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26.01.18 / Wollen die Südkoreaner sie noch? / Wie die Bevölkerung im Süden des geteilten Landes über eine Wiedervereinigung denkt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

Wollen die Südkoreaner sie noch?
Wie die Bevölkerung im Süden des geteilten Landes über eine Wiedervereinigung denkt
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Nach rund sieben Jahrzehnten Teilung des eigenen Landes sowie knapp drei Jahrzehnten „Aufbau Ost“ und den damit verbundenen Lasten für die Westdeutschen hat die Zustimmung der Südkoreaner zur Wiedervereinigung ihres Landes abgenommen. Doch lohnt es sich genauer hinzugucken.

War anfänglich die Haltung Pjöngjangs zu einer Teilnahme an den Olympischen Winterspielen vom 9. bis 25. Februar im südkoreanischen Pyeongchang schroff ablehnend, so änderte Diktator Kim Jong-un kürzlich seine Haltung völlig, und inzwischen fanden im Grenzort Pannumjom seit Jahren erstmals innerkoreanische Gespräche statt. 

Motiv und Ziel von Kims Kehrtwende ist es zum einen, einen Keil zwischen Washington und Seoul zu treiben, was nicht erfolglos bleiben muss. Die Regierungen der Republik Korea und der Vereinigten Staaten verfolgen nämlich zumindest teilweise konträre Strategien gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea. Die USA setzen primär auf die militärische Karte. Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in strebt hingegen einen friedlichen Dialog mit Nordkorea an und möchte insofern die damalige sogenannte Sonnenscheinpolitik des Präsidenten Kim Dae-jung fortsetzen, auch wenn jene nur eine geringe Minderung der weiterhin bestehenden Spannungen brachte und Moon nicht die Mehrheit im südkoreanischen Parlament besitzt, was seine Handlungsfreiheut einschränkt. 

Ein weiterer Grund für Pjöngjangs Kehrtwende sind die Erfolge der verhängten UN-Sanktionen. Nicht ohne Grund rief Kim Jong-un in seiner Neujahrsansprache zur Solidarität unter seinen Funktionären auf, „je knapper die Versorgung mit allem wird“. Wieder einmal wird er ausländische Hilfe fordern, ohne von seinen Atomplänen auch nur einen Deut abzuweichen. 

Angesichts der schwachen Machtposition Moons stellt sich umso mehr die Frage nach dem Denken und Fühlen der südkoreanischen Bevölkerung. Zu berück-sichtigen ist dabei, dass die ältere Generation die Schrecken des Koreakrieges nicht vergessen hat, jüngere Menschen hingegen nur das Bild vom geteilten Land kennen und in den über 60 Jahren der Trennung eine Entfremdung zu den Landsleuten im Norden eingetreten ist. Verbindungen über den 38. Breitengrad gibt es nicht, weder per Telefon noch per Briefpost. 

Vor über zwei Jahrzehnten erachteten noch rund acht von zehn Südkoreanern die Wiedervereinigung als „unbedingt notwendig“, 2014 war es nur noch 69,3 Prozent und heute sollen es – primär bedingt durch die atomare Aufrüstung im Norden – lediglich rund 55 Prozent sein. Bei den 20-Jährigen liegt der Wert noch unter 50 Prozent. Immerhin treten auch jetzt noch knapp 70 Prozent grundsätzlich für die Einheit ein. 

Bei einem Zusammenschluss schätzt man die Kosten zum Wiederaufbau Nordkoreas allein für die ersten Jahre auf umgerechnet über 200 Milliarden Euro. Obwohl Südkorea ein reiches Land ist, könnte es diese Summen nie aufbringen. 

Ohnehin scheuen sich viele seiner Einwohner, überhaupt Opfer für die Wiedervereinigung ihres Landes zu bringen. Waren es vor Jahren schon 44 Prozent, so wird ihre Zahl in der Zwischenzeit noch gestiegen sein. Immerhin sind über 13 Prozent bereit, viele Jahre größere Geldsummen zu zahlen. Nicht wenige der Befragten glauben heute, die Einheit würde mehr Unruhe und sehr viele Probleme bringen. Diese Ablehnung geht inzwischen sogar so weit, dass fast ein Drittel von ihnen ihre Landsleute im Norden nicht mehr zum eigenen Volk zählen. Appelliert man indes an den Patriotismus der Südkoreaner und die leidvolle Geschichte ihres Volkes, so dürften bis zu rund 80 Prozent zu echten Opfern bereit sein. Als wichtigstes Motiv wird dabei die dadurch erhoffte Vermeidung eines Krieges genannt. Erst danach folgt das Motiv, ein Volk zu sein. 

Während der letzten Jahre hat sich die Zahl der Befürworter einer Zwei-Staaten-Lösung erhöht, die den Status quo befürworten und darin eine Garantie eines stets friedlichen Nebeneinanders erblicken. In jüngster Zeit soll ihr Bevölkerungsanteil auf über 13 Prozent gestiegen sein. Die meisten von ihnen sind jüngere, gebildete und wohlhabende Südkoreaner mit Einfluss auf die öffentliche Meinung im Lande. Sie übersehen, dass auch Kim Jong-un die Wiedervereinigung anstrebt – allerdings auf seine Weise. Eine Wiedervereinigung unter kommunistischem Vorzeichen würde nicht ohne Blutvergießen erfolgen und sehr große Veränderungen mit sich bringen. Ob die USA, China und Japan tatenlos zusehen würden, muss bezweifelt werden. 

Trotz allem offiziellen Jubels dürften viele Nordkoreaner, auch in der Funktionärsschicht, ihr Regime als eine brutale Diktatur mit überaus vielen Nöten und einer weit verbreiteten Korruption erkannt haben. Durch die Millionen Flugblätter und die Nachrichten von Untergrundsendern aus dem Südteil kennen sie die dortigen, in jeder Weise wesentlich besseren Verhältnisse. Die trotz aller Grenzabsperrungen wachsende Zahl von Flüchtlingen aus Nordkorea ist dafür eine deutliche Bestätigung. Ihre Befragungen in Südkorea ergeben, dass sie die ständige Verletzung der Menschenrechte in ihrer Heimat zur Flucht veranlasst hat und sie – im Gegensatz zu vielen Südkoreanern – Nord- und Südkoreaner als Angehörige eines Volkes betrachten.