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09.02.18 / Reise nach Methgeten / Ein gutgeschriebene Novelle von zeithistorischem Wert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

Reise nach Methgeten
Ein gutgeschriebene Novelle von zeithistorischem Wert
Dagmar Jestrzemski

Im Frühjahr 1991, kurz nach der Grenzöffnung des militärischen Sperrgebiets Kaliningrad, reisten Dorothea und Hans Conrad in ihre ostpreußische Heimat, das Land ihrer Kindheit. Sie gehörten zu den ersten Besuchern aus dem Westen. Nur ihrem Mann zuliebe hatte Dorothea ja zu der Reise gesagt. Bis dahin hatte sie es vermieden, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Sie war schlimm genug.

In Methgethen, dem Heimatort ihres Mannes im Nordwesten von Königsberg, suchten die beiden vergeblich das Holzhäuschen, in dem Hans bis zum Januar 1945 mit seiner Familie gewohnt hatte. Hans war betrübt und verdrossen, auch weil der ganze Ort heruntergekommen war. Und der Tannenwald von Methgethen, früher ein beliebtes Ausflugsziel der Königsberger, war verschwunden, komplett abgeholzt. Die Bewohner ignorierten das Ehepaar aus Deutschland – vermutlich befürchteten sie, dass die Deutschen nun kämen, um ihr Eigentum zurückzufordern. Hans und Marie, wie Dorothea von ihrem Mann genannt wurde, rasteten auf einem ruhigen Plätzchen, als Hans von früher zu erzählen begann. Angeregt durch ihre Fragen, hält er im Dialog mit seiner Frau Rück-schau, berichtet von seiner Familie, von den unseligen Zeiten des Nationalsozialismus, und wie er als Sechzehnjähriger kurz vor Kriegsende zusammen mit anderen Schülern in der Peripherie von Berlin gegen die Russen kämpfen sollte. 

Er wurde schwer verwundet. Dass er am Leben blieb, verdankte er einem Lazarettarzt, der den Russen erklärte, er sei kein Soldat, sondern Zivilist und noch ein Kind. Dieser Tag in Methgethen ist Dorothea Conrad lebhaft in Erinnerung geblieben. Darüber hat sie ein Büchlein geschrieben, dem sie den Titel „Der eine Tag“ gab. Sie hat es ihrem verstorbenen Mann gewidmet. 

Die Autorin wurde 1930 in Königsberg geboren. Sie veröffentlichte unter anderem zwei Gedichtbändchen und das autobiographische Werk „Schreib auf, worüber du nicht sprechen kannst“. Dazu veröffentlichte die PAZ in Ausgabe 12/2011 eine Rezension. In dieser kleinen Novelle hat sie sich ganz auf das Wesentliche konzentriert. Nur das, was sie ihrer Erinnerung nach an diesem einen Tag von ihrem Mann erfahren hat, sollte hier festgehalten werden. Mit seiner Ankunft Mitte Mai 1945 bei seinen Eltern im Bergischen Land endet sein Bericht und auch der Dialog zwischen den Ehepartnern. 

Von Inhalt und Umfang her ist es nicht viel, das muss hervorgehoben werden, zumal die Textseiten großenteils nur zur Hälfte bedruckt sind. Aber das gut geschriebene Bändchen hat selbstverständlich dennoch seinen zeithistorischen Wert. Auf den letzten 37 Seiten hat der Verlag neben privaten Fotos auch zahlreiche Fotos und Postkarten mit Motiven aus Methgethen und Tapiau abgebildet.

Dorothea Conrad: „Der eine Tag“. Verlag Regionalkultur, Basel 2017, gebunden, 127 Seiten, 11,90 Euro