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09.02.18 / Von Rosstäuschern und Flecklmannern / Vielfältiges Brauchtum – Ein Blick auf die Fastnacht in der Oberpfalz, wo jeder Ort seine eigenen närrischen Traditionen pflegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

Von Rosstäuschern und Flecklmannern
Vielfältiges Brauchtum – Ein Blick auf die Fastnacht in der Oberpfalz, wo jeder Ort seine eigenen närrischen Traditionen pflegt
Markus Bauer

Die fünfte Jahreszeit, die närrische Zeit, ist dieses Jahr relativ kurz: Bereits am 13. Februar ist  Faschingsdienstag und damit Kehraus, einen Tag später Aschermittwoch. Dabei lenkt der Blick auf die Karnevalshochburgen vom närrischen Treiben in der Provinz ab. Mancherorts geht es beson­ders hoch her.

Immer wieder ist – schon länger – von Faschingsmüdigkeit oder der Zunahme von Faschingsmuffeln die Rede. Natürlich gibt es regionale Unterschiede, auch vor dem Hintergrund der Verbreitung des Faschings vornehmlich in katholischen Gegenden. Was aber zum (scheinbaren) Bedeutungsverlust der Fastnacht beigetragen hat, ist die mediale Darstellung: Fast jeder Fernsehsender strahlt Faschingssitzungen regionaler Verbände aus – eine Reduzierung auf bekannte, erwartbare Brauchtumselemente. Natürlich verdienen diese Veranstaltungen und das dafür aufgebrachte Engagement der Beteiligten Respekt, sind sie doch ein nicht unwesentlicher Teil des lebendigen Fa­schingsbrauchtums. Doch damit wächst (leider) auch die Gefahr der Vereinheitlichung. Denn Prinzenpaare, Garden, Elferräte und Prunksitzungen gibt es heute fast in jedem (größeren) Ort. So erwächst der Anschein, als gäbe es sonst keine anderen Faschingsbräuche mehr. Und daraus kann schnell Faschingsmüdigkeit und -unlust entstehen.

Dabei gibt es auch heute noch viele Faschingsbräuche und -gruppen. Werfen wir einen Blick auf die Oberpfalz in der Mitte Bayerns und ein paar angrenzende Orte Niederbayerns. Auch wenn mit der 1848 gegründeten Narragonia Regensburg in der Oberpfälzer Hauptstadt die älteste Faschingsgesellschaft Bayerns zu Hause ist, hat die Fastnacht in diesem Landstrich eine weitaus längere Geschichte und ein um viele Elemente reichhaltigeres Brauchtum zu bieten als es die in der Öffentlichkeit primär sichtbaren Faschingsvereine andeuten. 

Die ältesten Dokumente stammen aus dem 13. Jahrhundert. Klosterrechnungen verraten, dass im Fasching üppig getafelt wurde, ehe dann in der Fastenzeit ab Aschermittwoch Bruder Schmalhans Küchenmeister war. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert ist für mehrere Städte das Pflugziehen überliefert, das heute in der Nordoberpfalz in Form des Ausackerns der Fastnacht ausgeübt wird. Doch auch das Ausgraben einer Strohpuppe oder Ausrufen wird in verschiedensten Formen praktiziert. Ein Unikat bilden die seit 1923 in Hemau aktiven Kirmweiber. Als alte, hässliche Frauen verkleidete Männer ziehen am Sonntag nach Dreikönig durch die Gasthäuser und verkünden den Beginn des Faschings.

Traditionelle Fastnachtsfiguren wie die sogenannten Fosnatnigln (Sulzbürg und Mitterteich), Fleckl­manner (Lupburg) und Schecken (Töging, Gleiritsch) gibt es ebenso wie Bären (Freystadt) und Hexen (so zum Beispiel in Dietldorf). Gemein ist all diesen Figuren, dass sie von Kindern geneckt werden, lärmend von Haus zu Haus ziehen oder von einem Treiber mittels Ziehharmonika oder Teufelsgeige zum Tanzen gebracht werden. 

Apropos Tanzen: Auch der Schäfflertanz aus München war und ist an vielen Orten Ostbayerns (regelmäßig alle sieben Jahre bis heute in Schierling und Kelheim) verbreitet. Doch nicht nur die Fassmacher sorgen für Unterhaltung: Den Glasmachern und Spiegelschleifern oblag das närrische Rosstäuschen beziehungsweise Schimmelverkaufen, das bis heute in Weiden ausgeübt wird. 

Mit reichlich Handarbeit und Muskelkraft verbunden ist auch die Altweibermühle. Regelmäßig alle zehn Jahre gibt es diese „Verjüngungsmaschine“ für alte Frauen seit 1892 in Schönsee. Und wer dann auf diese Weise eine fesche junge Frau bekommen hat, kann sich gleich mit ihr bei einer Faschingshochzeit verehelichen. Dieser Brauch, bei dem Bauernhochzeiten mit allen Elementen, die früher zu so einer Feier gehörten, nachgespielt werden, ist vor allem im Bayerischen Wald zu Hause. 

Was heute meist die Büttenreden darstellen, war früher und ist auch heute noch in manchen Orten das Moritatensingen. Bis heute gibt es diesen Brauch etwa in Rötz oder Dietfurt. Dabei werden Begebenheiten in Bild, Text und eventuell sogar in Form von Gesang und Musik dargeboten. Eine aus Oberbayern bekannte Form des Ausspielens gibt es in Breitenbrunn mit dem Haberfeldtreiben am Faschingsdienstag.

Auf dem Ausspielen beruht auch das weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannte Oberpfälzer Faschingsspektakel, der Chinesenfasching. Die Stadt Dietfurt hat damit ihrem Spitznamen „Chinesen“ eine positive Seite abgewonnen. Der sogar im echten China bekannte Chinesenfasching zieht seit 1954 alljährlich Tausende Besucher an, die ehrfürchtig dem Kaiser Fu-Gao-Di huldigen. In der Nachbarstadt Riedenburg stehen seit den 1980er Jahren übrigens Zigeuner – angeführt in diesem Jahr von einer Zigeunerbaronin – im Mittelpunkt.

Mit dem am Unsinnigen Donnerstag begangenen Chinesenfasching sind wir bei den letzten närrischen Tagen angelangt, an denen auf den Straßen und öffentlichen Plätzen kräftig ge­feiert wird – in Form von Maschkerer- beziehungsweise Fa­schingszügen, Faschingsmärkten und Faschingstreiben. 

In die heißen Tage fällt auch die Schlüsselübergabe an das Prinzenpaar durch den Bürgermeister. Seine Ursprünge hat dieser Brauch im Rathausstürmen des 16. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Etwa 60 Jahre nach der Gründung der Narragonia Regensburg entstanden auch auf dem Land Faschingsvereine. Regierte zu­nächst nur Prinz Karneval, erhielt er ab den 1930er Jahren, zum Teil auch später, eine Prinzessin. Auch die heutigen Damengarden gab es nicht von Beginn an, sie lösten die früheren Männergarden ab – nur bei der Narragonia Regensburg gehört bis heute, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Funktion, die Gurkengarde zum Hofstaat. Seit 22. August 1964 gibt es die Vereinigung ostbayerischer Faschingsgesellschaften im Bund Deutscher Karneval mit Präsident Arthur Troidl an der Spitze. 

Aus der Oberpfalz sind zurzeit 39, aus Niederbayern 41 Gesellschaften hier organisiert. Doch es gibt weit mehr Faschingsvereine 

– wie zum Beispiel den Lupburger Maschkererverein, der ganz und gar nichts Rheinisches und Karnevalistisches hat, sondern den örtlichen Fasching mit regionalen Aspekten garniert.

Beendet ist die närrische Zeit auch in der Oberpfalz nicht allein mit dem Kehraus, sondern erst richtig am Abend des Faschingsdienstags oder am Aschermittwoch mit dem Arschboußn oder Variationen des Waschens, Eingrabens, Ertränkens oder Verbrennens von Fastnachtssymbolen. Analog zum Ausackern gibt es das Einackern der Fastnacht. Besonders hervorzuheben unter den Finalbräuchen ist der Fischzug in Schmidmühlen, den mehrere Nachbarorte übernommen haben.