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09.02.18 / »Es gibt nichts zu feiern« / Rumänien: Verhältnis zur ungarischen Minderheit ist zerrüttet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

»Es gibt nichts zu feiern«
Rumänien: Verhältnis zur ungarischen Minderheit ist zerrüttet
Bodo Bost

Am 15. Januar trat der rumänische Ministerpräsident Mihai Tudose nach einem Machtkampf mit seinem sozialdemokratischen Parteichef Liviu Dragnea zurück. Kurz zuvor hatte Tudose aber noch einen Streit entfacht, der für diplomatische Spannungen mit Ungarn auch nach seinem erzwungenen Rücktritt sorgt. In einer Talkshow sagte er auf die im Kontext der Katalonienkrise gestellte Frage nach einem Autonomiestatut für die ungarische Minderheit in Rumänien:  „Wenn sie irgendwo ihre Fahne aufhängen, werden sie daneben hängen.“ Gemeint war die Fahne der Ungarnpartei. Mit deren Hilfe war Tudose noch vor einem halben Jahr ins Amt des Premiers gewählt worden. 

Die Heimat der 1,4 Millionen ethnischen Ungarn am Rande Siebenbürgens, die auch als Székler bezeichnet werden, gehört zu den ärmsten Gebieten Rumäniens. Dass die Rumänien-Ungarn nach 1990 nicht in Massen das Land verlassen haben wie die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben liegt nur daran, dass Budapest ihnen die ungarische Staatsangehörigkeit anbot, auch wenn sie in Rumänien blieben. Deshalb dürfen die Székler auch in Ungarn mitwählen. Die Ungarnpartei in Rumänien (UDMR) erzielte bei fast allen Wahlen nach 1990 zwischen fünf und zehn Prozent und sorgte bei knappen Wahlausgängen für eine Regierungsmehrheit. 

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte das Széklerland, wie das damals noch weitgehend deutschsprachige Siebenbürgen, zum ungarischen Teil des Habsburgerreichs. Dann fiel es an Rumänien, das Österreich-Ungarn noch im November 1918, nachdem es im Mai bereits einen Separatfrieden geschlossen hatte, erneut den Krieg erklärte und dafür im Vertrag von Trianon Siebenbürgen und das galizische Buchenland zugesprochen bekam. 

Wegen dieser Gebietsgewinne erklärte Bukarest 2018 zum „Jahrhundertgedenkjahr“. Der Chef des Ungarnverbands, Hunor Kelemen, sagte dagegen, für die ungarische Minderheit gebe es nichts zu feiern. Ungarische Historiker erinnern an die Selbstverwaltung, die man den Ungarn und den Deutschen 1922 in Aussicht gestellt, jedoch nie gewährt habe. Formell autonom war das Szék­lerland, wo die Ungarn mehr als 80 Prozent der Bevölkerung stellen, nur zwischen 1952 und 1968 unter den Kommunisten. Nicolae Ceaucescus Sturz 1989 war maßgeblich auf den Aufstand des ungarischen Pfarrers László Tökés in Temeswar zurückzuführen.

Rumänien hatte im Zuge seiner EU-Integration seit 2007 eine Abkehr von der jahrzehntelangen Rumänisierungspolitik vollzogen und gesetzliche Minderheitenrechte verankert. Diese gehen sogar über die Standards in vielen anderen EU-Ländern hinaus. So können die Ungarn ebenso wie die Deutschen vom Kindergarten bis zur Universität durchgehend in ihrer Muttersprache lernen oder studieren. In Gebieten mit mehr als 20 Prozent Minderheitenanteil ist deren Sprache sogar zweite Amtssprache. In der Praxis aber ist manches beim Alten geblieben oder hat sich gar verschlechtert. Auch die Wahl des Siebenbürger Sachsen Klaus Johannis zum Staatspräsidenten 2014 führte nicht zum Besseren. Er gilt in den Augen der Székler als Verräter, vor allem seit er dem bekanntesten Ungarn Rumäniens, Pfarrer Tökés, 2016 wegen Separatismusbefürwortung den rumänischen Verdienstorden wieder aberkannt hat.