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02.02.18 / Spionage – überall und gegen jedermann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-18 vom 02. Februar 2018

Spionage – überall und gegen jedermann
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Als der Bundesnachrichtendienst (BND) verdächtigt wurde, führende Ministerien in England und Frankreich abgehört zu haben, war dies für Kenner keine Überraschung. Wohl arbeiten viele Nachrichtendienste in Form von Erkenntnisaustausch zusammen, allzu oft aber gleichzeitig gegeneinander: Primär sind stets nationale Interessen. So unterließen die CIA, den BND über einen DDR-Spion in dessen Reihen zu informieren aus Sorge, eine Warnung könnte ihren eigenen Spion in Ost-Berlin gefährden. Dies legen die Autoren des Buchs „Spionage unter Freunden“ höchst interessant dar. 

Das Verhältnis der damaligen Organisation Gehlen (Org) – ein von US-Behörden in der amerikanischen Besatzungszone aus deutschem Personal gebildeter Nachrichtendienst unter der Leitung von Reinhard Gehlen – zu Italiens Geheimdienst begann erst 1956. Auch Tarnfirmen wurden zur Aufklärung eingesetzt. Entscheidend war die Zusammenarbeit mit dem Vatikan, verfügte der Papst doch stets über ein recht gutes Bild über den Ostblock. Dabei erhielt man auch Nachrichten aus der Ukraine, welche Nonnen per Flugzeug nach Rom schmuggelte. 

Getarnt als Eiscremegeschäft in Madrid, besaß Gehlen eine gute Nachrichtenquelle in Spanien. Später entstand eine enge Kooperation bei der fernmelde-elektronischen Aufklärung, mittels der die Richtfunkstrecke im Mittelmeer und die nach Afrika und Südamerika abgehört wurden. Typisch für die Franzosen war ihre massive Überwachung des Post- und Telefonverkehrs sowie starke Wirtschaftsspionage. Noch 1994 erklärte der Verfas­sungsschutz-präsident, sie hätten gegen Deutschland so gearbeitet, „als ob wir noch verfeindet wären“. Unser Dienst betrieb ebenso technische Aufklärung. Beiderseitiges Misstrauen bestand zwischen dem BND und dem britischen MI6, letzterer befürchtete stets östliche „Maulwürfe“ im Bundesnachrichtendienst. Selbst seine Stay-Behind-Vorbereitungen in Deutschland (1000 Partisanen für den Fall eines Sowjet-Einmarsches) hielt er geheim. Nach dem Mauerfall brachten beide Dienste in enger Zusammenarbeit wichtige Dokumente der Sowjettruppen in ihren Besitz. 

Viel Unbekanntes weiß das Buch über den dänischen Spionagedienst. Obwohl dessen Mitglieder aus dem Widerstand gegen die damalige deutsche Besetzung kamen, entstand bereits 1947 eine Zusammenarbeit, die in erster Linie der Persönlichkeit Gehlens zu verdanken war. Auch die seinerzeitige sowjetische Besetzung Bornholms mag ein Motiv gewesen sein. Die dänische Funkaufklärung umfasste weite Teile der DDR und Polens sowie den nordwestlichen Teil der UdSSR. Ihre Militärspionage besaß etliche Mitarbeiter in der DDR, deren Funkverbindungen selbst nach dem Mauerbau nicht abrissen. Zu ihren Spionen zählte auch ein hoher polnischer Offizier. 

Bereits 1944 hatte Gehlen als Leiter der Wehrmachts-Abteilung Fremde Heere Ost Stockholm aufgesucht, erst 1948 wurden die Kontakte erneuert. Er erhielt die Ergebnisse der schwedischen Funkaufklärung, ebenfalls bestand eine Zusammenarbeit in der Bekämpfung des Links- und Rechtsextremismus. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs war Finnland zu einer Moskau angelehnten Neutralitätspolitik gezwungen. Erst in späteren Jahren kam es zu  einem Informationsaustausch über die Lage Sowjetrusslands. 

Die CIA war bis zur Umwandlung der Org in den Bundesnachrichtendienst 1956 eher eine vorgesetzte Behörde, die über sie eine intensive Kontrolle ausübte. Ohnehin interessierte sie sich stark für alle politischen Vorgänge im Westen Deutschlands, wobei sie viele Zuträger gerade in Bonn fand. Pullach konzentrierte sich auf das Verhältnis Washingtons zu Moskau, setzte aber nie Agenten gegen die Vereinigten Staaten ein. Nach der Wende erhielt der BND vom US-Geheimdienst die sogenannten „Rosenholz“-Dateien (mikroverfilmte Daten der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit zurück – jedoch nicht vollständig. Dies war gewiss kein Zufall. Alles deutet darauf hin, dass die CIA einige DDR-Spione für ihre Tätigkeit „umdrehte“. 

Ausführlich und für den Leser höchst aufschlussreich beschreibt das Buch das Verhalten des US-Geheimdienstes gegenüber Willy Brandt, den er in den 1950er Jahren selber aufgebaut hatte und dem er 200000 D-Mark zukommen ließ – getarnt als Zuwendung für sein „Berliner Stadtblatt“. Später kamen 106000 D-Mark hinzu. Das Ziel, mit ihm einen Verfechter der Wiederbewaffnung in die Parteispitze zu befördern, erreichte die CIA 1957/58, als Brandt Regierender Bürgermeister Berlins wurde. Diese CIA-Unterstützungen für die SPD hielten bis 1966 an. Von einer Gegendarstellung der SPD gegen die Autoren ist bis heute nichts bekannt. 

Christoph Franceschini u.a. (Hg.): „Spionage unter Freunden“, Ch. Links-Verlag, Berlin, 2017, gebunden, 377 Seiten, 30 Euro