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26.01.18 / Kurden statt Assad / Ein neues Feindbild bestimmt die Syrienpolitik der Türkei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

Kurden statt Assad
Ein neues Feindbild bestimmt die Syrienpolitik der Türkei
B.B.

Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zunächst der Hauptunterstützer des Aufstands gegen die Regierung von Bashar al-Assad gewesen war, hat sich Ankara seit Sommer 2016 Moskau und Teheran, den engsten Verbündeten der syrischen Regierung, angenähert. Aus Rücksicht auf seine neuen russischen und iranischen Verbündeten hat Erdogan im Winter 2016 den syrischen Regierungstruppen Aleppo widerstandslos überlassen. 

Assad war aus Sicht Ankaras gegenüber den Kurden, die auch kurz vor der Stadtgrenze Aleppos standen, das kleinere Übel. Im Verlaufe des Syrienkrieges hat sich die Türkei auf einen neuen Hauptfeind eingeschossen. Die Kurden nahmen die Stelle Assads ein. Dennoch besteht Ankara weiterhin darauf, dass Assad nicht die Zukunft Syriens verkörpern könne. Die Kurden sehen das auch so, weil sie unter Assad drei Jahrzehnte lang keine Personaldokumente erhalten hatten. Für die Russen sind die Kurden zwar keine Verbündeten wie für die US-Amerikaner, aber sie sind auch keine Gegner.

Syrische Regierungstruppen, unterstützt durch Russland und den Iran, dringen seit einigen Wochen immer weiter in das Herz der Ankara-Einflusszone, in die Provinz Idleb, vor. Mit dem Argument, den Terrorismus zu bekämpfen, bombardieren die syrischen Luftstreitkräfte und deren Unterstützer die Positionen mehrerer islamischer Rebellengruppen in Idleb, die von Ankara unterstützt werden. Dies hat zum ersten ernsthaften Konflikt zwischen Erdogan und Wladimir Putin seit ihrer überraschenden Verständigung 2016 geführt. 

Da Erdogan aber einen offenen Konflikt mit den Russen und auch mit Assad nicht wagen kann, weil er auch in der islamischen Welt dafür zu isoliert ist, schlägt er jetzt gegen die Kurden in dem mehrheitlich von ihnen bewohnten Bezirk Afrin im Gouvernement Aleppo im Nordwesten von Syrien zu. Seit vorletztem Sonntag rücken türkische Panzer vor. Erdogan trägt damit den Krieg in eine Region, die bislang noch von jeglicher Gewalt verschont geblieben war. Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Amerikaner reagieren, die wegen ihrer Entscheidung vom vergangenen Monat, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, in der islamischen Welt zurzeit auch isoliert sind.

Erdogans Problem ist, dass er keine Alternative zu den Russen hat, denn die Kluft, die ihn von den US-Amerikanern trennt, ist nicht erst seit deren umstrittener Entscheidung zu Jerusalem mindestens genauso groß. Während die Türkei ursprünglich gehofft hatte, mit US-Präsident Donald Trump würden die Beziehungen zu Washington besser, war das Gegenteil der Fall. Noch nie waren die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei so schlecht. Bis Neujahr galt über Monate sogar ein Stopp bei der gegenseitigen Visavergabe. Auch nach der Befreiung von Raqqa aus den Händen des IS unterstützt die US-Administration weiter militärisch die syrischen Kurden. Die USA wollen eine Grenztruppe in Nordsyrien aufbauen, um eine weitere Infiltration durch den IS zu verhindern. Ein Großteil dieser 30000 Mann zählenden Grenztruppe wird von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gestellt. Ihre Offensive gegen Afrin birgt für die Türkei die Gefahr einer ernsthaften Eskalation des Konflikts mit Washington. Die US-Amerikaner sind jetzt gezwungen, sich zwischen ihrem NATO-Verbündeten Türkei und ihrem Hauptpartner auf syrischem Boden, den YPG, zu entscheiden.