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23.02.18 / »Rettungsboot für den deutschen Generalstab« – Die Organisation Gehlen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

»Rettungsboot für den deutschen Generalstab« – Die Organisation Gehlen
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Das Buch „Die Organisation Gehlen und die Neuformierung des Militärs in der Bundesrepublik“ von Agilolf Keßelring legt erstmals die Rolle dar, die ehemalige Offiziere nach 1945 im Rahmen der Organisation Gehlen (Org) spielten, und enthüllt damit eine der geheimsten Operationen in der Frühgeschichte der Bundesrepublik. 

Der damalige CIA-Beauftragte für Deutschland sagte später ganz offen, Gehlen sei „das Rettungsboot für den untergegangenen deutschen Generalstab“ gewesen. Diesem gehörten Offiziere der Abwehr an, der „Fremde Heere Ost“ (Aufklärung gegen Sowjetrussland unter Gehlens Führung) sowie die Oberkommandos der drei Wehrmachtsteile, die teilweise im Nürnberger Prozess als „verbrecherische Organisation“ angeklagt waren. Der Generalstab war nach Kriegsende stark gespalten, man­che waren anti-westlich, andere neutral, einige Offiziere sogar pro-östlich eingestellt. Die Verwendung von NS-Belasteten stellte für Gehlen ein Sicherheitsrisiko dar gegenüber Anwerbungen seitens der DDR-Stasi. Dass hohe SS-Führer während des Zweiten Weltkrieges für den KGB spionierten, erfährt der erstaunte Leser am Rande. 

Anfangs bearbeitete dieser Wehrmachtskreis um die Org militärisch-historische Projekte. Ab Herbst 1947 ließ ihre gezielte Anwerbung von Generalstabsoffizieren auf einen veränderten Auftrag Gehlens schließen. Neben der Feindaufklärung und entsprechenden Analysen erfolgte nunmehr ebenfalls die Konzeptionierung zukünftiger deutscher Streitkräfte. Offiziere, die am Attentat vom 

20. Juli 1944 beteiligt waren, wurden mehr und mehr verdrängt, entscheidend war jetzt die fachlich- militärische Eignung. Gehlen selber favorisierte Vertreter des Generalstabs. Namen wie Speidel und Heusinger traten in den Vordergrund. Hatte man in Pullach anfangs an ein europäisches Militärbündnis gedacht, wurde bald die Einbindung in das atlantische Bündnis als wichtiger erachtet. 

Vor einer engeren Zusammenarbeit mit den USA zögerten indes manche hohe Wehrmachtsoffiziere. Es war ein Dilemma zwischen der Besatzungsmacht und einer ausführenden Organisation, die aus Besiegten und von den Siegern verfemten ehemaligen Soldaten des besetzten Landes bestand. 

1949 übernahm die CIA die Betreuung der Org, die neben der rein militärischen Aufklärung des  Sowjetblocks dortige psychologi­sche Veränderungen beobachten sollte sowie wirtschaftliche Indikatoren für Kriegsvorbereitungen und subversives Verhalten (als Anzeichen von Vorbereitungen auf eine kommunistische Machtübernahme). 

Washington wiederum hatte zu berücksichtigen, dass eine wirksame Verteidigung Westeuropas angesichts der konventionellen militärischen Überlegenheit der UdSSR ohne westdeutsches Potenzial unreali­stisch war: Der Koreakrieg beschleunigte die Entwick-lung. Heusinger schlug in diesem Zusammenhang vor: Die Aufklärung, die westdeutsche Bevölkerung von der Notwendigkeit einer Verteidigung zu überzeugen, den gefährlichen Pazifismus zu bekämpfen sowie die Diffamierung des deutschen Soldaten in der öffentlichen Meinung des Auslandes zu beenden. 

Die einstigen Wehrmachtsoffiziere waren der Meinung, sie hätten im Zweiten Weltkrieg ehrenhaft gekämpft. Sie wollten jetzt keine  „Landsknechte der USA“ sein.  Auch müsse klargestellt werden, dass nicht Deutschland es war, das den Anlass zu seiner jetzigen Bewaffnung gab: „Wir wollen nicht noch einmal den Vorwurf des deutschen Militarismus erleben!“ 

Adenauer drängte, die Offiziere sollten sich von den NS-Verbrechen distanzieren und sich zur Bundesrepublik bekennen. Die Ehrenerklärung des US-Generals Eisenhower für die deutschen Soldaten war eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Wiederbewaffnung. Es bedeutete aber nicht eine militärische Gleichberechtigung auf Augenhöhe mit den US-Streitkräften – was viele Deutsche glaubten. 

Die Bundesrepublik Deutschland war kein souveränes Land damals: In Friedenszeiten war Gehlen Bundeskanzler Adenauer unterstellt, im Kriege indes der CIA

.Agilolf Keßelring: „Die Organisation Gehlen und die Neuformierung des Militärs in der Bundesrepublik“, Ch. Links-Verlag, Berlin 2017, gebunden, 512 Seiten, 50 Euro