19.04.2024

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02.02.18 / Nicht die AfD hat getrickst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-18 vom 02. Februar 2018

Nicht die AfD hat getrickst
Hermann Paul Winter

Die AfD-Fraktion beantragte am 18. Januar im Bundestag die Beschlussfähigkeit des Parlaments zu prüfen. Diese liegt vor, wenn mindestens die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Und siehe da: Bei der Auszählung stellte sich heraus, dass nicht genügend Abgeordnete vor Ort waren und das Parlament somit nicht beschlussfähig war. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) musste die Sitzung abbrechen. 

Prompt erhoben sich aus dem Kreis der etablierten Parteien und deren medialer Gefolgschaft heftige Vorwürfe gegen die AfD, sie würde sich statt Sacharbeit zu leisten auf Geschäftsordnungstricks verlegen, dies sei ein absurdes Theater. 

Wie bitte? Man staunt nicht schlecht: Wer auf das Einhalten von Regularien pocht wird beschimpft und diffamiert. 

Unter Paragraf 45 der Geschäftsordnung des Bundestages wird darauf verwiesen, dass eine Fraktion oder fünf Prozent der anwesenden Abgeordneten die Zählung der Mandatsträger beantragen können. Geschieht dies nicht, kommt die sogenannte Vermutungsklausel zum Tragen. Diese umstrittene Regel wurde in den vergangenen Jahren allerdings häufig mehr als strapaziert, indem mit ihrer Hilfe die Beschlussfähigkeit auch in mehr als zweifelhaften Fällen protokolliert wurde. Anlässlich der insgesamt 1649 Bundestagssitzungen seit 1990 wurden gerade einmal elf Nachzählungen beantragt – freilich ohne erzürnten Aufschrei der Presse. Diese verschwindend geringe Anzahl widerspricht eklatant Fernsehbildern von Abstimmungen, die immer wieder einen fast leeren Saal zeigen.

Das unbekümmerte Umgehen mit der Beschlussfähigkeit scheint im Bundestag wohl alter Brauch zu sein. Welch absurdes Verständnis von repräsentativer Demokratie! Jüngstes prominentes Beispiel, bei dem die Beschlussfähigkeit aufgrund der Vermutungsklausel protokolliert wurde, war die Abstimmung zum Netzdurchsetzungsgesetz im Sommer 2017. Hier waren nicht einmal zehn Prozent der Abgeordneten im Plenum anwesend. Das weithin kritisierte Gesetz, dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz noch dazu mehr als fraglich ist, wurde dennoch von Bundestagspräsident Norbert Lammert durchgewunken.

Vermutungsklausel hin oder her: Dass das Bundestagspräsidium trotz augenscheinlicher Unterbesetzung Beschlussfähigkeit protokolliert, kann kaum im Geiste einer demokratischen Entscheidungsfindung sein. 

Dass nun mit der AfD eine Partei im Bundestag sitzt, die solchen Fußtritten gegen jegliches demokratische Selbstverständnis ein Ende bereitet, ist ein Glücksfall. Nicht die AfD hat getrickst, nein, dies waren die Saubermänner der Parteien, die sich scheinheilig mit dem Prädikat „Volkspartei“ schmücken.