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02.02.18 / Fragwürdiges Konzept einer neuen Familienpolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-18 vom 02. Februar 2018

Fragwürdiges Konzept einer neuen Familienpolitik
Wolfgang Thüne

Es ist ein sehr unrühmliches Schlachtfeld, dem sich die Autorinnen widmen. In einem umfangreichen Opus, gegliedert in fünf Teile, gehen die beiden Autorinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach in dem Buch „Der tiefe Riss“ mutig die Probleme der heutigen Demokratie und des zerbrochenen Sozialsystems an und zeigen Wege, die aber keine Lösungen sind, zumal in der Politik Konfusion und Zwietracht herrschen und ein Status quo bevorzugt wird. 

In der Tat ist die „Alterspyramide“ abgetragen und gleicht einer „demographischen Urne“. Es herrscht ein Kleinkrieg zwischen Familien mit Kindern und kinderlosen Ehepartnern, bei dem die Politik „Vogel Strauß“ spielt und den Kopf in den Sand steckt: „Zur Angst der Politiker vor der Wahrheit kommt die Feigheit vor dem Wähler“. 

Als das Rentensystem konzipiert und der Generationenvertrag geschlossen wurde, sei die Welt noch einigermaßen im Lot gewesen. Heute sei Deutschland ein Land mit einer der niedrigsten Geburtenraten Europas. Was ist heutzutage noch normal? Sind die Eltern „Rabeneltern“ und die Kinder „Sorgenkinder“, die der Staat unter seine Fittiche, in seine Obhut nehmen und rund um die Uhr betreuen muss, damit sie in seinem Sinne „reibungslos funktionieren“. 

Braucht der Staat Kinder nur noch für die Rente? Die 1950er Jahre waren das „goldene Zeitalter der Ehe“. Doch dann kam die sexuelle Revolution, die Emanzipation, der Feminismus und der Genderismus mit der „Ehe für alle“ mit Aufhebung und Wahl des Geschlechts. 

Der Sozialrichter Jürgen Borchert bringt es auf den Punkt: „Der Staat treibt den Familien die Sau vom Hof und gibt ihnen drei Koteletts zurück.“ Der Generationenvertrag sei längst nicht mehr praktikabel. Es knirsche gewaltig im Verteilungsgetriebe, doch wer hat den Mut, eine nachhaltige und sinnvolle Lösung anzugehen? Ist das „bedingungslose Grundeinkommen“ eine Lösung oder eine verrückte Idee? In allem steckt enormer sozialer Sprengstoff. Aber ist es gerecht, die Kosten für Kinder zu individualisieren und ihren Nutzen zu sozialisieren? Mehr Beitragsgerechtigkeit in der Sozialversicherung wäre ein Schritt zu mehr Solidarität. Ja: „Die nächste Generation schultert eine Last, wie wir uns im Traum noch nicht vorstellen können. Wollen wir das wirklich zulassen?“ 

Es sei Tatsache, dass die Bereitschaft, nachfolgende Generationen zu unterstützen, mit denen man nicht mehr durch Familienbande verbunden ist, „sinkt und sinkt und sinkt“. Die Politik sollte das sich aufstauende Konfliktpotenzial nicht weiter ignorieren. Wo bleibt die Einsicht, dass Kinder Zukunft, Fortschritt, Sicherung bedeuten und einem Weiterfunktionieren der sozialen Sicherungssysteme dienen? Ja, Kinder gestalten das Morgen, aber das „Kinderkriegen“ werde keineswegs mit der linkspopulistischen Parole „Wahlrecht für Kinder“ befördert. 

Das Buch der beiden Karriere-Mütter ist lesenswert und mit viel Fleiß „gestrickt“ worden, aber ob die Rezepturen geeignet sind, das Problem der „Vereinbarkeit von Familie und Karriere“ mit Hilfe eines neuen „Feminismus“ zu lösen, ist ungewiss. Der Hinweis „niedrige Geburtenraten zu akzeptieren“ und mit aller Kraft auf „Zuwanderung“ zu setzen, das ist nicht die Lösung, schafft eher neue und noch größere Probleme. 

Susanne Garsoffky /Britta Sembach: „Der tiefe Riss. Wie Politik und Wirtschaft Eltern und Kinderlose gegeneinander ausspielen“, Pantheon Verlag, München 2017, broschiert, 256 Seiten, 15 Euro