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09.02.18 / Das Greifenschloss zum Greifen / Vater und Sohn Wysocki aus Breslau schufen ein Modell des Stettiner Schlosses zum Anfassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

Das Greifenschloss zum Greifen
Vater und Sohn Wysocki aus Breslau schufen ein Modell des Stettiner Schlosses zum Anfassen
Chris W. Wagner

Ich möchte in der Kunst die vollkommene Form zeigen. Ich möchte mit meiner Kunst die Menschen nicht erschrecken, belehren oder ihnen Ratschläge erteilen. In ihrem Alltag erfahren sie genug Böses und Trauriges. Ich möchte ihnen Schönheit, Liebe und Wärme zeigen“, sagte der seit 1986 in Breslau lebende Bildhauer Stanislaw Wysocki, als er 2011 den Kulturpreis Schlesien des Bundeslandes Niedersachsen in Goslar entgegennahm. Kurioserweise erhielt er damals eine Silesia-Statue, der er einige Jahre zuvor selbst entworfen hatte. Sein Repertoire umfasst seit Kurzem auch ein vielgerühmtes Modell im Maßstab 1:100 des Stettiner Greifenschlosses.

Seine Worte bei seiner bislang größten Ehrung in der Bundesrepublik scheinen auch sieben Jahre später ihre Gültigkeit nicht verloren zu haben. Denn mit seinem Bronze-Modell des Stettiner Schlosses schuf der Künstler zusammen mit seinem Sohn Michal ein Werk, das – wie Barbara Igielska, Leiterin des Kulturzentrums im Stettiner Schloss in einer Pressemitteilung verlautbarte – „das Stettiner Schloss in seiner vollen architektonischen Form zeigt und durch seine kunstvolle und detailgetreue Wiedergabe eben all das präsentiert, was dem Betrachter leicht entgehen könnte. Die Stettiner und die Touristen der Stadt können das Schloss nun aus einer neuen Perspektive betrachten. Als wir das Modell in Auftrag gaben, dachten wir ganz besonders an Sehbehinderte, die nun die Schönheit des Originals ertasten können“, so Igielska.

Das Modell der beiden Niederschlesier Wysocki ziert nun den Innenhof der einstigen Residenz der pommerschen Herzöge. „Es war ein recht kompliziertes Unterfangen, denn wir mussten anhand historischer Pläne und Fotos zuerst ein Drei-D-Computermodell erarbeiten und dann Stück für Stück Abgüsse erstellen. Letztendlich waren es fast 100 Stücke, die jedoch sehr genau sein mussten, denn schon millimetergroße Unterschiede hätten das Zusammenfügen unmöglich gemacht. Es gibt Fragmente, die wir mehrmals gießen mussten“, berichtete Stanislaw Wysocki der Breslauer Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Damit sie auf dem Modell auch die kleinsten Details wiedergegeben konnten, entschieden sich die Künstler für das schon in der Antike bekannte Wachsausschmelzverfahren. Die größte Schwierigkeit hatten Vater und Sohn aus dem „Stan Wys Atelier“ mit der Glocke im Glockenturm, weil man, so Wysocki Junior, solch kleine Elemente nicht schweißen könne. Daher musste die filigrane Glocke mitgegossen werden. Für das Modell verwendeten die Künstler 300 Kilogramm Bronze. 

Das Stettiner Schlossmodell besticht auch durch seine Patina. Das Patinieren lernte Wysocki Senior bei Hermann Noack in Berlin in den 80er Jahren. „Als ich den Meister fragte, wie man patiniert, antwortete er: ‚Ganz einfach. Man braucht dafür Säure, Feuer und 20 Jahre Erfahrung‘“, erinnerte sich Stanislaw Wysocki, der längst schon selbst ein erfahrener und mittlerweile anerkannter Meister ist. 

In Breslau findet man gleich mehrere Skulpturen des „Stan Wys Ateliers“ der Wyskockis, so die Schwimmerin im Jugendstil-Hallenbad oder den Mohr auf dem Gebäude der einstigen Mohrenapotheke auf dem Salzmarkt. Die wohl bekannteste Skulptur ist aber der Orpheuskopf in der Nähe der Breslauer Oper. Die Wysockis schufen den Kopf nach dem Entwurf des Breslauer Bildhauers Theodor von Gosen aus dem Jahre 1942. Bei der Enthüllung des Orpheuskopfes im September 2016 waren Nachkommen Theodor von Gosens dabei.

Im Atelier des 1949 im masurischen Lyck [Elk] geborenen Bildhauers Stanislaw Wysocki befinden sich Modelle der Danziger Altstadt mit dem Rathaus und dem Krantor. Für Stettin hat der Meister nun zum ersten Mal gearbeitet, aber es war die bislang schwierigste Aufgabe, gab der Bildhauer zu Protokoll.