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23.02.18 / Staatliche Willkür auch bei der Zuwanderung / Im Zentrum der DDR-Einwanderungspolitik gegenüber Ausländern wie Russlanddeutschen stand allein der »staatliche Nutzen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Staatliche Willkür auch bei der Zuwanderung
Im Zentrum der DDR-Einwanderungspolitik gegenüber Ausländern wie Russlanddeutschen stand allein der »staatliche Nutzen«

Der SED-Staat war eine geschlossene Gesellschaft im Sinne von Karl Popper. Jedes Denken und Handeln hatte sich der vorgeschriebenen Ideologie zu unterwerfen. Fremden Einflüssen, insbesondere aus dem Ausland, stand dieser Staat ausgesprochen argwöhnisch gegenüber. Das zeigt sich heute in den einstmals geheim gehaltenen Akten zur Aufnahme von Ausländern in der DDR. 

Einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Asyl gab es nicht und Innenminister Friedrich Dickel regelte am 20. Dezember 1976 in einer „Vertraulichen Verschlußsache I 020 801“: „Der Aufenthalt aus anderen politischen Gründen kann Personen gewährt werden, bei denen keine Asylgründe vorliegen, jedoch der Aufenthalt in der DDR wegen ihres Eintretens für den gesellschaftlichen Fortschritt erforderlich wird bzw. aus anderen politischen Gründen, die im staatlichen oder gesellschaftlichen Interesse der DDR oder anderer sozialistischer Staaten liegen.“

Jeder international gesuchte Terrorist konnte in der DDR Unterschlupf finden, wenn die SED-Funktionäre der Meinung waren, dass der „gesellschaftliche Fortschritt“ die kriminellen Machenschaften rechtfertigte. Die Aufnahmeentscheidungen waren absolut willkürlich und im Zentrum der Entscheidungen stand allein der „staatliche Nutzen“.

Was damals verschwiegen wurde, auch die Aufnahme von angeblich brüderlich verbündeten Sowjetbürgern deutscher Abstammung wurde von diesem Denken bestimmt. Russlanddeutsche in der DDR wurden gründlich überwacht, insbesondere, wenn weitere Familienangehörige aus der UdSSR nachreisen wollten. So berichtete beispielsweise der Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei am 29. Juli 1986 zu Rosalia K.:

„Es bestehen normale Familienverhältnisse. Die K. fügt sich in die Hausgemeinschaft ein. Es kommt nicht zu negativen Lebens- und Verhaltensweisen. Die Hauspflichten werden ordentlich erledigt. Es kommt nicht zu negativen Äußerungen oder Handlungen. Es bestehen beständige und auch aktive Verbindungen zu anderen übergesiedelten UdSSR-Bürgern. Es bestehen ebenfalls beständige und aktive Verbindungen nach der BRD einschließlich von Reisen. Gesellschaftliche Arbeit im Wohnbereich besteht nicht.“ (BArch DO 1 9.0/52024)

Am 9. September 1986 berichtete ein Volkspolizist aus Karl-Marx-Stadt ähnlich gründlich zu einer Familie, die bereits vor eineinhalb Jahren in die DDR übergesiedelt war: 

„Die Familie bewohnt seit Februar 1985 in o. g. Hausgrundstück eine 2 ½ Zimmer Neubauwohnung in Erstbezug. Im Haus besitzt die Familie einen guten Leumund, sie werden von den Mitbewohnern als freundlich und hilfsbereit bezeichnet. Die Familie K. gilt im Haus als aufgeschlossen und pflegen einen guten Kontakt zu den anderen Bewohnern. An den Maßnahmen der Hausgemeinschaft nimmt die Familie teil, an gelegentlichen Arbeitseinsätzen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, da der Herr K. behindert ist und sehr schlecht laufen kann. Er ist im Haus bekannt als handwerklich begabt, vor allem bei Tischlerarbeiten und hat schon einigen Mitbewohnern dahingehend geholfen. Die Wohnung der K. soll gut und modern eingerichtet sein und durch die handwerklichen Fähigkeiten des K. sehr schön gestaltet. Von den Hausbewohnern wird eingeschätzt dass sich die Familie K. in der DDR wohl fühlt und auch weiterhin hier leben möchte. Alle Familienmitglieder sprechen sehr gut deutsch. Der noch im Haushalt lebende Sohn Alexander wird von den Hausbewohnern als sehr häuslich bezeichnet. Er geht kaum aus dem Haus und pflegt auch keine Freundschaften im Wohngebiet. Er kümmert sich sehr viel um seine Eltern. Alle Familienangehörigen gehen geregelt ihrer Arbeit nach, der Herr K. nur noch ein paar Stunden täglich auf Grund seiner Invalidität. Die Familie K. pflegt brieflichen Kontakt in die BRD zu ehemaligen UdSSR-Bürgern“ (BArch DO 1 9.0/52024).

Den DDR-Bürgern wurde mit den heimlichen Befragungen durch die Polizei eine Beurteilungskompetenz über aus dem Ausland Zugereiste suggeriert, die es juristisch gar nicht gab und die den offiziellen Verlautbarungen von der angeblich brüderlichen Verbundenheit mit der Sowjet­union völlig entgegenstand. Boshaftigkeit oder Wohlwollen hingen von subjektiven Eindrücken der befragten Hausgemeinschaft ab und diese Meinungsäußerungen hatten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Aufenthaltsstatus und für eine Zuzugsgenehmigung von Angehörigen. 

Die Entscheidungen wurden willkürlich getroffen, mussten nicht begründet werden und waren auch nicht juristisch nachprüfbar. Dieser Umgang vermittelte den DDR-Bürgern eine gewollte Überheblichkeit gegenüber jeglicher Fremdheit.H.B.