unterwegs anstatt der erlaubten 15. Diese Lizenzen seien illegal, sie seien unter dem Vorwand der „wissenschaftlichen Forschung“ als „Pilotprojekt“ erschlichen. Ein anderer Klagepunkt bezieht sich auf die gesetzliche Vorgabe der maximalen elektrischen Spannung von 15 Volt an den Elektroden. Die niederländischen E-Fischereischiffe seien mit Schleppnetzen unterwegs, die mit einer Spannung von 40 bis 60 Volt ausgestattet sind. In Deutschland sind zwölf Fangschiffe mit E-Netzen im Einsatz.