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23.02.18 / Bares und Wahres aus der Schublade / Erst Schweigegeld offenbarte die Lügen der SPD in Kiel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Bares und Wahres aus der Schublade
Erst Schweigegeld offenbarte die Lügen der SPD in Kiel
Klaus J. Groth

Man nannte ihn „den guten Menschen von Süsel“. Da war Günther Jansen noch Bürgermeister jener kleinen Gemeinde in Schleswig-Holstein. Mit einer angeblich großherzigen Tat machte er später bundesweit Schlagzeilen.

In einer Küchenschublade hatte der SPD-Sozialminister ein kleines Vermögen gesammelt, das er heimlich dem Mann fürs Grobe in der Barschel-Affäre, Reiner Pfeiffer, zukommen ließ. Vor 25 Jahren, am 1. März 1993, versuchte Jansen vor einem Untersuchungsausschuss, die Zuwendung als die Tat eines Menschenfreundes zu erklären. Vergeblich. Sogar der Vorsitzende des Ausschusses, Sozialdemokrat wie Jansen, sprach von Schweigegeld, mit dem die Mitwisserschaft der SPD-Spitze in der Barschel-Affäre verdeckt werden sollte.

Hätte Reiner Pfeiffer seiner Freundin Elfriede (Elfie) Jabs nicht den Laufpass gegeben, die deutsche Geschichte hätte vor 25 Jahren einen anderen Verlauf genommen – voller unerkannter Lügen. Die verschmähte Elfriede Jabs schwärzte Pfeiffer bei der Illustrierten „Stern“ an: Pfeiffer habe Geldpäckchen erhalten, heimlich. Auf einem Parkplatz nahe dem Volksparkstadion in Hamburg, während sie auf einem Rastplatz an der Autobahn zwischen Hamburg und Kiel warten musste. Wer der generöse Spender war, will sie nicht gewusst haben. Ein ehemaliger Leiter des Bremer Kriminalamtes, mit dem Elfriede Jabs ebenfalls über die Geldübergabe gesprochen hatte, informierte die Staatsanwaltschaft Kiel jedoch über einen „SPD-Fonds“. Und Freund Pfeiffer kannte den Überbringer – aus seiner Zeit in Kiel. Es war Klaus Nilius, ehemals Pressesprecher der SPD und nunmehr Referent des Ministerpräsidenten Björn Engholm.

Günther Jansen, von der bevorstehenden Veröffentlichung des „Stern“ wissend, sah sich zu einer Erklärung gezwungen: Nach der Barschel-Affäre habe Pfeiffer vor dem Nichts gestanden, keinen Job gefunden. Dabei habe Pfeiffer die Barscheleien aufgedeckt. So einem Mann müsse geholfen werden: „Wer diesen Mut hat, darf am Ende nicht ohne was dastehen.“ Schließlich verdankten die Sozialdemokraten und Björn Engholm Pfeiffers Schmutzarbeit im Auftrag Uwe Barschels die Übernahme der Landesregierung im Mai 1988. Damit wurde der vormalige SPD-Landesvorsitzende Jansen Sozialminister. Nun behauptete er, mit seiner Frau Spenden gesammelt zu haben. Das Geld sei in einer Küchenschublade gehortet und schließlich bei zwei Treffen Pfeiffer ausgehändigt worden. Wie hoch der Betrag war, gab Jansen an, wisse er nicht genau – vielleicht so 10000 oder 20000 D-Mark? Die Oberstaatsanwaltschaft Kiel hingegen hatte dem Justizministerium mitgeteilt, was durch Elfriede Jabs bekannt war: Es seien zweimal 25000 Mark gewesen. Eine Kopie dieses Schreibens war an die Staatskanzlei gegangen, die den Ministerpräsidenten Engholm informierte. Dann geschah wochenlang nichts. Später erklärte Engholm, er habe die Angelegenheit „nicht ernst genommen“. 

Nur in Bruchstücken kam die Wahrheit zu Tage. Dabei konnten peinliche Fragen nicht ausbleiben. Hatte die SPD Schweigegeld gezahlt? Oder gar eine Belohnung? Und wofür? Was wusste die SPD von Pfeiffers Machenschaften? Und seit wann wusste sie davon? Mehr und mehr rückte Björn Engholm, inzwischen als SPD-Kanzlerkandidat im Gespräch, ins Zwielicht. Der aber gab sich unschuldig, wollte nichts von den Spenden an Pfeiffer gewusst haben. 

Alte Gerüchte erhielten neue Nahrung. Hatte es nicht bereits Kontakte zwischen Pfeiffer und SPD-Nilius gegeben, und zwar bevor „Waterkantgate“ in der Öffentlichkeit Wellen schlug? Und war Engholm nicht damals schon eingeweiht? Er hatte bei einem ehemaligen Beamten der Lübecker Polizei Fragen gestellt, die sich erst erklären ließen, als die Barschel-Affäre aufgeflogen war.

Bereits vor Barschels Tod in der Badewanne eines Genfer Hotels hatte die Lübecker Staatsanwaltschaft 1987 in Pfeiffers Terminkalender das Kürzel „Nili“ gefunden und auf Nilius geschlossen. Der befragte Genosse räumte ein, sich viermal mit Pfeiffer getroffen und über dessen Aufträge gesprochen zu haben.

Als der „Spiegel“ sechs Tage vor der Landtagswahl im September 1987 über „Barschels schmutzige Tricks“ berichtet hatte, organisierte Nilius umgehend ein Treffen mit Pfeiffer, Landeschef Jansen und dem früheren Hamburger Bürgermeister Peter Schulz.

Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten traten die Flucht nach vorn an. Bei einer Pressekonferenz im Oktober 1987 bat Nilius „um Verzeihung“, weil er alle frühen Kontakte mit Pfeiffer abgestritten hatte. Landeschef Jansen musste eingestehen, dass er bereits vor der Veröffentlichung des „Spiegel“ informiert war. Ministerpräsident Engholm, der jegliche Information abgestritten hatte, war spätestens seit dem Wahlsonntag am 13. September von Nilius unterrichtet. Wie stets, fand Engholm wohl gesetzte Worte, als das Kartenhaus der Lügen zusammenbrach: Es sei „ein Stück sozialdemokratischer Glaubwürdigkeit in Frage gestellt“ worden.

Zugegeben wurde stets nur, was nach neuen Erkenntnissen unbedingt zugegeben werden musste. Erst ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sogenannte Schubladen-Ausschuss, rückte der Wahrheit ein wenig näher. Danach lagen der SPD-Führung in Kiel – und mit ihr auch Björn Engholm – lange vor der Landtagswahl Informationen über die Machenschaften Pfeiffers vor. Man hatte über Gegenaktionen beraten. Das aber war von Engholm und Nilius bereits im vorhergehenden Barschel-Untersuchungs-Ausschuss unter Eid bestritten worden. Nur weil die Falschaussage verjährt war, blieben beide straffrei. Klaus Nilius war bereits zuvor von Engholm verabschiedet worden. Am 23. März 1993 trat Sozialminister Günther Jansen zurück. Auch für Björn Engholm, den Hoffnungsträger der Partei, gab es kein Halten mehr. Er trat am 3. Mai 1993 als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zurück und verabschiedete sich gleichzeitig von allen Parteiämtern. Auch mit der Kanzlerkandidatur war Schluss. Die entlarvten Lügen zwangen zum Verlassen der politischen Bühne – mit gesicherten Pfründen, gegen die das Almosen für Pfeiffer ein Bettel war. Nilius war ab 1995 Pressesprecher der Fachhochschule Kiel, mit knapp 7800 Studenten (September 2016) die größte Fachhochschule und zweitgrößte Hochschule des Landes Schleswig-Holstein. 2007 ging er in den Ruhestand. Jansen wurde Vorsitzender des Übergangsvorstandes des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, wofür er 2004 von der damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis mit der Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet wurde. Engholm schließlich schloss 1994 einen Beratervertrag mit dem Energiekonzern Preussenelektra, der in Schleswig-Holstein an den Kernkraftwerken Brokdorf und Brunsbüttel beteiligt war, was selbst in seiner eigenen Partei für Empörung sorgte, da er sich als aktiver Politiker stets mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Kernkraft im Allgemeinen und den Kernkraftwerken Brokdorf und Brunsbüttel im Besonderen hervorgetan hatte.