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23.02.18 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

Du sollst nicht mehr allein sein – das war der Grundgedanke für unsere „Ostpreußische Familie“, die im Jahr 1972 der damalige Chefredakteur Hugo Wellems mit seinem Kollegenteam ins Leben rief. Gedacht war diese Aktion vor allem für ältere und einsame Landsleute, die fern der Heimat keinen Anschluss gefunden hatten und oft ein menschenunwürdiges Dasein fristeten. Ihnen wollte man helfen, sie sollten über das Ostpreußenblatt mit anderen Schicksalsgefährten Verbindung aufnehmen können – was auch gelang und noch heute eines der Hauptanliegen unserer Ostpreußischen Familie ist. Die somit ihre Langlebigkeit beweist, denn inzwischen sind 45 Jahre vergangen und sie ist noch keineswegs müde wie die vielen Zuschriften beweisen, die wir in letzter Zeit gerade aus dem Kreis der nachfolgenden Generationen erhalten haben, die ihre Wurzeln suchen, weil ihre Angehörigen der Erlebnisgeneration nicht mehr leben. Das hat mir gerade wieder eine Leserin aus Köln bewiesen, die mich schon mehrmals in Hamburg aufgesucht hat, um etwas über die Heimat ihrer verstorbenen und leider sehr verschwiegen gewesenen Mutter zu erfahren.

Doch das ist nicht der eigentliche Grund, warum ich das Losungswort der Ostpreußischen Familie an den Anfang der heutigen Kolumne setze. Da erhielten wir eine interessante Zuschrift von Herrn Klaus-Arno Lemke, Kreisgemeinschaft Labiau, der auf seinen vielen Heimatfahrten immer wieder Relikte aus der alten Zeit entdeckt und einige sogar im Stammhaus der Familie, dem Gut Reikeningken im Kreis Labiau. Bei der Dachsanierung fand sein Vater Klaus Lemke alte Zeitungen die wohl als Dämmmaterial verwendet wurden. Sie stammen aus dem Jahr 1930 und sind durchaus noch leserlich, wie eine von Herrn Lemke uns übersandte Kopie beweist. Das Blatt stammt aus einer Ausgabe der Zeitung „Königsberger Tageblatt“ vom 21. März 1930 und enthält das Königsberger Rundfunk-Programm vom 28. März, das aufschlussreiche Einblicke in das Königsberger Musikleben gewährt, das den Hauptteil der Sendungen ausmachte. Und von hoher Qualität war wie eine Übertragung von einem Sinfoniekonzert aus der Stadthalle beweist, auf dem der berühmte Hermann Scherchen Werke von Brahms und Bruckner dirigierte. Das Programm wäre allein wert, ihm eine ganze Kolumne zu widmen, aber mich nahm etwas anderes gefangen: Es war das Bild einer älteren Frau, das unter der Überschrift „75 Jahre Freud und Leid – Geburtstag einer einsamen Witwe“ veröffentlicht wurde und zu dem wohl unser Familien-Motto passen würde, wenn das Foto nicht die Jahreszahl 1930 träge. Aus ihrer Kurz-Vita geht hervor, dass die Witwe Therese May aus der Dammgasse 5 in Königsberg im Hinterhaus ein bescheidenes Leben führte. Nach einem Arbeitsleben als Verkäuferin und zwei Ehen lebte sie nun alleine, da sie weder Geschwister noch Kinder hatte. Ihre geringe Invalidenrente langte trotz eines kleinen Beitrages von der „Wohlfahrt“ nicht zum Leben, sodass sie sich noch einen Zuschuss durch Wäscheausbessern verdienen musste. Ihr 75jähriger Geburtstag war es dem „Königsberger Tageblatt“ wert, seine Leser auf dieses karge Leben aufmerksam zu machen. Wie gesagt: Man schrieb das Jahr 1930!

Aber jetzt schreiben wir das Jahr 2018 und müssen uns mit aktuellen Fragen befassen, das Wort des dänischen Philosophen Kierkegaard hat mehr denn je für uns Gültigkeit: „Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden!“ Und so sieht es auch Herr Lothar Frey aus Neu-Ulm, der uns ein Anliegen vorträgt, das uns bisher in dieser Form noch nie übermittelt wurde. Es handelt sich um weit mehr als eine Suchfrage nach einem Grundstück im nördlichen Masuren, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, nämlich um eine geplante Begegnungsstätte für Deutsche und Polen im geteilten Ostpreußen auf privater Ebene. „Was wir bereits im Kleinen erreicht haben, wollen wir nun im Größeren verwirklichen“, so führt Herr Frey sein Schreiben ein, in dem er ausführlich von seinen Überlegungen und schon anvisierten konkreten Plänen berichtet. Das „wir“ hat seine Berechtigung, denn was Lothar Frey bisher im eigenen Leben an Positiven erfahren hat und nun die Basis für sein Vorhaben bildet, teilt er mit seiner Ehefrau Sylwia, die für ihn die ideale Partnerin ist. Die in Breslau geborene Polin unterstützt voll und ganz sein Vorhaben, das auf vielen Reisen durch das ehemalige Ostpreußen im gemeinsamen Gedankenaustausch entstand und immer mehr gefestigt wurde. Als Psychologin kann Sylwia Frey ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen, was für zwischenmenschliche Begegnungen aus unterschiedlichen Lebenskreisen wichtig ist. Lothar Frey, Angestellter im gehobenen öffentlichen Dienst, sieht in der Verwirklichung seines Vorhabens eine selbst gestellte Aufgabe, die das weitere Leben des 48jährigen bestimmen wird. Sein Plan von einer gemeinsamen Haupttätigkeit mit Sylwia im alten Ostpreußen wird nicht nur von ideellen Vorstellungen geprägt sondern umfasst auch ganz reale Voraussetzungen, wie er in seinem Schreiben ausführt:

„Wir sind auf der Suche nach einem landwirtschaftlichen Wohngebäude im typischen masurischen Stil. Es sollte Nebengebäude haben und ein Grundstück von einigen Hektar. Die Lage an einem See oder Teich wäre natürlich ideal. Zurzeit konzentrieren wir uns auf den nordöstlichen Teil der polnischen Seite. Wir haben uns für diese Gegend entschieden, da sie noch recht arm ist. Wir würden einige Arbeitsplätze schaffen, uns aber auch sozial engagieren. Aus dem Wohnhaus, das auch in der Einrichtung einen Teil der dortigen Vergangenheit widerspiegeln soll, planen wir einen Treffpunkt der Nationalitäten, hauptsächlich deutsch und polnisch, zu machen. Es sollen etwa fünf Gästezimmer in diesem Stil entstehen, und wir werden aktiv nur in Deutschland und Polen bemüht sein. Von der Größe her muss es auf den Personenkreis zugeschnitten sein, sodass alle Anwesenden die Möglichkeit haben, miteinander in Kontakt zu kommen. Uns ist bewusst, dass wir als Bindeglied hier unsere Haupttätigkeit haben werden. Die Größe des Grundstücks ist bedingt durch unseren Wunsch, möglichst viele Lebensmittel selbst zu erzeugen. Hierzu gehören nicht nur der Obst- und Gemüseanbau, auch zwei Milchkühe, Schweine, Hühner und Bienenvölker sollen einziehen, um uns mit ihren Produkten zu versorgen. Auf diesem Gebiet bereiten wir uns schon zielorientiert fort.“

Sylwia und Lothar Frey haben bereits ein Grundstück im Visier, das ihren Vorstellungen entsprechen könnte. Es liegt in dem von ihnen bevorzugten nördlichen Teil Masurens, in Leknica, ehemals Löknick, und gehört zur Gemeinde Drengfurth (gmina Srokowo) im Kreis Rastenburg. Das große Grundstück mit dem ehemaligen Verwalterhaus und Nebengebäuden steht zum Verkauf, der Erwerb kann sich aufgrund der jeweiligen Klassifizierung eventuell verzögern. Erst vor drei Wochen haben sich die Freys in Polen notariell beraten lassen und es bestehen aufgrund ihres Konzepts gute Chancen, das Grundstück zu erwerben. Ach ja, einen Namen hat das geplante Projekt auch schon: „Rumiankowo“, was so viel bedeutet wie „der Ort, wo die Kamille blüht“. Die Kamille stehe für Hoffnung, Trost und Milde, meint Lothar Frey, und sie wächst dort heute wie einst, als sie zu jedem ostpreußischen Bauerngarten gehörte.

So sieht das Projekt aus, mit dem das Ehepaar Frey sein Leben vollkommen verändern will. Dass es dazu Information und Unterstützung in jeder Hinsicht benötigt, liegt auf der Hand. Über unsere Ostpreußische Familie spricht Herr Frey Landsleute an, mit denen er Verbindung aufnehmen kann. Wir geben gerne seine Adresse weiter. (Lothar Frey, Eschachweg 7 in 89233 Neu-Ulm, Telefon: O7307-9540397, Fax: 07307-9544632, E-Mail: Lothar.Frey@email.de / Willkommen@Rumiankowo.net)

Bleiben wir im heutigen Polen. Es ist ja sehr nett, wenn man als „lebendes Ostpreußisches Lexikon“ bezeichnet wird, aber die Erwartungen gehen doch oft über meine Möglichkeiten, vor allem wenn es sich um ehemalige Anschriften aus den Vertreibungsgebieten handelt – ein „lebendes Adressbuch“ bin ich leider auch nicht. Nun fragt Herr Hermann Schwarzenberg, ob mir ein Franz Grabert aus Zoppot bekannt sei, der mit seiner Familie mindestens bis zur Flucht im Grenzlauer Weg 14a gelebt hat. Da ich nie in Zoppot war und auch sonst keinerlei Verbindung zu der genannten Familie hatte, kann ich diese Frage nicht beantworten und muss sie an unsere Leserinnen und Leser weitergeben, vor allem an die ehemaligen Zoppoter. Der Grund für diese Suchfrage von Herrn Schwarzenberg: Seine Mutter und weitere Angehörige der Familie waren auf der Flucht aus Ostpreußen bei dem Ehepaar Grabert untergebracht. Zwar beschränkte sich dieser Aufenthalt nur auf die Zeit zwischen dem 14.02.1945 und dem 24.03.1945, aber sie genügt, um für die dorthin Geflüchteten unvergessen zu bleiben, wie jetzt die Suchfrage beweist. Herr Schwarzenberg möchte nämlich herausfinden, was aus Franz Grabert und seiner Familie geworden ist. Seines Wissens nach hatte das Ehepaar drei Kinder: Edeltraut *13.03.32, Karl-Heinz *22.03.34 und Willi, von dem kein Geburtsdatum angegeben ist. Das Haus, in dem die Familie Grabert damals wohnte, wird wohl heute noch stehen, wie Herr Schwarzenberg herausgefunden hat: Es dürfte wohl das Gebäude sein, das heute unter der Adresse „14 Nikolaja Reja, Sopot“ über Google Maps zu finden ist. Vielleicht können hier alte Zoppoter Gewissheit verschaffen, Herr Schwarzenberg wäre sehr froh über jede Auskunft. (E-Mail: hermannschwarzenberg@mail.com)

Eure Ruth Geede