Alternative Energien zur Stromerzeugung sind wegen hoher Stromkosten der herkömmlichen Energieträger so gefragt wie nie. Solarpanel und Windkraft haben inzwischen eine recht große Verbreitung im Land. Ihre Installation ist jedoch kostspielig, und sie haben nicht nur Befürworter. Besonders bei Windkraftanlagen ist die Frage des Standortes eine Hürde. Außerdem verschandeln sie die Landschaft. Einfache, unkomplizierte Technologien sind daher gefragt, die es ermöglichen, schnell und einfach und nahezu überall Strom zu erzeugen.
Forscher der Universität Bristol haben bereits 2013 ein Verfahren entwickelt, welches das Zeug dazu hat, ein Meilenstein der Stromgewinnung zu werden. „Pee Power“ heißt die Technologie, und der englische Name sagt bereits alles: Es geht um Energiekraft
– aus Pipi, also Urin. Dabei wird keineswegs auf die Mechanik der Wassermühle gesetzt. Es ist nicht notwendig, große Mengen von Urin zu erzeugen, die durch die Kraft der Flüssigkeits-Bewegung eine Technik in Gang setzen.
Die Technik im Kern von „Pee Power“ ist eine sehr fortschrittliche: Mittels einer Brennstoffzelle wird Urin in Strom verwandelt. Genutzt wird für diese Verwandlung die Mikroflora des Verdauungstraktes. Genau diejenigen Bakterien, die zur Aufrechterhaltung das Immunsystems im menschlichen Körper zum Einsatz kommen, können auch außerhalb des Organismus für die Stromgewinnung genutzt werden.
Mitarbeiter der Hilfsorganisation Oxfam, die bei der Entwicklung der Technologie mit einbezogen wurden, trugen dazu bei, dass das Stromgewinnungs-Konzept ebenso einfach und mobil wie variabel gehandhabt werden kann. Der Grund: Der Stromgenerator soll vor allem in Krisengebieten, zum Beispiel in Flüchtlingslagern nutzbar sein.
Optisch ist das Kraftwerk Pee Power eine mobile Toiletten-Einheit. Der technologisch aktive Kern ist unscheinbar klein. Der Vorteil: Der Werkstoff wird überall auf der Welt produziert, je mehr Menschen in einer Region vorhanden sind, desto mehr Strom kann geliefert werden. Was skurril klingt, wurde vergangenes Jahr bereits als Prototyp bei einem großen musikalischen Klassik-Festival in England zum Einsatz gebracht: Beim Glastonbury Festival sorgte ein Pissoir für 40 Personen für den Strom, der für die Info-Displays genutzt wurde. Eine weitere Toilette erzeugte Strom und Licht für Smartphone-Ladestationen.
Noch ist es Zukunftsmusik, doch wer weiß, vielleicht wird es eines Tages möglich sein, den Strom für die Wohnung aus der familieneigenen Urin-Produktion zu generieren. Dann heißt es vielleicht in 30 Jahren „Schatz, geh doch bitte noch mal pinkeln, ich brauche noch Licht zum Lesen.“ Eines ist sicher: Beim nächsten Gang zum stillen Örtchen wird man den gelben Saft mit anderen Augen sehen. Schließlich ist das, was mit der Spülung jeden Tag literweise hinweggeschwemmt wird, eine Flüssigkeit mit großem Potenzial.