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26.01.18 / Auf der Suche nach dem schnellen Flugzeug / Außer Meilensteinen der Luftfahrttechnik baute Ernst Heinkel auch Weltkriegsveteranen und Kleine-Leute-Fahrzeuge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

Auf der Suche nach dem schnellen Flugzeug
Außer Meilensteinen der Luftfahrttechnik baute Ernst Heinkel auch Weltkriegsveteranen und Kleine-Leute-Fahrzeuge
Manuel Ruoff

Seinen Namen tragen Meilensteine der Luftfahrttechnik wie die Heinkel He 176 oder die Heinkel He 178, Kleine-Leute-Fahrzeuge der Wirtschaftswunderzeit wie der Heinkel Tourist oder die Heinkel Turbine und Veteranen des Zweiten Weltkrieges wie der Standardbomber Heinkel He 111 oder der „Volksjäger“ Heinkel He 162. Vor 60 Jahren endete das Leben des flugzeugbegeisterten Ernst Heinrich Heinkel. 

Den vor 130 Jahren, am 24. Januar 1888, im württembergischen Grunbach geborenen Klempnermeistersohn begeisterte schon früh die Luftfahrt. Ein Schlüsselerlebnis war für ihn das spektakuläre Zeppelinunglück bei Echterdingen im Jahre 1908, das er als Zuschauer erlebte. Heinkel kam zu der Überzeugung, dass statt dem Luftschiff dem Flugzeug die Zukunft gehöre. Bereits drei Jahre nach der Aufnahme eines Maschinenbaustudiums an der Technischen Hochschule zu Stuttgart begann er 1910 sein erstes Flugzeug zu bauen. Mit diesem Nachbau verunglückte er zwar 1911 schwer, als er eine Kurve zu eng nahm, aber das wurde für ihn nicht zu einem abschreckenden Schlüsselerlebnis. Vielmehr beendete er noch im selben Jahr seine Ausbildung und begann als Flugzeugkonstrukteur bei der Luft-Verkehrs-Gesellschaft in Johannisthal bei Berlin. In den folgenden Jahren wechselte er mehrmals den Arbeitgeber, aber nicht seinen Beruf, der ihm Berufung war und in dem er schnell Karriere machte. Die Leistungsfähigkeit seiner Konstruktionen zeigte sich mehr noch als schon vorher in Friedenszeiten im Ersten Weltkrieg. Maßgeblich war er an der Entwicklung des Aufklärungs- und Schulflugzeugs Albatros B.II, des Langstreckenbombers Hansa-Brandenburg G.I, des See-Doppeldeckers Hansa-Brandenburg W.12 und des Se-Tiefdeckers Hansa-Brandenburg W.29 beteiligt. 

Die Kriegsniederlage und der Versailler Vertrag mit seinem Verbot des Flugzeugbaus in Deutschland beendeten fürs erste Heinkels Karriere. Der Flugzeugenthusiast wich auf Autos aus, betrieb in seiner Geburtsstadt eine Automobilreparaturwerkstatt, baute Militärfahrzeuge für zivile Zwecke um. 

Nachdem das Versailler Flugverbot etwas gelockert worden war, gründete Heinkel 1922 die Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke. Die immer noch vorhandenen Restriktionen ließen ihn auf die Lizenzfertigung im Ausland und die Arbeit für ausländische Auftraggeber ausweichen. So entwickelte er ab 1925 für die japanische Kriegsmarine katapultgestartete Wasserflugzeuge samt entsprechenden Katapulten. Auch mit dänischen, finnischen, ungarischen, sowjetischen, US-amerikanischen, thailändischen  und chinesischen Kunden kam er ins Geschäft. Da den Deutschen Kriegsflugzeuge immer noch verboten waren, erarbeitete er für Deutschland einen zivilen Verwendungszweck der Katapulttechnik, die Postbeförderung. 1929 startete 180 Meilen vor New York von Bord des deutschen Schnelldampfers „Bremen“ ein Heinkel-Bordflugzeug zum ersten Postvorausflug. 

Der Aufbau der deutschen Luftstreitkräfte nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten bot Heinkel dann völlig neue Möglichkeiten, die er nutzte. So war die Luftwaffe bei ihrer offiziellen Gründung 1935 größtenteils mit seinen Heinkel-Maschinen ausgestattet. Bekannt ist vor allem der insbesondere aus der Luftschlacht um England bekannte zweimotorige Standardbomber He 111, von dem zwischen 1935 und 1944 über siebeneinhalbtausend Stück gebaut wurden. Weniger bekannt dürfte sein, dass die He 111 ursprünglich als ziviles Flugzeug konzipiert und 1935 mit 400 Kilometern in der Stunde Höchstgeschwindigkeit das schnellste Verkehrsflugzeug Europas war. Sie baute stark auf den Erfahrungen mit dem ersten europäischen Schnellverkehrsflugzeug, der noch einmotorigen He 70 „Blitz“, auf, die mit einer Spitzengeschwindigkeit von 362 Kilometern in der Stunde zeitweise sogar die schnellste Verkehrsmaschine der Welt war. 

Die Nationalsozialisten, deren Parteigenosse er wenige Monate nach deren „Machtergreifung“ geworden war, schätzten Heinkels Konstruktionen. So erhielt er 1938 mit Willy Messerschmitt den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft, Wehrwirtschaftsführer war er bereits im Vorjahr geworden. Diese günstigen Rahmenbedingungen ermöglichten Heinkel, der nach immer höheren Fluggeschwindigkeiten strebte, bemerkenswerte Innovationen. Noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hoben 1939 mit der Heinkel He 176 das erste funktionsfähige Flugzeug mit regelbarem Flüssigkeitsraketentriebwerk und mit der Heinkel He 178 das erste Flugzeug mit Strahltriebwerk ab. Bei der He 176 arbeitete Heinkel mit dem Raketentechniker Wernher von Braun zusammen, dem er kostenlos Flugzeuge zur Verfügung stellte. Für die Entwicklung der He 178 konnte Heinkel den Physiker und Erfinder Hans Joachim Pabst von Ohain gewinnen. 

Heinkel war nicht untypisch für die Funktionseliten im Dritten Reich. Eher der Typus „Fachidiot“ hatte er keine grundsätzlichen politischen Bedenken gegen den Nationalsozialismus. Allerdings geriet er mit den zuständigen Dienststellen auf seinem ureigenen Fachgebiet in Konflikt. Dort war man von seiner Heinkel He 280, dem ersten Flugzeug der Welt mit zwei Strahltriebwerken und dem ersten mit einem Schleudersitz, weniger überzeugt als er selbst, was er vernehmlich beklagte. Auch wurde sein Expansionskurs als Unternehmer als übertrieben empfunden. Auch die Eigenwilligkeit und die Alleingänge des Eigenbrötlers und Dickkopfes kamen in der Diktatur nicht gut an. So wurde er 1943 in seinem von ihm mittlerweile aufgebauten Unternehmensgeflecht mit zeitweise über 50000 Beschäftigten diskret entmachtet. Es wurde in einer Aktiengesellschaft zusammengeschlossen mit ihm als Aufsichtsratsvorsitzenden, eine zwar ehrenvolle Position, aber ohne direkten Einfluss auf das operative Geschäft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Heinkels Sturz noch tiefer als nach dem Ersten. Der Großteil der Konzernanlagen wurde enteignet, zerstört oder demontiert, er selber inhaftiert. Sein ambivalentes Verhältnis zu den Nationalsozialisten machte eine Einstufung schwierig. Schließlich konnte er als „Entlasteter“ mit dem ihm verbliebenen Rest des Konzerns in der jungen Bundesrepublik zu einem erneuten beruflichen Neustart ansetzen. Wieder wich er auf Landfahrzeuge aus. Er baute Motoren, Motorroller wie den sehr erfolgreichen Heinkel Tourist sowie die weniger erfolgreiche Heinkel Kabine, die der BMW Isetta Konkurrenz machen sollte. 

Wie nach dem Ersten konnte und wollte Heinkel aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vom Flugzeugbau lassen. Und auch diesmal versuchte er, durch die Zusammenarbeit mit dem Ausland seine Handlungsspielräume zu erweitern. Es blieb jedoch beim Bau von Flugzeugkomponenten. Zwar folgte auch diesem Weltkrieg schließlich der Aufbau einer Luftwaffe und dann auch einer Luftfahrtindustrie, aber um davon nachhaltig profitieren zu können, starb er zu früh. Gerade 70 Jahre alt geworden erlag Ernst Heinkel am 30. Januar 1958 den Folgen einer Hirnblutung.