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09.02.18 / Aus der Reihe getanzt / Wenn die »Tollitäten« herrschen – Der Kölner Karneval ist auch eine Antwort auf preußischen Ordnungssinn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-18 vom 09. Februar 2018

Aus der Reihe getanzt
Wenn die »Tollitäten« herrschen – Der Kölner Karneval ist auch eine Antwort auf preußischen Ordnungssinn
Siegfried Schmidtke

Den Kölner Rosenmontagszug kennt fast jeder. Doch Karneval gefeiert wird mehrere Wochen lang. In Köln fällt der Startschuss zum närrischen Treiben traditionell am 11. November um 11.11 Uhr. Dann beginnt offiziell die Session, in Köln auch „fünfte Jahreszeit“ genannt, die – mit einer Pause während der Weihnachtszeit – am Aschermittwoch endet. 

Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit und dauert bis Ostern. Für katholisch geprägte Menschen heißt das – je nach Verzichtbereitschaft: Schluss mit Fleisch (im Volksmund wird Karneval abgeleitet vom Lateinischen „carne valis“, zu Deutsch: Fleisch Lebewohl), Schluss mit Alkohol und auch Schluss mit Sex. Kurz gesagt: Schluss mit allem, was Spaß macht. Enthaltsamkeit und Genügsamkeit werden nun bis Ostern großgeschrieben. Wie gut, dass man in den „Tollen Tagen“ bis Aschermittwoch noch mal alle diese „Sündhaftigkeiten“ voll ausleben kann.

Wie lange eine Session dauert, hängt übrigens vom Mond ab. Denn Ostern, das Ende der Fastenzeit, fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Vom Ostersonntag 40 Werktage (und sechs Sonntage) zurück gerechnet, ergibt den Aschermittwoch.

Der ausgelassen und mitunter chaotisch wirkende Kölner Karneval ist – genauer betrachtet – streng reglementiert. Vor nunmehr 195 Jahren, im Jahr 1823, organisierten sich die Kölner Narren im „Festordnenden Comité“, das für einen geregelten Narrenumzug vor der Fastnacht (Aschermittwoch) sorgte. So erreichten die Rheinländer die Duldung und Akzeptanz der preußischen Obrigkeit. Denn seit 1815 gehörte die ehemalige Freie Reichsstadt Köln zum preußischen Staat. Im protestantischen Preußen waren ausufernde Feierlichkeiten vor der Fastnacht nicht üblich.

Mit dem Einzug der Preußen kamen Uniformen und das Militärische im Allgemeinen stärker als bis dato nach Köln. Als eine Parodie auf die preußische Armee traten nun rot-weiß (rot und weiß sind die Kölner Stadtfarben) uniformierte Männer als Soldaten auf: Soldaten mit Holzgewehren, in deren Lauf nicht ein Bajonett, sondern eine Blume steckt. Soldaten, die nicht in Reih’ und Glied, sondern krumm und schief antreten. Soldaten, die sich „rote Funken“ nannten.

Dem Kölner Karneval gehören heute mehr als 100 Karnevalsgesellschaften und neun „Traditionskorps“ an – das sind die uniformierten Korps und Garden, die vor 1926 gegründet wurden.

Die höchsten Repräsentanten des Kölner Karnevals nennen sich „Dreigestirn“ (lat. Trifolium): Prinz, Bauer und Jungfrau. Diese drei „Tollitäten“ herrschen in der „tollen 5. Jahreszeit“ in der Stadt.

Prinz („Seine Herrlichkeit“), Bauer („Seine Deftigkeit“) und Jungfrau („Ihre Lieblichkeit“) werden von den Karnevalsgesellschaften vorgeschlagen und in einem undurchsichtigen Auswahlverfahren – ähnlich einer Papstwahl – vom „Festkomitee Kölner Karneval von 1823“ gewählt. 

Alle drei sind übrigens Männer, auch die mit neckischen Zöpfen auftretende Kölner Jungfrau. Vor 80 Jahren, 1938, zwangen die nationalsozialistischen Machthaber die Kölner, eine Frau als Jungfrau einzusetzen. Paula Zapf hieß die erste weibliche Trifoliums-Jungfrau. 1939 folgte Else Horion als zweite und letzte weibliche „Lieblichkeit“. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen sofort wieder Männer die Rolle der Jungfrau im Dreigestirn.

Das Kölner Dreigestirn der Session 2017/2018 wird übrigens von der „Nippeser Bürgerwehr von 1903 e.V.“ gestellt. Der Verein aus dem Stadtteil Köln-Nippes gehört zu den neun Traditionskorps im Kölner Karneval. Zum Dreigestirn gehören in diesem Jahr Prinz Michael II. (Michael Gerold), Bauer Christoph (Christoph Stock) und Jungfrau Emma (Erich Ströbel). Ihr Motto diesmal lautet: „Danze us der Reih“! (aus der Reihe tanzen).

Seit ihrer „Inthronisierung“ durch die Kölner Oberbürgermeisterin tingeln die drei Narren un­ermüdlich bis Aschermittwoch, dem Sessionsende, von einer Veranstaltung zur nächsten: Ge­schätzte 350 Auftritte – sei es eine Karnevalssitzung, eine Betriebs- oder Schulfeier oder auch ein Besuch bei der Kanzlerin oder beim Papst. Ein Vollzeit-Job, der jede andere Beschäftigung ausschließt. Geschlafen wird nicht zu Hause, sondern in der gesponserten „Hofburg“ – einem Luxushotel in der Kölner Innenstadt. Auch ein umfangreicher Fuhrpark wird von einem Kölner Automobil-Hersteller gestiftet, damit die Tollitäten allzeit mobil sind.

Trotz zahlreicher Spender können sich nur gut betuchte Bürger die mehrwöchige Auszeit vom Gelderwerb leisten. Überwiegend Selbstständige sind daher im Dreigestirn aktiv. Der finanzielle Aufwand gilt als eine Art Staatsgeheimnis und wird nicht publik gemacht. Kenner munkeln von Kosten „wie für einen Neuwagen“ oder von bis zu 50000 Euro. Ein neu geschaffener Fonds soll es auch weniger Begüterten möglich machen, „einmal Prinz zu sein“.

Der Straßenkarneval und damit die „heiße Phase“ der Session beginnt am Donnerstag („Weiberfastnacht“ am 8. Februar). Der Rosenmontagzug (12. Februar) ist schließlich der Höhepunkt. Rund 11000 Teilnehmer marschieren die 7,5 Kilometer lange, vor An­schlägen streng abgesicherte Strecke ab, an der über eine Million Menschen singen und schunkeln. Am Dienstag gibt es noch einige Umzüge in den Vororten.

An Weiberfastnacht sind Ämter und Behörden nur bis 11.11 Uhr dienstbereit. Danach geht nichts mehr. Auch die meisten Schulen und viele Betriebe „machen dicht“. Der Rosenmontag ist für die meisten Kölner Arbeitnehmer ein freier „Brauchtums- und Feiertag“.