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09.02.18 / Ab- und herausgeschnitten / Kinofilm über die Getty-Entführung – Schauspieler Kevin Spacey gleich mitentführt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

Ab- und herausgeschnitten
Kinofilm über die Getty-Entführung – Schauspieler Kevin Spacey gleich mitentführt
Harald Tews

Der Entführungsfall von John Paul Getty III. wird immer mit einem abgeschnittenen Ohr in Erinnerung bleiben. Der Film „Alles Geld der Welt“ wird es mit einem herausgeschnittenen Hauptdarsteller bleiben. Aus dem am 15. Februar in den Kinos startenden Drama, welches das Schicksal des 1973 in Italien von der ’Ndrangheta entführten Milliardärsenkel aufrollt, ist gleichsam der Schauspieler Kevin Spacey entführt worden.

Ursprünglich hatte der Hollywoodstar die Rolle des geizigen US-Ölmagnaten Jean Paul Getty verkörpert, der keinen Cent Lösegeld für seinen Enkel zahlen wollte. Doch dann ging auch Spacey in der „MeeToo“-Anklagewelle re­gelrecht unter. Weil er in grauer Vorzeit junge Männer sexuell belästigt haben soll, haben Hollywoods Sittenwächter auch ihn zur Persona non grata erklärt. So hat man ihn nicht nur aus der letzten Staffel der beliebten Serie „House of Cards“ getilgt, sondern auch aus dem bereits fertig abgedrehten Getty-Film.

Nun musste alles schnell gehen. So wollte man den US-Premierentermin Ende Dezember 2017 unbedingt einhalten, der dazu berechtigt, dass der Film für die diesjährigen Oscars berücksichtigt wird. Außerdem sollte er gegenüber einem Konkurrenzprodukt, eine in diesem Jahr startende TV-Serie über den Getty-Fall, zeitlich die Nase vorn haben. Regisseur Ridley Scott ließ daher nur sechs Wochen vor dem US-Kinostart alle Szenen, in denen Spacey auftrat, mit Christopher Plummer als greisem Getty nachdrehen. Mit Erfolg: Der kanadische Ersatzmann erhielt jetzt sogar eine Oscar-Nominierung für die beste Nebenrolle.

Der etwa zehntägige Nachdreh machte den Film natürlich teurer. Neben der zusätzlichen Gage für Plummer erhielt Mark Wahlberg als Gettys Berater einen Aufschlag von 1,5 Millionen Dollar, während Michelle Williams als Mutter des Entführungsopfers mit angeblich nur 1000 Dollar abgespeist wur­de. Doch Hollywoodstar Wahlberg zeigte sich generös: Er kündigte an, seine Zusatzgage im Namen seiner Kollegin Williams zugunsten von Missbrauchsopfern spenden zu wollen.

So löste sich alles in Wohlgefallen auf. Scott gelang dann auch ein spannendes Entführungsdrama, selbst wenn es nicht ganz an seine früheren, schon kultartig verehrten Hits wie „Alien“, „Blade Runner“ oder „Gladiator“ heranreicht. Zentrum seines Interesses ist weniger das junge, damals 16-jährige Entführungsopfer, gespielt von dem nicht mit Christopher Plummer verwandten Charlie Plummer, sondern der alte Getty, ein Geizkragen à la Dagobert Duck. Durch Hinhaltetaktik ge­lingt es ihm, das Lösegeld für seinen mittellosen Enkel von 17 auf drei Millionen Dollar zu reduzieren, die er auch nur deshalb locker macht, weil er das Geld zum Teil trickreich versteuern kann. 

Nach fünf Monaten Gefangenschaft kommt Getty III frei, mit einem Ohr weniger und als ge­brochener Mann, der dem Drogenkonsum verfällt.