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23.02.18 / Der satirische Wochenrückblick mit K. J. Groth / »Ein deutscher Patriot« / Warum nicht alles Satire ist, was so aussieht, wie man Rohrkrepierer baut, und warum freie Bahn der Freifahrt die Statistik verbessert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-18 vom 23. Februar 2018

Der satirische Wochenrückblick mit K. J. Groth
»Ein deutscher Patriot« / Warum nicht alles Satire ist, was so aussieht, wie man Rohrkrepierer baut, und warum freie Bahn der Freifahrt die Statistik verbessert

Welch goldige Woche. Medaillen am laufendenden Band bei den Olympischen Winterspielen. Das lenkt prima vom Trauerspiel im politischen Jammertal ab. Und dann gab es noch einen oben drauf: #Free Deniz! Welche Freude, welcher Jubel. Wer beeilte sich da nicht alles, die Befreiung aus türkischem Kerker als sein Werk zu reklamieren. Allen voran Außenminister Sigmar Gabriel. Der meldete sich als erster Nothelfer für den Journalisten mit dem deutschen und dem türkischen Pass. Deniz Yücel ist für Gabriel „ein deutscher Patriot“. Dass der Gabriel überhaupt so etwas kennt. Einen deutschen Patrioten! Doch keine Sorge: Gabriel ist zwar für jede Überraschung gut, aber so abartig denkt er denn doch nicht. Die vollständige Beurteilung lautet „ein deutscher Patriot mit türkischen Wurzeln“. Das macht die Sache verständlicher, in Gabriels Sinne.

Denn Yücel, so Gabriel in einem Gespräch mit dem ZDF, gehört zu einer Generation von Kindern von „Arbeitsemigranten“ (man beachte die Wortschöpfung), die „mit dem Heimatland eng verbunden sind“. Mit welchem? Deutschland? Türkei? Bisher wohl eher mit der Türkei, das könnte sich allerdings während der einjährigen Freiheitsberaubung geändert haben. Aber enge Verbundenheit mit Deutschland? Als er noch nicht für die „Welt“ schrieb, sondern über viele Jahre für die „taz“, da machte sich Yücel so seine Gedanken über Deutschland. Unter der Überschrift „Super, Deutschland schafft sich ab!“ freute er sich über die sinkende Zahl der Geburten. Denn: „Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Eine Nation, deren größter Beitrag zur Zivilisationsgeschichte der Menschheit darin besteht, dem absolut Bösen Namen und Gesicht verliehen, … den Krieg zum Vollstrecker der Menschlichkeit gemacht zu haben; eine Nation, die seit jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewiger schlechter Laune auffällt; eine Nation, die Dutzende Ausdrücke für das Wort ,meckern‘ kennt, … diese freudlose Nation also kann gerne dahinscheiden … Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal.“ Noch Fragen? Es ist eben die Sicht eines „deutschen Patrioten“. Klar, es war als Satire gemeint. Selbstverständlich. Was denn sonst? Leider hat das nicht jeder so verstanden.

Satirische Rohrkrepierer sind nicht selten. Ob sie erkannt werden, das hängt jedoch vom Verursacher ab. Der Vorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, drosch auf die Türkische Gemeinde in Deutschland ein. Das muss hier nicht erneut zitiert werden, es wurde oft genug wiederholt. Mit anschwellender Empörung. Bis zum Siedepunkt vergingen keine 24 Stunden. 

Der Bedeutung des Mannes aus Sachsen-Anhalt entsprechend, erhielt er von allerhöchster Stelle einen bundespräsidentialen Anschiss. Selbstverständlich aus staatstragender Besorgnis. Das hatte gar nichts mit den jämmerlichen 16 Prozent der Wählerstimmen zu tun, auf die die SPD gerade geschrumpft ist. Der Bundesvorstand der AfD rang sich zu einer weichen Abmahnung durch. 

Klar, Poggenburg hat sich im Regal vergriffen, als er seine Verbal-Attacke munitionierte. Allerdings wäre noch zu klären, warum in „dieser freudlosen Nation“ der „Kümmelhändler“ eine kaum zu übertreffende Entgleisung und der „Ziegenficker“ (ZDF-“Komiker Jan Böhmermann) reinste Lyrik ist. Trotzdem, etwas weniger Dum-Dum-Geschoss wäre wirkungsvoller gewesen. Zu spät. Ausgerechnet ein arabisches Sprichwort, das auf Ali ibn Abi Talib, den Schwiegersohn Mohammeds zurückgeführt wird, muss sich André Poggenburg nun hinter den Spiegel stecken: „Ein Wort ist wie ein Pfeil, der, einmal von der Sehne geschnellt, nicht zurückgehalten werden kann.“ 

Nun bekommt der Mann aus Sachsen-Anhalt Dresche für seinen polemischen Ausfall, der allerdings einen nicht weniger unerhörten Anlass hatte. Der Sprecher der Türkischen Gemeinde hatte befunden, aufgrund der „deutschen Vergangenheit“ werde mit einem Heimatministerium unter Horst Seehofer „der falsche Akzent zur falschen Zeit“ gesetzt. So weit, so anmaßend. Irgendwie erinnert der Verweis auf die deutsche Vergangenheit an das Bild, das Yücel von Deutschland hat. Mit solchen Bildern findet niemand Heimat. Vermutlich ist das auch nicht gewollt.

Diese Woche gab es auch sonst reichlich Satire. Schließlich war politischer Aschermittwoch. Leider ist das mit der Satire meist nicht lustig, weil zu viele Dilettanten in die Bütt steigen. Das Affentheater (darf man das überhaupt sagen? Diskriminiert das nicht den Anthropoidea?) nach Terminkalender überfordert viele. Bleich grübelnd kauen sie an dem Problem: Was sage ich? Ist das auch korrekt? Wann kommt der Tusch? Das mit dem Tusch ist nicht so sicher. Olaf Scholz und die Pointe? Olaf Scholz ist schon die Pointe. Mehr lustig kann er nicht. Aber wenn es aus Spaß an der Freud’ mangelt, ist der Norddeutsche Scholz nicht allein. Selbst der Markus Söder lieferte nicht. Dabei röhren bei der CSU die Platzhirsche des politischen Gaudis zum Ende des Faschings. Höhepunkt des Frohsinns war Söders Feststellung, Deutschland sei „das einzige Land auf der Welt, in das man ohne Pass hinein-, aber nicht wieder herauskommt“. Dreifacher Tusch! Auch bei anderen Aschermittwoch-Reden konnte man die Pointen suchen wie die Rosine im Mohnbrötchen, wo sie nur aus Versehen zu finden ist. Überwiegend erwiesen sich die Reden wie der gewohnte Quark, nur etwas heftiger gerührt. 

Es ist nicht alles Satire, was danach aussieht. Im vorliegenden Fall lässt sich das leicht an den Namen der Beteiligten erkennen: Barbara Hendricks, Christian Schmidt und Peter Altmaier. Durch besonderen Humor ist keiner (öffentlich) aufgefallen. Allenfalls Altmaier hier, Altmaier dort, Altmaier überall. Den hat man auch schon mit großer, bunter Fliege bei der Karnevalssitzung in Mainz gesehen. Aber ehrlich, der Besuch einer Karnevalssitzung zeugt noch nicht von Humor. Aber vom Chef des Kanzleramtes, dem Altmaier hier, Altmaier dort und überall, einmal abgesehen, gibt es bei Umweltministerin Hendricks was zu lachen? Oder bei Verkehrsminister Schmidt? Sollte das der Fall sein, haben sie es bisher geschickt verborgen. Aber es war ja auch nicht als Satire gedacht, was das traute Dreigestirn nach Brüssel meldete: Deutschland werde einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) testen, um die Luft in deutschen Städten zu reinigen. Nur mal so. Damit der Herr Kommissar in Brüssel nicht länger böse ist und mit einer Strafe droht. 

Es war wie ein Gruß aus dem Kinderzimmer. Wenn die gestrengen Eltern mal vergessen, dass sie eigentlich antiautoritär erziehen wollen und leicht knurren, dann wird in Eile ein Bildchen gemalt, so mit Blümchen und Herzchen drauf und mit einem kleinen Spruch, der so oder so immer wirkt: Der größte Schatz der Welt ist mein, das bist du, lieb Kommissarilein! Bestimmt wird der EU-Kommissar da milde lächeln: So, so, die lieben Kleinen. Und sieh an, so friedlich sind sie, die von der CDU, von der CSU, von der SPD. Wir aber fragen uns, sind das die Reste der abgewirtschafteten Groko oder ist das schon die neue? Erhebt da die wiedergeborene Groko ihr grusliges Haupt? Die hat jetzt schon mehr Ausgaben beschlossen, als sie bezahlen kann. Wenn es so sein sollte, kommt es auf ein bisschen Nulltarif im ÖPNV wohl auch nicht mehr an. Also freie Bahn der Freifahrt. Das hat übrigens einen tollen Nebeneffekt. Die Zahl der Schwarzfahrer wird gegen Null gehen, und das entlastet die Kriminalitätsstatik ganz enorm. Sehen Sie, so sehen politische Erfolge aus!



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