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23.02.18 / Wie aus Kaiser Wilhelm Max Planck wurde / Vor 70 Jahren erhielten die Deutschen eine neue nationale »Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften« in Vereinsform

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Wie aus Kaiser Wilhelm Max Planck wurde
Vor 70 Jahren erhielten die Deutschen eine neue nationale »Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften« in Vereinsform
Wolfgang Kaufmann

Im Rahmen ihrer Politik der Reeducation, die auf eine grundlegende Umerziehung aller Deutschen abzielte, strebten die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg auch die komplette Neugestaltung der Forschungslandschaft des besiegten Deutschlands an. Hierzu gehörte nicht zuletzt die Zerschlagung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG). Diese war am 11. Januar 1911 gegründet worden und sollte vor allem den Naturwissenschaften zum Aufschwung verhelfen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Das gelang ihr auch ausnehmend gut. So brachte sie bis 1945 immerhin 15 Nobelpreisträger hervor, darunter Albert Einstein und Werner Heisenberg.

Allerdings kam es dann während des Zweiten Weltkrieges zu einem massiven Niedergang. Beispielsweise gingen die Kaiser-Wilhelm-Institute im Osten durch den Vormarsch der Roten Armee verloren; darüber hinaus mussten viele Forschungsstätten wegen des alliierten Bombenterrors umziehen, was ihre Arbeit in wachsendem Maße lähmte. Außerdem waren da noch die fatalen Verstrickungen mit dem NS-System, wobei die KWG aber weder Menschenversuche unternahm noch verbotene Kampfstoffe entwickelte. Deshalb wollten die Briten im Gegensatz zu den US-Amerikanern und dem Alliierten Kontrollrat auch keine völlige Vernichtung der KWG, sondern strebten deren Fortbestehen unter einem unverfänglicheren Namen an – wobei jedoch nur noch Grundlagenforschung erlaubt sein sollte.

Was London hierzu trieb, war der Wunsch, befähigte deutsche Wissenschaftler in der britischen Besatzungszone zu halten und die massenhaften Abwanderung von Geistesgrößen in die USA zu stoppen. Dabei setzten die Briten vor allem auf zwei Persönlichkeiten: den Entdecker der Kernspaltung, Otto Hahn, und den inzwischen bereits 87-jährigen Begründer der Quantenphysik und Nobelpreisträger des Jahres 1918, Max Planck. Letzterer hatte bis 1936 als Präsident der KWG fungiert und war dann von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt worden.

Um sich der Mitwirkung 

Plancks zu versichern, beschloss der Chemiker und Oberst Bertie Kennedy Blount, der für die Forschungspolitik in der britischen Zone verantwortlich zeichnete, den greisen Physiker am 16. Mai 1945 in einer Blitzaktion per Jeep aus Rogätz bei Magdeburg nach Göttingen zu holen. Am Steuer des Fahrzeugs saß der aus den Niederlanden stammende Astronom Gerard Peter Kuiper. Zwei Monate später, am 24. Juli, erklärte sich Planck bereit, sowohl den kommissarischen Vorsitz über die KWG zu übernehmen als auch seinen Namen für eine noch zu gründende Nachfolgeorganisation herzugeben. 

Am 10. September 1947 wurde der redegewandte Hahn, der inzwischen ebenfalls den Nobelpreis erhalten und am 1. April 1946 auf Plancks Wunsch hin die Präsidentschaft über die KWG übernommen hatte, beim Militärgouverneur der US-amerikanischen Besatzungszone, Lucius D. Clay, vorstellig. Es entspann sich eine äußerst hitzige Debatte, in der Hahn den General davon zu überzeugen vermochte, dass die KWG keine Stütze des NS-Systems gewesen sei und deshalb problemlos im neuen Gewande einer Max-Planck-Gesellschaft (MPG) weiterexistieren könne. Hahn profitierte hier von einer grundsätzlichen Wandlung der Einstellung der US-Amerikaner gegenüber der KWG. Während sie im Sommer 1946 noch unbedingt zu deren Auflösung hatten schreiten wollen, was letztlich nur an einem subalternen sowjetischen Vertreter im Alliierten Kontrollrat gescheitert war, der gegen die Verwendung des Begriffs „Emperor William Society“ Einspruch erhoben hatte, änderten sie ihre Haltung mit Beginn des Kalten Krieges im März 1947. Vor diesem Hintergrund konnte nun Hahn eine Kampagne zugunsten des Fortlebens der KWG als Max-Planck-Gesellschaft starten, in deren Verlauf sich alle lebenden deutschen Nobelpreisträger zu Wort meldeten.

Nachdem Max Planck am 4. Oktober 1947 an den Folgen eines Sturzes und mehrerer Schlaganfälle gestorben war, wurde am 26. Februar des Folgejahres im Kameradschaftshaus der Aerodynamischen Versuchsanstalt der KWG in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gegründet. Zu der bis heute fortexistierenden Gesellschaft, deren erster Präsident Otto Hahn wurde, gehörten anfänglich 29 frühere Kaiser-Wilhelm-Institute, an denen eine Vielzahl renommierter Wissenschaftler arbeitete. Allerdings gelang es nur begrenzt, an die Hochzeiten der KWG anzuknüpfen. Zu viele vormalige KWG-Wissenschaftler zogen es vor, in der Emigration zu bleiben. Zu nennen wären hier beispielsweise Albert Einstein oder weitere Nobelpreisträger wie James Franck und Otto Meyerhof.

Zu den 29 Instituten in der Bizone kamen nach der Gründung der Bundesrepublik die fünf Forschungseinrichtungen in der französischen Besatzungszone sowie ab 1953 die zwei in Westberlin verbliebenen Institute der KWG noch hinzu. Damit war die KWG nun organisatorisch obsolet geworden. Ihre nahezu geräuschlose Selbstauflösung erfolgte zum 21. Juni 1960.

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erhöhte sich die Zahl der MPG-Forschungsstätten deutlich. Mittlerweile hat die Gesellschaft 84 von ihnen in ganz Deutschland. Alle diese Institute und Einrichtungen betreiben nach wie vor Grundlagenforschung. Das ist im Sinne des Leitbildes, das Max Planck einstmals schon für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft formuliert hatte, dass dem Anwenden das Erkennen vorausgehen müsse. Es entspricht aber auch dem Interesse der Westmächte, dass der deutsche Staat lieber der internationalen Gemeinschaft, der Menschheit dienende Grundlagenforschung fördern möge als die Entwicklung konkreter moderner Produkte, die den eigenen möglicherweise auf den Weltmärkten Konkurrenz machen könnten.