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23.02.18 / Ein Geschenk mit entzündlicher Lunte / Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erhält den Nachlass der Regisseurin Leni Riefenstahl – Aufarbeitung könnte problematisch werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Ein Geschenk mit entzündlicher Lunte
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erhält den Nachlass der Regisseurin Leni Riefenstahl – Aufarbeitung könnte problematisch werden
H. Tews

Künstlerische Nachlässe werden von Museen und Institutionen gerne mit Kusshand übernommen, sofern  man sich daran nicht die Finger verbrennt. Diese Gefahr besteht aber an der großzügigen Schenkung, welche jetzt an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) übergegangen ist: Es handelt sich um den kompletten Nachlass von Leni Riefenstahl. Die 2003 im Alter von 101 Jahren verstorbene Regisseurin gilt als eine der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Künstlerinnen der deutschen Film- und Fotogeschichte. 

Als Tänzerin, Schauspielerin, Filmemacherin (Produzentin, Regisseurin, Drehbuchautorin und Schnittmeisterin) sowie Fotografin feierte sie vor allem in der NS-Zeit große Erfolge. Für ihre Filme und Fotografien wurde sie zu Lebzeiten als kreative und innovative Bilderfinderin bewundert und geschätzt, in der Nachkriegszeit aber scharf dafür kritisiert, dass sie mit Filmen wie „Triumph des Willens“ oder ihrer bildlichen Glorifizierung der Olympischen Spiele von 1939 ihr künstlerisches Können in den Dienst nationalsozialistischer Propaganda stellte. Nach 1945 wurde sie stark dafür kritisiert, dass sie für den im Krieg entstandenen Opernfilm „Tiefland“ mehr als 100 Roma und Sinti aus KZ-Lagern als Komparsen rekrutierte. 

Nach dem Tod von Riefenstahls Ehemann Horst Kettner im Dezember 2016 wurde die ehemalige Sekretärin Gisela Jahn Alleinerbin. Sie entschied, den bis in die 1920er Jahre zurückreichenden Nachlass, der 700 Umzugskisten mit Fotografie- und Filmbeständen, Manu­skripten, Briefen, Tageskalendern, Akten und Dokumenten sowie Presseausschnitten und Büchern enthält, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu schenken. Mit der Übernahme aus dem Haus Riefenstahl in Pöcking am Starnberger See und dem Abschluss des Schenkungsvertrages erfolgt in den nächsten Monaten eine intensive Phase der Sichtung. Für die Erfassung und Erschließung des Nachlasses soll, finanziert durch noch einzuwerbende Drittmittel, ein interdisziplinäres Forschungs- und Archivteam zusammengestellt werden. Im Bereich Film wird eine Kooperation mit der Stiftung Deutsche Kinemathek angestrebt.

„Die SPK hat mit dem Nachlass von Leni Riefenstahl nicht nur ein bahnbrechendes ästhetisches Werk übernommen, sondern auch eine besondere Verantwortung für die kritische Auseinandersetzung mit dieser streitbaren Person der Zeitgeschichte“, sagt Stiftungspräsident Hermann Parzinger, „gerade auch die Rolle von Leni Riefenstahl im Nationalsozialismus wird bei der Aufarbeitung des Nachlasses von zentraler Bedeutung sein.“ 

Es war der Wunsch der Riefenstahl-Erbin Jahn, die Sammlung in Berlin, Riefenstahls Geburtsstadt, aufbewahrt und nicht in der Hand von Devotionalienjägern zu wissen. Die SPK ist mit ihren Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten zwar geradezu prädestiniert für die Bewahrung dieses Nachlasses, muss sich aber jetzt der Herausforderung stellen, dieses kunsthistorisch heikle Material entsprechend kritisch aufzubereiten, sodass es weder die Gefühle von NS-Opfern verletzt noch zu Heldenverehrung von falscher Seite verführt.

Der fotografische Bestand soll, betreut von der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek, im Museum für Fotografie am Bahnhof Zoo untergebracht werden. Hier wird seit 2004 auch das Werk des Berliner Fotografen Helmut Newton gezeigt, mit dem Riefenstahl in ihren späten Lebensjahren eng befreundet war. In der Dauerausstellung „Private Property“ ist dies mit Briefen und Büchern von Riefenstahl dokumentiert – die Briefe Newtons finden sich umgekehrt in ihrem Archiv. 

Der Schriften-Bestand des Leni- Riefenstahl-Archivs mit Korres-pondenzen, Tagebüchern und Manuskripten soll von der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin betreut werden, in der heute über 1000 Nachlässe aus fünf Jahrhunderten von Persönlichkeiten aus allen Bereichen des geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens aufbewahrt und erschlossen werden. Die Tonnen von Archivmaterial, die Riefenstahl hinterlassen hat, werden zukünftig ganze Generation beschäftigen und sicher noch zu streitbaren Auseinandersetzungen führen.