20.04.2024

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02.02.18 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-18 vom 02. Februar 2018

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

unsere Ostpreußische Familie hatte sich, wie Ihr sicher festgestellt habt, eine kleine Pause gegönnt – allerdings unfreiwillig. Denn es war ein Fall eingetreten, der im wahrsten Sinne des Wortes meine Bewegungen einschränkte, zu denen auch allwöchentlich die „Familienarbeit“ am PC gehört: Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die man in meinem Alter schon beachten muss, bin ich trotz Rollator hingefallen, was mir eine meiner Rippen übelnahm. Hört sich alles sehr lustig an, war es aber nicht, sondern recht schmerzhaft und ist auch jetzt noch nicht abgeklungen, aber ich möchte die Ostpreußische Familie nicht länger warten lassen, zumal ich sie schon heute auf eine Änderung im Erscheinen unserer Kolumne vorbereiten muss: Sie wird ab Mitte Februar in 14-täglichen Turnus erscheinen. Für mich bedeutet dies, dass ich nicht in jeder Ausgabe präsent bin, dafür aber mehr Zeit zu den erforderlichen Nachfragen habe, die persönlich gestellt werden und manchmal auch auf Wunsch der Anfragenden vertraulich behandelt werden müssen. Das verlangt viel Zeit und Geduld trotz der schnellen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir heute haben. Die Fragen werden immer schwieriger, weil die von den Anfragenden gemachten Angaben oft fehlerhaft oder sogar falsch sind, da die Betreffenden keinerlei Kenntnis über unsere Heimat besitzen. Aber solche Fälle haben wir ja schon oft in unserer Kolumne behandelt und werden es auch weiter in gewohnter Weise tun, es bleibt eben alles beim Alten, nur in 14-täglichem Rhythmus.

Schwierigkeiten gibt es vor allem dann, wenn alte Urkunden oder andere Dokumente in Sütterlinschrift als Vorlage dienen. Da ich diese ja in der Schule gelernt und nie vergessen habe, kann ich zumeist schon helfen, ohne unsere Leserinnen und Leser zu bemühen. Genauso ergeht es mir mit dem Niederpreußischen, unserem ostpreußischen Platt, das ich noch heute spreche und in dem ich besonders gerne schreibe. Und da habe ich mich köstlich amüsiert, als ich einen lieben Gruß aus Österreich mit dem plattdeutschen Gedicht von Käthe Sender „An den Weihnachtsmann“ bekam, das die Absenderin ins Hochdeutsche übersetzt hatte – damit ich es besser verstehen konnte! Und sie hat es gut gemacht, muss ich schon sagen. Der Hauptgrund ihres Schreibens an mich ist allerdings ein anderer, und auch der ist ungewöhnlich: Während ich oft Fragen nach der österreichischen Herkunft von Landsleuten Salzburger Abstammung bekomme, schreibt hier eine Österreicherin mit ostpreußischen Wurzeln, und die befinden sich in Nordenburg/Plickau. Aber es geht Frau Ingeborg Forstner aus Eferding gar nicht um Ahnensuche, sondern um ein Gedicht, das ihr eine Nordenburgerin einmal vortrug und das sie so gerne in vollem Wortlaut besitzen möchte. Da es mir auch unbekannt ist, gebe ich die Frage weiter an unsere Leserinnen und lasse Frau Forstner selber erklären, wie es zu dieser Gedichtsuche kommt:

„Ich habe einen kleinen Funken Hoffnung, dass Sie mir bei der langjährigen Suche nach einem vollständigen Gedichtchen eventuell helfen können. Leider kenne ich weder den Titel noch wer es schrieb. Nur eine Textpassage ist mir bekannt, die mir eine sehr lieb gewordene Ostpreußin einmal bei einem Telefongespräch vorsagte und die es selber sehr bedauert, dass ihr partout nicht der vollständige Text von einem Gedichtchen einfallen will. Diese Bekannte hat es einmal als Schülerin auf einem Kirchenfest in der Nordenburger Kirche vorgetragen. Sie selber und auch ich versuchten es immer wieder von ehemaligen Nordenburgern und über Ostpreußen aus anderen Regionen unseres Bekanntenkreises, Näheres ermitteln zu können. Bisher leider erfolglos. Frau Anita Motzkus gab mir nun den Rat, dass ich mich an Sie wenden sollte.“ 

Sozusagen als letzte Möglichkeit. Und ich hoffe, liebe Frau Forstner, dass wir Sie nicht enttäuschen. Wenn Ihre Bekannte das Gedicht bei einer kirchlichen Feier in Nordenburg vorgetragen hat, müssten es damals auch andere Kinder gelernt haben. Vielleicht im Konfirmandenunterricht, denn es könnte aus einem Buch stammen, das dem Religionsunterricht diente. Die einzige Textpassage, die Frau Forstner angeben kann, lautet:

„Großmutter nahm ihr Bibelbuch, ein ganz vergilbtes, aus dem Schrein. Sie schlug es auf, das gelbe Licht der Lampe fiel hinein. Großmutters furchiges Gesicht umglänzte warmer Schein.“

 Vielleicht kommt nun bei mancher Leserin oder manchem Leser die Erinnerung, es wäre unserer Österreicherin mit ostpreußischen Wurzeln sehr zu wünschen, der wir einen herzlichen Gruß senden. (Ingeborg Forstner, Franz-Vogl-Straße 12/14 in 4070 Eferding, Österreich, Telefon 0043 7272 596 12, E-Mail: ingeborg.forstner@gmx.at)

Wenn man schon einmal auf der Spurensuche in unserer Ostpreußischen Familie erfolgreich war, erhofft man diese positive Reaktion auch für weitere Fragen, falls diese nicht auf andere Weise gelöst werden können. Und so wendet sich Frau Sigrid Biemann aus Schwerin erneut an uns, denn wir hatten ihr geholfen, den Wohnort und das Haus ihrer Familie auf dem Nassen Garten in Königsberg zu finden. Leider konnten unsere Leser und Leserinnen nur die Stelle ermitteln auf der das Haus Karl Straße Nr. 2 gestanden hatte, von ihm gibt es keinen Stein mehr. Bei ihrem letzten Besuch in Königsberg führte ein junger Russe sie zu einem noch vorhandenen Haus aus der Zeit vor der sowjetischen Eroberung. Wie Frau Biemann meint, handele es sich um die ehemalige Frühstücksstube in der Berliner Straße. In diesem Jahr will sie wieder nach Königsberg fahren, um alte Spuren zu vertiefen und neuen nachzugehen. Allerdings wird dies, was die heutige Frage angeht, sehr schwierig sein, denn es handelt sich um ihre Vorfahren aus der mütterlichen Linie, über die sie mehr wissen möchte, wie sie schreibt: 

„Im Adressbuch von 1888 fand ich die Namen Gottfried Ruloff, Zimmermann-Geselle, sowie Amalie Ruloff geborene Hoffmann, Witwe. Könnten es meine Urgroßeltern sein? Meine Großmutter war Helene Ruloff, geboren 1891. Sie war verheiratet mit Ernst Groß. Meine Großmutter erzählte, dass ihre Mutter verhungert sei und in einem Massengrab begraben wurde. Dann fand ich noch im Adressbuch den Namen Mathilde Ruloff, Nasser Garten 138, und weiter Jul. Ruloff geborene Kunz, Nasser Garten 146 b, und F. Ruloff, Tischler, Rosen-Straße 19. Waren sie alle miteinander verwandt?“ 

Diese Frage werden unsere Leser auch nicht klären, aber vielleicht Hinweise auf diese Familie geben können, denn der Name war in Königsberg nicht sehr häufig, und vor allem nicht auf einem begrenzten Raum wie dem Nassen Garten. Und außerdem waren unsere alten ostpreußischen Familien nicht gerade kinderarm, da kam schon eine stattliche Verwandtschaft zusammen. Frau Biemann bedauert, dass Großmutter und Mutter nur wenig von Königsberg erzählt haben, der Verlust der Heimat muss für sie zu groß gewesen sein, dass sie nicht darüber sprechen konnten. Und Sigrid war, als sie hätte nachfragen können, noch ein kleines Mädchen – umso größer ist jetzt das Verlangen, die Vergangenheit ihrer Familie zu erhellen. „Ich vertraue wieder auf die Ostpreußische Familie“ – aus diesem Schlusssatz ihres erneuten Anliegens spricht viel Hoffnung. (Sigrid Biemann, Lise-Meitner-Straße 12 in 19063 Schwerin.)

Was hat die Stadt Königsberg ausgemacht und was haben die Menschen auf ihrer Flucht mitgenommen? Diese Frage hatte ich in Folge 50/17 in den Raum gestellt, und sie hat so manchen Leser zum Nachdenken gezwungen. So auch Herrn Dirk Oelmann aus Oranienburg: „Manchmal ist es nur ein Wort und die Erinnerung ist da!“ Und die führt ihn nach Ostpreußen, und ein Name genügte ihm, um in Kurzform seine Familiengeschichte zu schildern, mit der er sich nun fast 20 Jahre lang beschäftigt. Da hat er auch genug zu tun, denn seine Familie ist ein buntes Gemisch, wie er schreibt. „Meine Mutter und ihre Familie stammen aus dem Ermland, aus Süssenberg und Bleichenbarth bei Kiwitten. So war meine Erinnerung sofort da, als ich in Ihrem Artikel den Namen Michalski gelesen habe. Der passt so wunderbar in den Kreis Heilsberg. Die Familie meines in Berlin geborenen Vaters stammt aus Berlin-Tempelhof, Schöneberg, Grunewald. Eine typische Beamtenfamilie, mein Uropa war Lokführer und Maschinenbauingenieur, er hatte irgendwas mit dem Aufbau der Berliner S-B zu tun und ist 1935 tödlich verunglückt. Meine Großmutter aus der väterlichen Linie stammte aus Mittweida in Sachsen. Die Familie besaß dort eine Druckerei und konnte 1930 deren 50-jähriges Bestehen feiern. Meine Mutter kommt aus einer ermländischen Kleinbauernfamilie. Sie wurde 1943 noch in Süssenberg geboren, aber für sie wurde Brandenburg zur neuen Heimat. Ein Teil meiner Wurzeln liegt in Ostpreußen, lebendig geblieben durch die Erinnerungen an meine Oma und meine Tante, die vor zwei Jahren verstarb. Sie hatte noch eine Sprachfärbung aus Ostpreußen mitgebracht, die mich sehr stark an meine verstorbene Oma erinnerte“. Das ist es, was Dirk Oelmann im Hinblick auf meine Frage dazu äußern wollte: Nur die Klangfärbung eines einzigen Wortes kann genügen, um Erinnerungen an einen Menschen und dessen Heimat zu wecken und diese in die Familiengeschichte einzubinden, wo sie jederzeit abrufbar sind. In seinem, durch meine Königsberg-Frage ausgelösten Schreiben geht Dirk Oelmann ausführlich auf den Begriff „Heimat“ ein: Für ihn ist es die Gegend zwischen Oder und Elbe, in der er aufgewachsen ist und in der er fast sein ganzes Leben verbracht hat. Aber diese Überlegungen würden in unserer heutigen Kolumne den Rahmen sprengen. So bleibt mir leider im Augenblick nichts anderes übrig, als unserem Leser aus Schwerin für seine ausführliche Stellungnahme zu danken.

Eure Ruth Geede