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16.02.18 / Die ruhmlosen Sechs / Der Westbalkan ist vom EU-Niveau noch meilenweit entfernt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-18 vom 16. Februar 2018

Die ruhmlosen Sechs
Der Westbalkan ist vom EU-Niveau noch meilenweit entfernt
Norman Hanert

Die EU-Kommission hat ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem konkrete Beitrittsperspektiven für sechs Staaten des Westbalkans festgehalten sind. Bislang sind Slowenien und Kroatien die einzigen Länder der Region, die den Sprung in die EU geschafft haben. Nach den vorgelegten Plänen sollen in einigen Jahren Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien und das Kosovo als neue EU-Mitglieder folgen. Die Kommission sieht laut dem Strategiepapier die Möglichkeit, dass Serbien und Montenegro bereits bis zum Jahr 2025 in die EU aufgenommen werden. Beide Länder haben bereits seit einigen Jahren den Status von Beitrittskandidaten. In die gesamte Westbalkanregion sind in den letzten Jahren bereits Milliarden Euro als EU-Anpassungshilfen geflossen. 

Die EU-Kommission weist in ihrem Strategiepapier deutlich darauf hin, dass in der gesamten Region noch immer enorme Anstrengungen nötig sind. Angesprochen werden eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch Einmischungen der Politik und eine Unterentwicklung des Privatsektors. Ebenso erwähnt werden Probleme bei der Rechtsstaatlichkeit, der Sicherheit und bei den Beschäftigungsaussichten junger Menschen. 

Tatsächlich hat die Region demografische Probleme durch Überalterung und Abwanderung. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht davon aus, dass die Westbalkanregion seit dem Zerfall Jugoslawiens etwa ein Viertel ihrer Stammbevölkerung verloren hat. Allein aus Serbien sind laut der OECD zwischen 2007 und 2014 rund 300000 Menschen ins Ausland abgewandert. Auch die Weltbank hat sich im vergangenen Jahr in einer Studie eingehend mit der ökonomischen Situation der Westbalkanstaaten befasst. Nach den Berechnungen der Weltbank müssten die Volkswirtschaften der Westbalkanländer jährlich um mindestens sechs Prozent wachsen, damit sie bis 2040 den EU-Durchschnitt bei der Wirtschaftsleistung erreichen. Tatsächlich liegen die Wachstumsraten jedoch derzeit nur bei rund drei Prozent. Laut der Weltbank ist die hohe Arbeitslosigkeit in der Region in den letzten Jahren nur sehr langsam gesunken. Im Schnitt lag die Arbeitslosenquote in Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Albanien und dem Kosovo im Jahr 2010 bei 23 Prozent. Die Weltbankexperten konnten bis 2016 lediglich ein Absinken auf 21 Prozent feststellen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in den sechs Westbalkanländern im Durchschnitt sogar bei fast 48 Prozent, im Kosovo bei 60 Prozent. 

Vertreter der EU-Kommission nennen als Gründe für die Beitrittsstrategie neben wirtschaftliche Interessen auch sicherheitspolitische Motive: „Wenn es in einem dieser Länder ein Sicherheitsproblem gibt, dann ist das automatisch auch ein Sicherheitsproblem für die EU“, so die italienische EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Tatsächlich sehen einige Experten den Einfluss der EU auf dem Westbalkan zunehmend gefährdet. Das Center for Security Studies (CSS) an der ETH Zürich zog bereits im Jahr 2017 in einer Untersuchung das Fazit, dass Russlands Einfluss auf dem Westbalkan in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Ein Forscher des Brüsseler Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik wies wiederum auf das wachsende Engagement Chinas hin, das den Balkan als wichtige Transitroute in die EU sieht.