24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.01.18 / Als Südpreußen preußisch wurde / Vor 225 Jahren einigten sich König Friedrich Wilhelm II. und Zarin Katharina II. auf die sogenannte zweite polnische Teilung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-18 vom 19. Januar 2018

Als Südpreußen preußisch wurde
Vor 225 Jahren einigten sich König Friedrich Wilhelm II. und Zarin Katharina II. auf die sogenannte zweite polnische Teilung
Manuel Ruoff

Nach der vom Aufklärer Voltaire bezeichnenderweise als Fortschritt begrüßten sogenannten ersten polnischen Teilung von 1772 waren sich der König und ein Großteil des Adels Polens darin einig, dass diese maßgeblich auf die Rück­ständigkeit ihres Landes zurück­zuführen sei. Nach westlichem Vorbild versuchten sie deshalb, ihr Land zu reformieren. 

Den reformfreudigen Polen war dabei durchaus bewusst, dass ihr Reformeifer dem großen Nachbarn im Osten missfiel. Das autokratisch regierte Zarenreich war konservativ und die Autokratin Katharina die Große hasste die Revolution wie die Pest. In Polen glaubte man jedoch, darauf keine Rücksicht nehmen zu müssen, denn Russland schien beschäftigt. 1787 war einmal wieder ein Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich ausgebrochen. Zum unangenehmen Zweifrontenkrieg wurde dieses Kräftemessen für das Zarenreich, als es am 28. Juni des darauffolgenden Jahres von Schweden angegriffen wurde. Kaum, dass die Zarin derart in die Bredouille geraten war, nahm das polnische Reformprogramm richtig Fahrt auf.

Am 6. Oktober 1788, also nur wenige Monate nachdem der Krieg für Russland zum Zweifrontenkrieg geworden war, trat in Polen der sogenannte Große oder Vierjährige Sejm zusammen. Dieser Reichstag katapultierte Polen von einem rückständigen Land zumindest partiell an die Spitze des Fortschritts, in gewisser Hinsicht sogar noch vor das revolutionäre Frankreich, mit dem es einen regen Gedankenaustausch gab. Er gab dem Land nämlich 1791 eine Verfassung, die erste geschriebene überhaupt in Europa. 

Allerdings war die Bredouille der russischen Zarin zeitlich begrenzt. Der russisch-schwedische Krieg endete 1790 und am 9. Januar 1792 schloss Russland auch mit dem Osmanischen Reich Frieden. Nun wieder voll handlungsfähig holte Katharina die Große nach, woran sie das Osmanische Reich und Schweden bis zu den Friedensschlüssen bislang gehindert hatten. Nachdem sie in einer Deklaration am 18. Mai 1792 Polen unter anderem die Verfolgung von russischen Staatsangehörigen und Orthodoxen sowie Bündnisgespräche mit dem Osmanischen Reich vorgeworfen hatte, intervenierte sie mit 100000 Mann in dem Nachbarland, das nur 30000 Mann zu seiner Verteidigung aufbringen konnte. Der russische Vormarsch endete mit der polnischen Kapitulation im Juli 1792.

Österreich konnte dem wenig entgegensetzen, denn es war vollends damit beschäftigt, seine Österreichischen Niederlande im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich zu verteidigen. Preußen nahm auch an diesem Krieg gegen Frankreich teil, hatte in ihm aber relativ wenig zu gewinnen oder zu verlieren, und kämpfte deshalb nur mit gebremstem Schaum. Russland war in seiner territorialen Integrität zwar noch weniger durch die Frankreich bedroht als Preußen, aber im Gegensatz zu Friedrich Wilhelm II war Katharina der Großen der Kampf gegen die „französische Pest“ ein Herzensanliegen. Sie war deshalb auch bereit, für Preußens Verbleiben in der Koalition einen Preis zu bezahlen. Katharina schlug Friedrich Wilhelm vor, ihn für die Kosten, die ihm durch den Krieg gegen die „französischen Rebellen“ entstand, durch polnisches Territorium zu entschädigen. Preußens König ging darauf ein, und am 23. Januar 1793 beschlossen beide Seiten die sogenannte zweite polnische Teilung.

Von preußischer Seite war es nach der sogenannten ersten polnischen Teilung sehr bedauert worden, dass Danzig und Posen nicht zusammen mit Westpreußen zu Preußen gekommen waren. Das wurde nun nachgeholt. Des Weiteren bekam Preußen das nun „Südpreußen“ genannte Gebiet zwischen Westpreußen im Norden und Schlesien im Süden, sprich Großpolen und das westliche Masowien. Hatte Preußen in der sogenannten ersten polnischen Teilung noch überwiegend von Deutschsprachigen bewohnte Gebiete gewonnen, besaß es fortan nun auch einen größeren pol­nischsprachigen Bevölkerungsteil. 58400 Qua­drat­ki­lo­me­ter mit 1,136 Millionen Bewohnern gestand Katharina Friedrich Wilhelm als Kriegskostenersatz zu.

Die Interventionsmacht Russland nahm sich mit 228600 Quadratkilometern und 3,056 Millionen Seelen ein Mehrfaches des Preußen Zugestandenen. Sie annektierte den (weiß-)ruthenischen Teil Polens und verschob ihre Westgrenze bis zu einer Linie, die von Dünaburg (Daugavpils) im Norden bis nach Chotyn im Süden reichte. In diesem Gebiet waren die Polen bei Weitem in der Minderzahl. Dem polnischen Reichstag verblieb es dann, die territorialen Veränderungen einige Monate später abzunicken und damit völkerrechtlich zu besiegeln.





Preußisch-polnische Defensivallianz vom 29. März 1790

Bestärkt fühlten sich die reformfreudigen Polen in ihrem Glauben, notfalls auch gegen den russischen Nachbarn ihr Land verändern zu können, durch eine mit Preußen am 29. März 1790 geschlossene Defensivallianz. Diese erfüllte jedoch weder die preußischen noch die polnischen Erwartungen. 

Friedrichs des Großen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. hatte gehofft, sich im Gütlichen mit Polen auf den Erwerb der deutschsprachigen Städte Danzig und Thorn einigen zu können, den sein Oheim schon bei der Ersten Teilung erstrebt hatte. Anfang September 1790 beschloss der Sejm aber die absolute Integrität des Staatsgebietes. 

Seinen Wert als möglicher Bündnispartner gegen Österreich, das sich nur schwer mit dem Verlust Schlesiens an Preußen in den Schlesischen Kriegen abfand, verlor Polen für den Preußenkönig, als dieser am 27. Juli 1790 mit Kaiser Leopold II. in der Reichenbacher Konvention zu einem Übereinkommen fand. 

Friedrich Wilhelm musste sich nun fragen, warum er sich durch Polen in einen Konflikt mit Russland hineinziehen lassen sollte, wo mittlerweile auch noch der traditionell polenfreundliche potenzielle Kriegsverbündete England sein Interesse an dem ostmitteleuropäischen Raum verlor. London widmete seine Aufmerksamkeit nämlich nun verstärkt der Destabilisierung des europäischen Gleichgewichts durch das revolutionäre Frankreich. Ein den Kontinent dominierendes Frankreich war England ein ebensolcher Alb wie die kontinentale Gegenküste der Themsemündung in der Hand einer seefahrenden Großmacht, wie sie Frankreich – im Gegensatz zu Österreich – war. 

Angesichts dieses Verhaltens Polens, Österreichs und Großbritanniens nahm Friedrich Wilhelm die polnische Verfassung von 1791 zum Anlass, die preußisch-polnische Defensivallianz vom 29. März 1790 zu kündigen.M.R.