28.03.2024

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02.03.18 / Auf einem Logenplatz durch Ostpreußen / Gaumenkitzel, Augenschmaus und geistige Nahrung bietet eine Kreuzfahrt mit der Classic Lady über die Masurische Seenplatte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-18 vom 02. März 2018

Auf einem Logenplatz durch Ostpreußen
Gaumenkitzel, Augenschmaus und geistige Nahrung bietet eine Kreuzfahrt mit der Classic Lady über die Masurische Seenplatte
Peer Schmidt-Walther

Seit eh und je ist Masuren ein Sy-nonym für eine der schönsten europäischen Landschaften. Während einer Kreuzfahrt über die Masurische Seenplatte erlebt man unberührte Natur und Sehenswürdigkeiten einer bewegten Geschichte. – Und natürlich die nach wie vor deftige ostpreußische Küche.

Fünf Kilometer hinter Kolno passiert der Bus, der am Hauptbahnhof von Warschau gestartet ist, die Grenze zwischen Masowien und Masuren. Hügelauf, hügelab durch Alleen und Wälder rollt er unaufhaltsam nach Norden. Reiseleiter Andrzej Kraszewski nutzt die Busfahrt, um über seine Heimat zu informieren. In bestem Deutsch und – mit „jemietlichem“ Akzent. Abends schaukelt der Bus auf schmaler Sandpiste durch den Urwald der Johannisburger Heide. Bis es voraus aufblitzt: Wir sind angekommen in Piasken (Piaski) am Beldahnsee, der zur Masurischen Seenplatte gehört. Die untergehende Sonne vergoldet See und Schiff. „Jokehnen“, der bekannte Roman von Arno Surminski, kommt einem in den Sinn, allerdings mit verdrehtem Untertitel: Wie lange fährt man von Deutschland nach Ostpreußen? Spätestens jetzt weiß man es.

Das Willkommens-Abendessen – nach der Begrüßung durch die Besatzung um Kapitän Tomasz Biadun – ist der Start einer Serie von ostpreußischen Köstlichkeiten. Und Reiseleiter Andrzej „droht“ schon mal: „Wer hier in Polen seinen Bauch värrliert, der wird ainejespärrt!“ Aber keine Bange, so schnell wird man sein „Hüftgold“ nicht los. Was Schiffseigner und Chefkoch Pawel Zalewski hier in seiner „U-Boot-Miniküche“ „komponiert“, lässt einem schon lange vorher das Wasser im Munde zusammenlaufen. Seine Kochkünste – Rezepte der alten ostpreußischen Küche stehen obenan – sind allein schon ein Grund, um mit der Classic Lady durch Masuren zu schippern. „Jak u baci – wie bei Oma“, betitelt Pawel seine „einfache Kieche“, und erläutert wie zu jeder Mahlzeit ihre Zubereitung. 

Für heute Abend hat der Meister ein Luciano-Pavarotti-Motto ausgewählt, das ihm aus der Seele spricht: „Kochen ist eine Kunst und keineswegs die unbedeutendste“. Zum Auftakt der kulinarischen Aufführung serviert er Saueramp-fersuppe und Fischsuppe. Es folgt Räucherfisch mit Sauerkohlsalat. Zum Hauptgang dann ein „keineswegs unbedeutende Kunstwerk“ aus Wildgulasch mit Kartoffelklößen, Buchweizengrütze und Waldpilzen. Das Dessert aus Quarktorte rundet die Speisefolge ab.

Danach lässt sich vom Logenplatz an Bord die abendliche Stimmung der Wald- und Wasserlandschaft genießen, sowie auch das eine oder andere frisch gezapfte polnische Bier, wozu hierzulande auch ein „Wässerchen“, sprich: Wodka, gehört. Das Wellengluckern an der Bordwand garantiert anschließend Tiefschlaf. Jedoch nicht ohne zuvor Andrzejs Informationen für den nächsten Tag, Anekdoten und Witze aus Masuren vernommen zu haben. Höhepunkt ist sein „Abendgebet“: „Lieber Gott bestraf´mich nicht, wenn ich bei Tisch das größte Stück erwisch!“

Am nächsten Tag blitzen immer mal wieder ein paar blaue Seen-Spiegel  durch das Grün oder es 

duckt sich das rote Ziegeldach eines alten, einsamen Gehöfts oder Gutes in einer Senke. Auf unzähligen Firsten thronen Storchennester. Den Spitznamen „preußischste aller Vögel“ haben sich die Tiere wegen ihres schwarz-weiß-roten Federkleids eingehandelt. „Jeder vierte Storch weltweit ist heute Pole“, erklärt Andrzej. Tierisch geht es oft unterwegs weiter, wenn See- und Fischadler, Kraniche, Reiher oder gar ein Biber vor die Linse kommen. 

Während der abwechslungsreichen „Seh-Fahrt“ durch Kanäle und Seen unter hohen Wolkentürmen schwingt auch das Ostpreußen-Lied immer mit. Es besingt die „dunklen Wälder und kristallnen Seen“. „Einfach scheen!“, bringt es eine Mitreisende auf den emotionalen Punkt. Jetzt können sie nachempfinden, was damit gemeint ist. 

Die Reisemotive der Mitfahrer sind im Übrigen sehr unterschiedlich. Von: „Wir wollten diese Reise immer schon mal machen“, „bin hier geboren“, „Eltern und Großeltern stammen von hier“, „mich interessiert nur die Landschaft“ bis „möchte Omas Küche wiederbeleben“ reicht die Palette.

Die Frischluft-Kur an Deck hat mächtig Appetit gemacht, und Nietzsche lieferte das (heute wieder moderne) Motto zum Abendessen: „Du musst nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit dem Kopfe essen, damit dich nicht die Naschhaftigkeit des Mundes zugrunde richtet“. Dazu gibt es Linsensuppe mit Backpflaumen, gekochten Aal in Dillsauce, Mehlklöße mit saurer Soße, Mohnstritzel als Dessert – was will man mehr?!  

In Zondern, sechs Kilometer westlich von Rhein steuert die Classic Lady am nächsten Tag die letzten Deutschen der Region an. Kristina und Dietmar Dickti, betreiben in dem Dörfchen ein kleines Privatmuseum, das 200 Jahre alte „Masurische Bauernhaus“ mit regional typischen Hausgeräten und Möbeln. Die Aufkleber von deutschen Reise- und Busunternehmen verraten, dass wir es hier mit einem touristischen Höhepunkt zu tun haben. Souvenirs werden angeboten, aber auch ein leckerer, noch ofenwarmer Kasten-Hefekuchen, gefüllt mit Marmelade und überzogen mit Streußel. Bei Kaffee und Kuchen gibt Frau Dickti in breitestem Ostpreußisch  „Wippches“ (Witze) zum Besten. Zum Beispiel den: „Was haat ejn Mann, was im Schnee sitzt? Na, Schneegleckchens!“ Schallendes Gelächter. 

Auch der frühere ZDF-Moderator Wolf von Lojewski, der aus Widminnen östlich von Lötzen stammt, hat sich darüber amüsiert, als er die Dicktis besucht hat. „Mannche, Mannche, hat därr mich Lecher im Bauch gefraacht!“, berichtet sie strahlend über so viel mediale Aufmerksamkeit.

Neben Landschaft satt bietet die Fahrt auch historische Sehenswürdigkeiten. Am letzten Tag heißt es scherzhaft-doppeldeutig: „Heute haben wir einen Termin beim Führer“. Gemeint ist der polnische Reiseführer Jan Zduniak, ein namhafter Historiker und Buchautor. Im damaligen Hauptquartier Adolf Hitlers, der „Wolfsschanze“ bei Rastenburg, wird einem angesichts gesprengter meterdicker Betonmauern der Wahnsinn des „Tausendjährigen Reiches“ bewusst. Neonazis lassen sich hier daher auch nicht blicken, wie wir hören. Aber jede Menge Deutsche. „Das ist ein Stück sichtbare Geschichte“, antworten einige, befragt nach ihrem Besuchsmotiv. Zwei Denkmäler erinnern an das Attentat vom 20. Juli 1944 und den Widerstand. 

Koch Pawel hat längst seinen Widerstand aufgegeben – gegen die Hartnäckigkeit der Hausfrauen unter den Gästen, hat er ihnen seine Rezepte zu verraten. Obwohl doch jeder Koch so seine kleinen Küchengeheimnisse habe, die er nicht so gern preisgibt, meint er augenzwinkernd. „Smacznego – guten Appetit!” sind seine letzten offiziellen Worte dieser Reise ins Reich von Omas ostpreußischer Küche.