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19.01.18 / Wenn sich Bürger wehren / Einbrüche, Angriffe, sexuelle Übergriffe – für Notwehr gibt es heutzutage immer mehr schlimme Gründe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-18 vom 19. Januar 2018

Wenn sich Bürger wehren
Einbrüche, Angriffe, sexuelle Übergriffe – für Notwehr gibt es heutzutage immer mehr schlimme Gründe
Dirk Pelster

Entweder er oder ich, sein Leben gegen meines – in Notwehrsituationen ist es selbst für den redlichsten und friedlichsten Bürger geboten, Gewalt anzuwenden. Ob ihm am Ende trotzdem eine Verurteilung droht, ist allerdings oft eine Frage von Kleinigkeiten und Details.

Als in der Nacht zum 1. Dezember im hessischen Weilburg mehrere Männer versuchen, über ein Fenster in die Wohnung eines 23 Jahre alten Mannes einzudringen, ruft dieser zunächst die Polizei. Er begibt sich dann vor das Haus und stellt die Täter. Es kommt zu einer Auseinandersetzung. Der Wohnungsinhaber macht von einem mitgeführten Küchenmesser Gebrauch und sticht auf einen der Einbrecher ein. Wenige Stunden später erliegt der in einem Krankenhaus seinen Verletzungen.

Über die Hintergründe ist bislang nicht viel bekannt. Da die Täter zunächst in auffälliger Weise vor der im Souterrain liegenden Wohnung randaliert haben sollen, kann es sein, dass es sich nicht um einen versuchten Diebstahl handelte, sondern dass die jungen Männer einander kannten. Möglicherweise war es ein persönlich motivierter Streit. Dennoch wurde kein Antrag auf Haftbefehl gegen den Mieter gestellt. Er soll aus Notwehr gehandelt haben.

Auch wenn deutsche Behörden keine Statistiken zum berechtigten Einsatz physischer Gewalt in Notwehrfällen führen, so ergibt sich für den aufmerksamen Zeitgenossen gleichwohl der Eindruck, dass derartige Fälle in den letzten Jahren zugenommen haben. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass der Durchschnittsbürger in der Regel nur dann Gewalt anwendet, wenn er sich innerhalb seiner eigenen Räumlichkeiten einem rechtswidrigen Angriff ausgesetzt sieht. Tatsächlich ist die Zahl der Wohnungseinbrüche innerhalb des vergangenen Jahrzehnts drastisch gestiegen und ging erstmals im Jahr 2016 wieder zurück. In der Berichterstattung machen vor allem solche Fälle von Notwehr Schlagzeilen, bei denen Einbrecher durch ihre Opfer getötet werden. 

Im April 2016 brach ein mit einem Messer bewaffneter Albaner im sauerländischen Affeln in das Einfamilienhaus eines Jägers ein. Dieser erschoss den Angreifer mit seiner Pistole. Im Jahr 2015 tötete ein 63-jähriger Hamburger wiederum einen Albaner, der gemeinsam mit einem Landsmann dessen Eingangstür eingetreten hatte und den Hauseigentümer mittels Pfefferspray überwältigen wollte.

Beide Fälle dokumentieren dabei gut, wie schwer sich die deutsche Justiz damit tut, unbescholtenen Bürgern ihr Recht auf Notwehr zuzugestehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Angegriffenen mittels einer Schusswaffe ihrer Haut erwehren. Erst nach monatelangen Ermittlungen wurden die gegen die beiden Hauseigentümer wegen Totschlages geführten Strafverfahren eingestellt. Im Hamburger Fall wurde gegen den Angegriffenen schließlich noch ein Bußgeld verhängt, da er für die eingesetzte Pistole über keine Waffenbesitzkarte verfügte. Auch gegen den Jäger wurde ein gesondertes Verfahren nach dem Waffenrecht angestrengt. Nach geltenden Vorschriften sind Waffen und Munition nämlich getrennt voneinander in einem Panzerschrank aufzubewahren, was dieser jedoch offensichtlich nicht getan hatte. Zu seinem Vorteil: Wird die Vorschrift befolgt, ist es im Falle eines Einbruches den Betroffenen praktisch unmöglich, noch rechtzeitig auf beides zuzugreifen, um sich zu wehren.

Wenig Nachsicht zeigten Gerichte und Strafverfolgungsbehörden bei einem Werkstattbesitzer aus Hannover. Als dieser im Juni 2015 bemerkte, dass vier ausländische Jugendliche im Begriff waren, in seine Geschäftsräume einzudringen, konnte der eingetragene Sportschütze aus den anliegenden Wohnräumen seine Pistole herbeischaffen. Nachdem er dann die Haustür von innen geöffnet hatte, tötete er einen der Einbrecher mit einem Schuss. Dennoch versagte ihm das Landgericht Hannover ein Handeln aus Notwehr. Er wurde zu drei Jahren Haft wegen Totschlages verurteilt. 

Problematisch war hier, dass die Einbrecher nach dem Erscheinen des bewaffneten Geschäftsmannes sofort die Flucht ergriffen haben sollen. Nach deutschem Recht gilt ein Angriff daher dann nicht mehr als gegenwärtig. Auffallend waren jedoch die Elogen, die der Vorsitzende Richter auf den getöteten 18-jährigen moldawischen Einbrecher und seine drei bislang unbekannten Komplizen in der Urteilsbegründung verlas. Diese seien keineswegs als professionelle Diebesbande zu bezeichnen gewesen und sie hätten sich lediglich aufgrund falscher Vorstellungen in die Tatsituation hineinmanövriert. Woher diese äußerst wohlwollende Einschätzung resultiert, ließ der Richter offen.  

Ein anderes Maß legt die Justiz an, wenn es um tatsächliche oder vermeintliche Notwehrhandlungen von Polizeibeamten geht. Obwohl auch hier häufig interne Ermittlungen angestrengt werden, kommt es kaum zu Verurteilungen. Allein bei den gewalttätigen Ausschreitungen um den G20-Gipfel im Sommer 2017 in Hamburg werden derzeit noch 95 Fälle von möglicher rechtswidriger Polizeigewalt untersucht. Tatsächlich zeigen einige der hier gemachten Videoaufnahmen Szenen, in denen mehrere Beamte auf am Boden liegende Demonstranten langanhaltend einschlagen. Hierbei dürfte es sich kaum mehr um Maßnahmen handeln, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gedeckt sind.

Sicherlich ist es menschlich durchaus nachzuvollziehen, wenn einzelne Polizisten nach tagelangen Attacken von Kriminellen und bei einem erheblichen Schlafdefizit überreagieren, aber es stellt sich doch die Frage, warum an einen Beamten, der mehrere Jahre speziell für diese Situationen ausgebildet wurde, ein weniger strenger Maßstab angelegt wird als an einen Privatmann, der nachts im heimischen Schlafzimmer von einer albanischen Einbrecherbande überrascht wird.





Fünf Voraussetzungen müssen erfüllt sein

Wer in Notwehr handelt, macht sich selbst nicht strafbar, auch wenn er dabei Mittel einsetzt oder Maßnahmen ergreift, die ansonsten illegal sind. Dafür müssen nach deutschem Recht aber fünf Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens: Es muss ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff auf ein Rechtsgut des Verteidigers oder eines Dritten (zum Beispiel Leben, Gesundheit, Eigentum) vorliegen.

Zweitens: Die Verteidigungshandlung muss verhältnismäßig sein, das heißt, es darf nur so viel Gewalt eingesetzt werden, wie zur Abwehr des Angriffes wirklich erforderlich und notwendig ist.

Drittens: Der Angegriffene darf die Notwehrsituation nicht provoziert haben, zum Beispiel indem er einen Täter zuvor solange beleidigt, bis dieser schließlich zuschlägt.

Viertens: Die Notwehrsituation muss als solche vom Verteidiger erkannt werden.

Fünftens: Der Verteidigungswille ist wichtig. Das heißt der Verteidiger darf Gewalt nur einsetzen, um ein Rechtsgut zu schützen, und nicht etwa, um damit persönliche Frustrationsgefühle abzubauen. DP