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26.01.18 / Revolution am Ende / Tunesien, Musterland des arabischen Frühlings, steckt in der Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

Revolution am Ende
Tunesien, Musterland des arabischen Frühlings, steckt in der Krise
Bodo Bost

Zum Jahrestag des Umsturzes von 2011 kommt es in Tunesien regelmäßig zu Protesten. Die Bürger erinnern damit an ihre Situation und an die Jasminrevolution von 2010/11. Die jetzigen Unruhen begannen am 8. Januar nach der Durchsetzung neuer Austeritätsmaßnahmen der Regierung, die zum Jahreswechsel ihren neuen Staatshaushalt in Kraft gesetzt hat. Dieser sieht Sparmaßnahmen vor allem im sozialen Bereich sowie Steuererhöhungen vor. Besonders schmerzhaft ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Diese reduziert nochmals die ohnehin sinkende Kaufkraft der Bürger, die unter einer Arbeitslosenrate von 15 Prozent und einer Inflationsrate von sieben Prozent leiden.

Bei den Unruhen kam ein Demonstrant ums Leben, 50 Polizisten wurden verletzt, und bis zu 700 Personen wurden verhaftet. Das Zentrum der Unruhen war neben Tunis die Stadt Tebourba. Aber auch die geräumte Synagoge in Djerba, in der bereits vor 

16 Jahren 20 deutsche Urlauber durch einen Terrorakt ums Leben kamen, wurde wieder in Brand gesteckt. Zu Unruhen und Plünderungen kam es auch in Sidi Bouzid, wo durch die Selbstverbrennung eines Händlers der arabische Frühling begann, der in einem Blutbad und vier Bürgerkriegen übergegangen ist. 

Die tunesische Regierung unter Premierminister Chahed ist in einer Zwickmühle. Die Erwartungen hinsichtlich einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung an sie sind groß. Gleichzeitig ist die Finanzkasse leer und die Staatsausgabenquote auch wegen des Kampfes gegen den Terror erschreckend hoch. 

Hinzu kommt, dass es seit 2011 keiner Regierung gelungen ist, die Korruption und Vetternwirtschaft in den Griff zu bekommen. Ebenso wenig haben die ergriffenen politischen Maßnahmen Erfolge gebracht. Das Land leidet immer noch unter einer Rezession, die durch eine Terrorwelle in den Tourismuszentren verursacht wurde. Bereits vorher hatten politische Morde für Unsicherheit und eine politische Krise gesorgt, die dazu geführt hatten, dass mit Präsident Essebsi ein 93-Jähriger zum Präsident gewählt wurde, der älteste weltweit. Bereits seit Jahren ist bekannt, dass der IS in Tunesien mehr Anhänger hat als in allen anderen Ländern, eine Welle von Rück­kehrern aus Syrien und dem Irak wird die soziale Lage und die Sicherheitslage weiter verschärfen.

Tunesien galt bislang als das einzige Land, in dem der arabische Frühling mit Erfolg durchgeführt wurde. Aber auch diese gängige Auffassung ist falsch, wie die jetzigen Unruhen beweisen. Denn die Schere zwischen Arm und Reich, eine der Ursachen der Jasminrevolution, ist seit 2011 noch größer geworden. 

Die jüngste Kampagne der Protestler stand unter dem Motto „Fech nestannew“ (Wir wollen nicht länger warten). Als erste Maßnahme gegen die Unruhen hat die Regierung inzwischen eine Anhebung des Mindestlohns im öffentlichen Sektor bekanntgegeben, aber dies scheint denjenigen, die auf den Straßen demonstriert haben, nicht genug zu sein. Sie wollen wirkliche Reformen. 

Einen Lichtblick gibt es lediglich im leicht aufblühenden Tourismus. Anders als in der Türkei, wo der Tourismus unter den Drohungen und der Willkürherrschaft von Staatspräsident Erdogan zusammengebrochen ist, fördert die Regierung in Tunesien den Tourismus und bekämpft den Terrorismus.