Die vorzustellenden Bücher sind zwar vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 erschienen und mögen zum Stimmverlust der Merkel-CDU beigetragen haben, sie sind aber auch nach der Wahl und vor einer Groko II von eminenter Bedeutung. Denn sie bilanzieren die Negativpunkte von Merkels Kanzlerzeit seit 2005 in notwendiger Schärfe. Sie konzentrieren sich auf die Wahrnehmung des umfangreichen Defizitkatalogs der Bundeskanzlerin, deren Zenit im Zentrum der Macht Anfang 2018 überschritten erscheint. Kommt erneut eine schwarz-rote Regierung zustande, ist keineswegs sicher, dass sie unter Merkels Führung das Ende der Legislaturperiode erreicht. Nicht nur kenntnisreiche Beobachter des Berliner Politbetriebs halten es für denkbar, dass Merkel dann zurücktritt. Soweit ist es noch nicht, doch von „Merkel-Dämmerung“ ist zu Recht die Rede, zwei Bücher zeugen davon.
Da ist zunächst das Werk „Demokratie im Sinkflug. Wie sich Angela Merkel und EU-Politiker über geltendes Recht stellen“ von Gertrud Höhler, die schon mit der vernichtenden Merkel-Bilanz in ihrem Bestseller „Die Patin“ vor einigen Jahren aufgefallen ist und, wie seltsam, als früher gefragte Talkshow-Teilnehmerin vom Bildschirm der öffentlich-rechtlichen Funkmedien fast völlig verschwunden ist. Hartnäckig hält sich in der Causa Höhler hierbei das Gerücht, dass vom Kanzleramt aus verdeckte Empfehlungen kontra Höhler an die Rundfunkanstalten ausgegeben wurden mit dem Ziel, die Kanzler-Kritikerin nicht mehr einzuladen.
Zum Buch und seinen zentralen Thesen: Die Regierung Merkel und die EU setzen sich immer häufiger über geltendes Recht hinweg, und diese „autokratische Versuchung“, wie sie die Autorin nennt, startete unter deutscher Führung. Verborgen hinter der Maske von Rettungssanitätern probte Merkel die Kolonialherrenrolle in Südeuropa. Dadurch, in Gläubiger und Schuldner gespalten, verlor die EU die Herzen vieler Europäer. „Grenzen fallen“, so lautet die eingängige Parole der EU-Kanzlerin. Aber plötzlich erscheine die Demokratie als Handicap. Denn: Wo Parlamente zu Handlangern der Mächtigen werden, sterbe der demokratische Wettbewerb, so die Literaturwissenschaftlerin. Einer der Höhepunkte Merkelscher Fehl-Politik: Die Verstaatlichung der Energiewirtschaft. Sie wurde die Generalprobe zum tollkühnen Solo Merkels im Herbst 2015, womit die Autorin die „Willkommensparade“ der Kanzlerin ohne Rückendeckung der europäischen Partner meint: offene Arme an offenen Grenzen, ihre verhängnisvolle und illegale Masseneinwanderungspolitik. Die Alleingänge der deutschen Kanzlerin zeugten von einem autokratischen Demokratieverständnis, gegen das die Autorin überzeugende Argumente pro „machtlosen Souverän“ ins Feld führt. Höhlers Credo: „Der Staat gehört den Bürgern“ – und nicht umgekehrt. Wer dagegen verstößt, darf sich über die Folgen nicht wundern. Der Einzug von über 90 AfD-Abgeordneten in den Deutschen Bundestag spiegele den Beginn einer „Merkeldämmerung“.
Das Buch „Merkel. Eine kritische Bilanz“ ist ein Sammelwerk mit insgesamt 22 mehr oder weniger kritischen Betrachtungen zum Wirken der deutschen Bundeskanzlerin. Der Herausgeber, „FAZ“-Re-dakteur Philip Plickert hat dazu renommierte Autoren versammelt. Unter ihnen Thilo Sarrazin, Necla Kelek, Cora Stephan, Norbert Bolz und Roland Tichy. Gleich mehrere Beiträge gehen auch hier auf die Flüchtlings-, Migrations- und Integrationspolitik der Kanzlerin ein und schildern eindringlich, was bis heute alles falsch läuft.
So stellt nicht nur die Publizistin Cora Stephan ein eklatantes Regierungsversagen bei Merkel in diesem Zusammenhang fest. Herausgeber Plickert erläutert im Vorwort unter Bezug auf Stephan: „Aus Angst vor unschönen Bildern, wenn Flüchtlinge und Migranten zurückgewiesen würden, scheute Merkel davor zurück, den schon vorliegenden Befehl an die Bundespolizei zur Grenzsicherung zu unterzeichnen“. Bis heute seien ihre Motive für die sogenannte Flüchtlingspolitik, wie die illegale Masseneinwanderung beschönigend bezeichnet wird, umstritten. Merkel habe ein angeblich „warmes Herz“ über den kühlen Verstand gestellt, meint Stephan, wohl auch, weil sie die medial inszenierte Willkommenseuphorie falsch einschätzte. Man denke nur an ihre lächelnden Flüchtlings-Selfies, die sie in der Startphase der Rechtsbrüche digital über den Erdball verbreitete und damit einen zusätzlichen Sog zur Völkerwanderung ins gelobte Land der Dichter und Denker auslöste.
Aus beiden Büchern atmet der Geist einer fundierten General-abrechnung mit Merkel. Sie signalisieren eine Wechselzeit, man könnte auch von „Merkel-Dämmerung“ sprechen.
Gertrud Höhler: „Demokratie im Sinkflug. Wie sich Angela Merkel und EU-Politiker über geltendes Recht stellen“, Finanzbuch Verlag München 2017, gebunden, 240 Seiten, 19,99 Euro
Philip Plickert: „Merkel. Eine kritische Bilanz“, Finanzbuch-Verlag München 2017, gebunden, 256 Seiten, 19,99 Euro