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26.01.18 / Prediger des gewaltlosen Widerstands / Ausgerechnet Mohandas Karamchand Gandhi, genannt Mahatma Gandhi, starb vor 70 Jahren eines gewaltsamen Todes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

Prediger des gewaltlosen Widerstands
Ausgerechnet Mohandas Karamchand Gandhi, genannt Mahatma Gandhi, starb vor 70 Jahren eines gewaltsamen Todes
Wolfgang Kaufmann

Große Männer machen große Fehler“, sagte der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper einmal. Das gilt auch für Mohandas Karamchand Gandhi, der seit 1915 den ehrenden Beinamen „Mahatma“ (große Seele) trug. Und einer dieser Fehler, sein blinder Glaube an die Macht der Gewaltlosigkeit selbst im Spannungsfeld multikulturell-multireligiöser Gesellschaften, kostete ihn vor 70 Jahren das Leben.

Gandhi, der am 2. Oktober 1869 in der indischen Hafenstadt Porbandar geboren wurde und einer sehr angesehenen Familie entstammte, studierte von 1888 bis 1891 in London Rechtswissenschaften. Dieser Gang ins Ausland hatte den Ausschluss aus der Oberschichtenkaste der Bania zur Folge, da es für Hindus als schwere Sünde galt, den „Großen Ozean“ zu überqueren. Während der Zeit in England beschäftigte sich der Vegetarier und Abstinenzler auch mit den verschiedenen Weltreligionen, die er allesamt für vereinbar hielt.

Sein weiterer Lebensweg führte Gandhi 1893 nach Südafrika – nicht zuletzt, weil er in Indien als Rechtsanwalt keinerlei berufliche Erfolge erzielen konnte. Während der Bahnfahrt von Durban nach Pretoria erlebte Gandhi zum ersten Male rassische Diskriminierung am eigenen Leib und wurde hierdurch zum Gegner der Apart­heid – allerdings nur insoweit diese die indische Minderheit betraf. Denn für die Schwarzen hatte die spätere Ikone der Toleranz, die insgesamt zwölfmal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, nur Verachtung übrig: Es gehe keineswegs an, dass man die Inder mit den primitiven „Kaffir-Rassen“ Afrikas auf eine Stufe stelle.

In Südafrika initiierte Gandhi bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges diverse Widerstandsaktionen gegen Maßnahmen und Gesetze, mit denen die Weißen die Inder im Lande benachteiligten. Dabei pflegte er demonstrative persönliche Enthaltsamkeit beziehungsweise Selbstbeherrschung und verzichtete ab 1912 auch auf jegliche Art von Privatbesitz. Zudem entwickelte der Anwalt in diesem Zeitraum die Strategie des gewaltlosen passiven Widerstandes, die für immer mit seiner Person verknüpft sein wird.

Nachdem sich die Situation der Inder in der Südafrikanischen Union durch Gandhis Kampf wesentlich verbessert hatte, kehrte der nunmehr 45-Jährige Ende 1914 nach Indien zurück, wo er dem Indian National Congress (INC, Indischer Nationalkongress) beitrat und anschließend seinen Harijan Ashram aufbaute. In diesem klosterähnlichen Meditationszentrum wurde das einfache, bäuerlich-autarke Leben gelebt, das Gandhi als Vorbild für ein freies, von Großbritannien unabhängiges Indien ansah. In diesem Zusammenhang benutzte er das alte Spinnrad, mit dem er in das kollektive Gedächtnis der Menschheit einging und das sowohl die inoffizielle Flagge des Indischen Nationalkongresses von 1921 als auch die 1931 angenommene Flagge, die während des Zweiten Weltkriegs von der Provisorischen Regierung des Freien Indien benutzt wurde, zierte. Da sich trotz aller demonstrativer Bescheidenheit der Ashram finanziell nicht trug, war das Projekt auf kontinuierliche Spenden von Anhängern wie dem Industriellen Ghanshyam Das Birla angewiesen. Von der indischen Dichterin und Politikerin Sarojini Naidu, einer engen Vertrauten von Gandhi, stammt das Bonmot, dass es die Inder ziemlich viel Geld gekostet habe, ihrem Nationalhelden ein Leben in Armut zu ermöglichen.

Nichtsdestotrotz waren Gandhi in seinem Land noch bemerkenswertere Erfolge als schon in Südafrika vergönnt. Durch seine unaufhörlichen und höchst erfolgreichen Aufrufe zu Hungerstreiks und Protestmärschen sowie zu zivilem Ungehorsam statt Kollaboration mit der Kolonialmacht erzwang der nunmehr regelmäßig in ein einfaches Lendentuch gekleidete Unabhängigkeitskämpfer 1930 die Aufnahme von Verhandlungen über die indische Frage. Dem folgte 1942 das London abgetrotzte Versprechen, Indien nach dem Zweiten Weltkrieg in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Nach dem Krieg entließen die Briten Indien tatsächlich in die Unabhängigkeit, aber getreu dem Motto „divide et impera“ (teile und herrsche) hinterließen sie ein in die Islamische Republik Pakistan und die Republik Indien geteiltes Land. Die parallele Gründung eines mehrheitlich muslimischen und eines mehrheitlich hinduistischen Staates im August 1947 führte sofort zu massiver Gewalt. Historiker schätzen die Zahl der Vertriebenen auf bis zu 20 Millionen und die der Toten auf zwischen 500000 und zwei Millionen. Das veranlasste Gan­dhi, der nach wie vor der Vision von einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft bei gleichzeitigem Erhalt des traditionellen Kastensystems nachhing, als Vermittler aufzutreten – und das, obwohl Muslime teilweise Fäkalien, Dornen und Glassplitter auf die Pfade legten, die der barfüßige Pazifist während der Friedensmissionen nach der Staatsgründung beschritt. Nachdem die von Gandhi abgelehnte Teilung Indiens Realität geworden war, trat er für eine gerechte Aufteilung der Staatskasse ein. So startete er am 15. Januar 1948 den letzten Hungerstreik seines Lebens, um zu erreichen, dass die indische Regierung die 40 Millionen Pfund an Pakistan zahlte, die dem Moslemstaat noch aus der Konkursmasse der Kronkolonie zustanden. Damit erwies sich Gan­dhi in den Augen vieler radikaler Hindus als Landesverräter.

Zu den größten Gandhi-Hassern gehörte Nathuram Vinayak Godse, der 1942 eine eigene militante Untergrundorganisation namens Hindu Rashtra Dal gegründet hatte. Der Brahmane lauerte dem 78-jährigen „Vater der Nation“ am späten Nachmittag des 30. Januar 1948 vor dessen Birla House in Neu-Delhi auf, als dieser sich gerade wieder einmal seinen zusammengeströmten Bewunderern präsentieren wollte. Dann streckte er den fast Nackten mit drei Pistolenschüssen in die Brust nieder, woraufhin dieser wenige Augenblicke später verstarb. Godse wurde noch am Ort der Bluttat von dem US-amerikanischen Vizekonsul Herbert Reiner gestellt und am 8. November 1949 zum Tode verurteilt. Eine Woche später endete der Attentäter am Galgen des Gefängnisses von Ambala. Ob das im Sinne Gandhis gewesen wäre, ist fraglich.