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09.03.18 / Rückkehr zum Alltag / Zwei Drittel stimmten bei der SPD für die Interessen von Partei und Staat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Rückkehr zum Alltag
Zwei Drittel stimmten bei der SPD für die Interessen von Partei und Staat
Florian Stumfall

Mit ihrem Beschluss, einer wiederholten Koalition mit CDU und CSU beizutreten, hat die SPD die Möglichkeit eröffnet, dass in Deutschland wieder Politik in üblicher Art und gewohnter Weise gemacht wird. 

Der Koalitionsvertrag zwischen den drei Parteien ist ohnehin ausgehandelt, die Posten sind vergeben, sodass weiter keine Fährnisse dräuen – die letzte Klippe vor der Rückkehr in den politischen Alltag war das Votum der SPD-Mitglieder, und die ist überwunden.

Nachdem die Gefahr des Scheiterns vorüber ist, stellt sich die Frage, warum überhaupt die SPD eine Entscheidung von staatspolitischer, ja internationaler Bedeutung dem Votum der Mitglieder der Partei überlassen hat. Bei der Beantwortung griffe jeder zu kurz, der die Mitgliederbefragung als den Ausdruck einer modernistischen Anbiederung der Parteiführung an ihre Gefolgschaft durch möglichst direkte Entscheidungsabläufe verstünde. Die Absicht, die Partei in den Mittelpunkt eines staatspolitischen Prozesses zu stellen, hat viel tiefere Beweggründe.

Das reicht in die frühen, rein sozialistischen Tage der SPD, die von dieser als der „ältesten Partei Deutschlands“ oft genug beschworen, allerdings nie deutlich benannt werden. Die SPD als ein in der Wurzel marxistisches Konstrukt stellt die sozialistische Partei grundsätzlich über die staatlichen Institutionen, eine Regelung, die bei Lenin am gründlichsten ausgeformt ist. So war es nur konsequent, dass bei der Entscheidung, ob man einer Koalition mit den Unionsparteien beitreten wolle, das Interesse des Staates hinter demjenigen der Partei zurücktreten musste.

Dass diese beiden oftmals verschiedenen Interessenslagen diesmal übereinstimmten, war eine segensreiche Fügung. Nur so ist auch die hohe Quote der Zustimmung zu einer Regierungsbildung zu erklären. Die Angst vor Neuwahlen als Ausdruck des Primats der Partei – und das ist beileibe kein Geheimnis – ließ viele Genossen das ungeliebte Bündnis gutheißen, weil es derzeit davor schützt. Auch wenn man sich vor dem Zustand der Partei nach weiteren vier Jahren Merkel-Regierung fürchten mag, so hat doch die jetzige Entscheidung einen Zeitaufschub vor dem Offenbarungseid ermöglicht. Allerdings wurde eine Sollbruchstelle in der Koalition eingebaut, und die definiert sich ausschließlich nach dem parteilichen Befinden der SPD, keinesfalls demjenigen des Staates.

Innerhalb der Partei wird der Feldzug vor allem der Jungsozialisten gegen die Koalition weiterwirken. Sie erkaufen sich ihre Hin­- nahme des Abstimmungsergebnisses mit der Zusage einer inhaltlichen Erneuerung der SPD, und sie werden darauf bestehen. Ebenso wird ihr Rückhalt in der Partei das Drittel der Unterlegenen weit übertreffen. Denn in diesem Zusammenhang drohen keine Bundestagswahlen, und deshalb darf die reine Lehre zu Ehren kommen. Dabei ist unter „inhaltlicher Erneuerung“ widersinnigerweise eine Rückkehr in Richtung jener sozialistischer Urzeiten zu verstehen, in denen der Primat der Partei vor dem Staat einst geschaffen wurde.

Angesichts derartiger Tretminen unter dem gemeinsamen Parkett wird die neue Regierung Merkel mehr noch als die vorherigen dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners folgen müssen. Auf der anderen Seite steht der Koalition im Bundestag und in der öffentlichen Diskussion eine politische Vielfalt gegenüber, wie man sie über lange Zeit in Deutschland vermisst hat. Sie reicht von der AfD bis zur Linken und hat mit der erstarkten FDP ein gewisses Zentrum, das vor allem für die CDU ein stetes Memento darstellt. Deutschland könnte tatsächlich bunter werden.