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02.02.18 / Philosophische Schaumschlägerei / Richard David Precht ist der Lieblingsdenker der Nation – Seine populären Formeln verbreitet er geschickt im Staatsfernsehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-18 vom 02. Februar 2018

Philosophische Schaumschlägerei
Richard David Precht ist der Lieblingsdenker der Nation – Seine populären Formeln verbreitet er geschickt im Staatsfernsehen
D. Jestrzemski

Er verurteilt Populismus, ist aber selbst philosophischer Populist. Seit 2012 diskutiert Richard Da­vid Precht im ZDF mit Gästen über lebensphilosophische Themen. Am 5. Februar kommt es in seiner Sendung „Precht“ zum Duell mit einem hochkarätigen seriösen Gesprächspartner: Udo di Fabio, früher Richter beim Bundesverfassungsgericht.

Sein Bestseller „Wer bin ich –und wenn ja, wie viele“ machte Precht 2008 zum quotenträchtigen Dauergast in TV-Runden. Wenn der telegene Philosoph einmal nicht als Kommentator eingeladen ist, dann vermutlich, um wieder einmal über ein neues Buch von sich zu sprechen. Seine Zweier-Talkshow „Precht“ war Nachfolger des „Philosophischen Quartetts“ und ist ebenfalls als Philosophiesendung ausgewiesen.

In dem nur von oben ausgeleuchteten Studio ohne Zuschauer sitzen sich die Gesprächspartner in maximaler Nähe an einem runden Tisch gegenüber und führen ein intensives Gespräch. Vorbild war vermutlich die ähnlich konzipierte BBC-Sendung „Hard Talk“. Während jene vor allem auf Fakten fokussiert ist, wird bei Precht auf hohem Niveau theoretisiert. Insofern hat die Bezeichnung Philosophiesendung ihre Berechtigung, wenngleich nicht alle Beobachter dem Format diesen Rang zubilligen wollen. 

Zwar beherrscht der promovierte Philosoph ein riesiges Themenspektrum, bislang hat ihn aber noch niemand als Universalgelehrten bezeichnet. Jede An­spielung, jeden Hinweis seiner Gesprächspartner pariert er ohne Umschweife mit einer Stellungnahme oder einem Anknüpfungspunkt. Dafür ist er als Autor von mittlerweile einem Dutzend Sachbüchern, zahlreichen Essays und durch seine Tätigkeit als Honorarprofessor an zwei Hochschulen bestens präpariert. In den Jahren vor seiner Rolle als „Bürgerphilosoph“ („Die Zeit“) schrieb er auch mehrere Romane. 

Prechts steile Karriere als „Fernsehberater der Nation“ fußt auf dem durchschlagenden Erfolg seines populärwissenschaftlichen Buches über Bewusstseinstheorie mit dem raffiniert gewählten Titel „Wer bin ich und wenn ja, wie viele“. Den Startschuss gab Elke Heidenreich mit einer Empfehlung in ihrer Büchersendung „Lesen!“. 2008/09 besetzte das Werk insgesamt 100 Wochen Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste „Sachbücher“. Ganze vier Jahre hielt es sich in selbiger und stellte damit einen Langzeitrekord auf. Obwohl von Autoren des deutschen Feuilletons scharfzüngig bekrittelt, blieb das Buch ein Selbstläufer, während sich sein ausnehmend gut aussehender Autor mit den schulterlangen Haaren eines eitlen Langzeitstudenten durch beständige Medienpräsenz als gefragter Redner und Denker etablierte.

Inhaltlich schlägt der 53-Jährige  vorzugsweise große Bögen, so auch wieder in seinem neuen, populärphilosophischen Werk in drei Bänden zur Geschichte der Philosophie. Darin liegt seine eigentliche Stärke: Zusammenhänge zu erschließen und leicht verständlich darzustellen. Als Autor und Moderator konzentriert er sich überwiegend auf Zukunftsthemen und Moralfragen, um aufzuzeigen, wo in unserer wie geschmiert funktionierenden Gesellschaft Handlungsbedarf besteht. In einem „Spiegel“-Essay „Wer ist konservativer?“ schrieb er Anfang 2015: „Den Slogan ‚Wohlstand für alle‘ hatte Ludwig Erhard … dem deutschen Titel eines Erfolgswerkes des russischen Anarchisten Pjotr Kropotkin entrissen. Die anarchistische Formel im gutbürgerlichen Anzug verdeckte lange, wie schlecht konservatives und kapitalistisches Denken tatsächlich zusammenpassen … Das Dilemma der heutigen CDU ist, dass dieser Riss bis heute gut kaschiert noch immer da ist.“ 

Als linker Globalisierungskritiker steht Precht Marx nicht näher als viele andere auch, wenngleich er, durch sein Elternhaus geprägt, mindestens vorurteilsfrei auf Marx Bezug nimmt, der den Neoliberalismus heutiger Prägung vorhersagte. Seine Botschaften sind letztendlich an die Chefetagen der Wirtschaft gerichtet, da er die Tonangeber dort, und nicht in der Politik, verortet. 

In der seit 2010 von ihm mit herausgegebenen Zeitschrift „Agora 42“ äußerte er Bedauern darüber, „dass sich Ökonomen kaum noch für Philosophie interessieren und Philosophen kaum mehr für Ökonomie“. Anders ausgedrückt, er ist besorgt, weil an den Schaltstellen der wirtschaftlichen Macht seiner Meinung nach kaum Interesse an der Herstellung von Transparenz und mehr Gerechtigkeit besteht. 

Mit dem Vorwurf, immer nur an der Oberfläche zu kratzen, hat man ihm indirekt angekreidet, dass er die Philosophie alltags­tauglich gemacht hat. Was ist aber dagegen einzuwenden, diese Lehre, deren Vertreter in kryptischem Jargon miteinander kommunizieren, heraus aus dem Elfenbeinturm geführt zu haben, auf dass Nutzen daraus entstehe? Es gibt inzwischen ein großes Bedürfnis nach kompetenter Deutung der Veränderungen in unserer Welt, die durch den rasanten Fortschritt in Wissenschaft und Technik immer komplizierter wird. Precht hat diese Marktlücke erkannt und daraus ein für sich äußerst lukratives Geschäftsmodell gemacht.

Kein Wunder, dass ihm auch seine Geschäftstüchtigkeit misslaunig angekreidet wird. Wer Vortragshonorare in astronomischer Höhe einstreiche, müsse inhaltlich mehr liefern, so der Tenor. Precht ist Vorwürfen dieser Art mit der Bemerkung begegnet, dass ihm seine blendende Er­scheinung mit Blick auf sein berufliches Wirken oft gerade nicht zum Vorteil gereiche. Will heißen, er findet, dass es sich manche Kritiker allzu leicht machen mit ihrer Weigerung, ihn als Denker beziehungsweise Vordenker ernst zu nehmen. 

Prechts Gast in der nächsten Folge von „Precht“, Udo Di Fabio, war von 1999 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht. In seiner jüngsten Publikation „Grundrechtsgeltung in digitalen Systemen“ behandelt di Fabio die Auswirkung der Digitalisierung unter anderem auf unser Rechtssystem. Anfang 2016 veröffentlichte der Freistaat Bayern sein Rechtsgutachten zur damaligen Einwanderungskrise, das Kanzlerin Angela Merkel ebenso wenig gefallen haben dürfte wie dem „weltoffenen“ Precht. 

Di Fabio wies in seinem Gutachten darauf hin, dass der Bund verpflichtet sei, „wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen“ aufzunehmen und dass es keine Rechtspflicht gebe für eine Einreiseerlaubnis aller schutzbedürftiger Menschen weltweit. Man darf auf das Rededuell zwischen einem linken Populärphilosophen und einem konservativen Juristen gespannt sein.