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19.01.18 / Erfolgreich, aber angreifbar / Polens Geheimdienste instrumentalisierten bei der Agentenwerbung den polnischen Opferstatus und den deutschen Schuldkomplex

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-18 vom 19. Januar 2018

Erfolgreich, aber angreifbar
Polens Geheimdienste instrumentalisierten bei der Agentenwerbung den polnischen Opferstatus und den deutschen Schuldkomplex
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Bei dem Versuch, Bundesbürger zum Verrat zu bewegen, bediente sich Polen im Kalten Krieg des Zuckerbrotes und der Peitsche. Westdeutsche wurden mit Geld gelockt, aber auch mit Ereignissen aus dem vorangegangenen Zweiten Weltkrieg erpresst, die sie in der Bundesrepublik kompromittiert hätten. Speziell gegenüber jungen Deutschen, bei denen die Umerziehung der Alliierten besonders wirkungsvoll gewesen war, war der Hinweis auf den deutschen Einmarsch in Polen 1939 oft erfolgreich. Ihnen wurde suggeriert, sie könnten durch die Lieferung interessanter Informationen an Nachkriegspolen „Wiedergutmachung“ leisten. 

Es dürfte Geldnot gewesen sein, was die einst gefeierte, aber nach dem Krieg in wirtschaftlichen Schwierigkeiten lebende Schauspielerin Maria Knuth dazu brachte, dass sie das Wissen, die Pläne und insbesondere die Schwächen der Oberschicht in Frankfurt am Main auszuhorchen versuchte, um sie den Polen zu übermitteln. 1953 lief gegen sie der erste Spionageprozess in der Bundesrepublik. Die 45-Jährige, die im polnischen Auftrag eine „Spionagegruppe Kolberg“ aufgebaut hatte, wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. 

Erpressbar hatte sich Günter Kosch gemacht. Bald nach Kriegs­ende hatte er eine polnische Stelle in Frankfurt am Main um Mithilfe bei der Suche nach seinen deutschen Angehörigen im Osten gebeten. Rund ein Jahrzehnt später entdeckte der polnische Geheimdienst Z II, dass der Deutsche mittlerweile nicht nur eine höhere Position im Bundeswehr-Beschaffungsamt bekleidete, sondern auch widerrechtlich einen Doktortitel führte. Da die polnische Militärspionage ihn längerfristig nutzen und deshalb vor einer Entdeckung seitens des bundesdeutschen Militärischen Abschirmdienstes (MAD) schützen wollte, fertigte sie für ihn eine gefälschte Promotionsurkunde an. Als Aussteller wurde dort eine „Friedrichs-Wilhelms-Universität“ in Bonn genannt. Das falsche „s“ hinter „Friedrich“ fiel schließlich dem MAD auf. Die Folge waren acht Jahre Zuchthaus für den Spion. 

Der engste Mitarbeiter und Persönliche Referent der von 1989 bis 1992 amtierenden christsozialen Bundesministerin Gerda Hasselfeldt, Ministerialrat Reinhard Hoppe, war Jahre zuvor in einer Kneipe Ost-Berlins mit der Wiedergutmachungs-Masche angeworben worden. Aus seinem Ministerium konnte er seinen Auftraggebern nicht viele Informationen liefern, wohl aber über die Monatstreffen der Persönlichen Referenten der einzelnen Bundesminister. Seine auffallend starke Neugier führte schließlich zur Verhaftung. Da der Prozess allerlei Delikates zutage brachte, wurde der Fall faktisch totgeschwiegen. Hasselfeldt trat 1992 als Gesundheitsministerin zurück. Als Gründe für den Rück­tritt wurden neben dem Vorwurf, dass Hoppe als Agent für den polnischen Geheimdienst arbeite, Auseinandersetzungen mit dem damaligen Bundeskanzler Helmuth Kohl genannt. 

Ungeachtet derartiger Erfolge besaßen die Nachrichtendienste der Volksrepublik Polen auch einige große Schwachstellen. Ihr Personal bestand aus Juden und starken Antisemiten, Alt-Kommunisten und reinen Aparatschiks. Vielen war gemein, dass sie den Einmarsch der Sowjets in Polen im September 1939, deren Verweigerung von Hilfe beim Warschauer Aufstand 1944 und vor allem das Massaker von Katyn nicht vergessen hatten. Die Anwerbungsversuche westlicher Geheimdienste waren daher ziemlich erfolgreich, besonders seitens des israelischen Mossad, der als Vorhut der CIA fungierte.

Deren erster Helfershelfer war Oberst Józef Swiatlo. Der 1915 im seinerzeit österreich-ungarischen und heute ukrainischen Medyn bei Sbarasch als Isaak Fleischfarb geborene Stellvertretende Leiter der Abteilung 10 des Inlandsgeheimdienstes UB war spätestens ab 1948 einer der gefürchtetsten Männer in Nachkriegspolen. Im direkten Auftrag des US-Dienstes denunzierte er manche besonders fanatische Kommunisten als Spione des Westens, die dann als „Agenten des Imperialismus“ zu hohen Strafen verurteilt und damit ausgeschaltet wurden. Nach sieben Jahren floh er nach West-Berlin.

Vom militärischen Nachrichtendienst GZI WP arbeitete Oberst Wladyslaw Tykocinski für die Amerikaner. Der 1921 in Warschau geborene Pole jüdischer Herkunft leitete von 1957 bis 1961 die Militärmission seines Landes in West-Berlin und fiel 1967 in Washington einem Mordanschlag zum Opfer.

Der Stellvertretende Leiter der militärischen Gegenspionage, Oberstleutnant Michael Goleniewski, bot selber seine Mitarbeit an. 1961 lief er in die USA über und gab die Personalien von Hunderten Geheimdienstoffizieren seines Landes und etlicher seiner Agenten preis. 

„Kein anderer Mensch auf der Welt hat in den letzten 40 Jahren dem Kommunismus so geschadet wie dieser Pole“, schrieb William Joseph Casey in einem Brief an Ronald Reagan. Das Lob des 1987 verstorbenen CIA-Direktors von 1981 bis 1987 galt nicht Papst Johannes Paul II. oder Lech Walesa, sondern Ryszard Kuklinski. Der 1930 in Warschau geborene und 2016 posthum zum General beförderte Stellvertretende Leiter einer Generalstabsgruppe für die Zusammenarbeit mit den sowjetischen Streitkräften erstrebte „ein Polen, frei von sowjetischer Herrschaft“. Ausgestattet mit den modernsten technischen Mitteln spielte er den Amerikanern innerhalb von neun Jahren Mikrofilme mit 40265 Seiten geheimer Dokumente zu, darunter die Pläne des Kreml zur Eroberung Westeuropas unter Einsatz von Atombomben. Es soll eine undichte Stelle in der US-Regierung gewesen sein, die den KGB auf ihn aufmerksam werden ließ. In einer Novembernacht des Jahres 1981, kurz vor der Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Folgemonat, von der er durch Informationen des Divisionsge­ne­rals Tadeusz Hupalowski vorab wuss­te, wurden er und seine Familie aus Warschau mit einem Postwagen der US-Botschaft nach West-Berlin geschmuggelt, um dann in den Vereinigten Staaten neue Identitäten zu bekommen.

Die Führungsspitze in Warschau ahnte, dass ihre Geheimdienste vom Westen zersetzt wurden und man dort vieles wusste. Dies bestätigte der Leiter des Büros des polnischen Ministerpräsidenten Robert Nowak 2006 in einem Vortrag vor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Genützt hat es ihr wenig. Im Frühjahr des „Wende“-Jahres 1989 stellte die polnische Spionage ihre Tätigkeit gegen die Bundesrepublik ein.