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02.03.18 / Jesus, der Modellathlet / Antike Statuen als Inspiration – Rubens-Schau im Frankfurter Städel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-18 vom 02. März 2018

Jesus, der Modellathlet
Antike Statuen als Inspiration – Rubens-Schau im Frankfurter Städel
Veit-Mario Thiede

Nein, ist denn das die Möglichkeit? Peter Paul Rubens (1577–1640) verlieh im Gemälde „Ecce Homo“ (um 1612) Christus den athletischen Oberkörper eines Kentauren. Das veranschaulicht uns die Gegenüberstellung des Gemäldes mit dem Gipsabguss der antiken Skulpturengruppe des Liebesgottes Cupido, der einen Kentauren zähmt. Die überraschenden Mo­tivverwandlungen des berühmten Antwerpener Barockmalers stehen erstmals im Blickpunkt einer Ausstellung. 

Das Frankfurter Städel Museum präsentiert noch bis zum 21. Mai mit „Rubens – Kraft der Verwandlung“ 54 Gemälde und Zeichnungen des flämischen Malers. Ihnen sind ebenso viele Bilder berühmter Vorgänger und Zeitgenossen sowie Gipsabgüsse antiker Skulpturen gegenübergestellt, deren Figuren oder Kompositionen Rubens seinen künstlerischen Absichten anverwandelt hat.

Während seines Aufenthaltes in Italien 1600 bis 1608 hielt Rubens in zahlreichen Zeichnungen antike Skulpturen fest, um sich ihre durch Haltungen und Gesten vermittelten menschlichen Gefühle und Leidenschaften künstlerisch anzueignen. Damit eröffnete er sich die Möglichkeit, sie in immer neuen Rollen auf die Bühne seiner Bilder zu schicken. 

Und nicht nur das. Versehrte Antiken wie der muskelbepackte „Torso Belvedere“ erwachen auf seinen Gemälden zu neuem, unversehrtem Leben. Im Ölbild „Pan und Syrinx“ (1617) wird der mit Bocksbeinen ausgerüstete Torso zum liebestollen Hirtengott, der einer keuschen Nymphe nachstellt. Und in einem um 1615 gemalten Werk verwandelt Ru­bens den Torso zum „Auferstandenen und triumphierenden Christus“, der mit dem Körper eines Modellathleten in Erscheinung tritt. Großes Vergnügen bereitete es den zeitgenössischen Kunstliebhabern, in solchen Darstellungen die von Rubens neu interpretierten Vorbilder wiederzuerkennen.

Wiederholt suchte Rubens den zu seiner Zeit „Aemulatio“ (Überbietung) genannten künstlerischen Wettstreit mit berühmten Malerkollegen. In der Ausstellung tritt er mit „Venus und Adonis“ (um 1630) gegen Tizians gleichnamiges Gemälde an, das der um 1555 schuf. Beide Künstler malten die gleiche Szene: Venus will ihren sterblichen Geliebten davon abhalten, sie zugunsten der Jagd sitzen zu lassen. Tizian zeigt den vom Liebeslager aufstehenden Adonis in Vorderansicht. Vergeb­lich schlingt die als Rückenakt dargestellte Liebesgöttin einen Arm um ihn. Rubens aber kehrt den Blickwinkel um. Somit sehen wir die nackte Liebesgöttin von vorn. Für Adonis wäre es besser gewesen, bei Venus zu bleiben. Auf der Jagd fiel er einem Eber zum Opfer.

Bis 21. Mai im Städel Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main. Geöffnet Dienstag, Mittwoch, Sonnabend, Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag bis 21 Uhr. Eintritt: 14 Eu­ro. Telefon (069) 605098200, In­ternet: www.staedelmuseum.de. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro