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09.03.18 / Wo sind sie geblieben? / Brandenburg hat versucht, den Verbleib der 2015 unkontrolliert Eingewanderten aufzuklären

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Wo sind sie geblieben?
Brandenburg hat versucht, den Verbleib der 2015 unkontrolliert Eingewanderten aufzuklären
Norman Hanert

In einer bundesweit einmaligen Aktion haben Brandenburger Staatsanwälte versucht, den Verbleib Tausender Personen aufzuklären, die im Jahr 2015 im Zuge der „Flüchtlingswelle“ in das Land gekommen waren.

Brandenburg hatte im Laufe des Jahres 2015 rund 47000 sogenannte Flüchtlinge aufgenommen. Auf dem Höhepunkt der Immigrationskrise waren im Herbst des Jahres auch 18000 Personen nach Brandenburg gekommen, die bei ihrer Einreise über Bayern nur unzureichend erfasst worden waren. In einer großen Zahl der Fälle erfolgte die Einreise sogar ohne Identitätspapiere. Angestoßen von Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg startete die Staatsanwaltschaft Frankfurt an der Oder bereits 2016 erste Musterverfahren und brachte im Frühjahr vergangenen Jahres ein bislang beispielloses Vorhaben in Gang. Die Behörde leitete 18000 Ermittlungsverfahren ein, um den Verbleib der Eingereisten zu klären. 

Rautenberg begründete die Ermittlungen unter anderem damit, dass naheliege, der Asylsucherstrom sei auch durch den Islamischer Staat (IS) ausgenutzt worden. Er wolle sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles getan zu haben, so Deutschlands dienstältester Generalstaatsanwalt zu den Aufklärungsbemühungen in Brandenburg. Stützen konnten sich die Ermittler in den Verfahren auf den Anfangsverdacht einer illegalen Einreise. Bereits eine erste Prüfung von 1000 Personen hatte ergeben, dass in 15 bis 20 Prozent der Fälle, die Betreffenden „überhaupt nicht bekannt, also offensichtlich abgetaucht sind“, so der Oberstaatsanwalt Ulrich Scherding im Februar 2017 gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl wurde vermutet, dass mehr als 3000 Personen, die im Herbst 2015 nach Deutschland gekommen sind, in die Illegalität abgetaucht sind. Gut ein Jahr später liegt nun eine Zwischenbilanz der Ermittlungsarbeit vor. 

Bei 9000 Personen wurden die Verfahren wegen illegaler Einreise wieder eingestellt. Gut die Hälfte der Asylbewerber hat sich laut den Ermittlungen tatsächlich in Brandenburg registriert. Als geklärt gelten zudem die Fälle von 4500 Kindern und doppelt registrierten Personen. Ermittelt wurden zudem mehr als 1000 Personen, die mittlerweile außerhalb Brandenburgs in anderen Bundesländern gemeldet sind. Eingeleitet hat die Staatsanwaltschaft allerdings inzwischen auch rund 1000 Fahndungsverfahren, weil der Aufenthaltsort bislang nicht geklärt werden konnte. Als noch unbearbeitet gelten zudem weitere 2500 Fälle. Zumindest nach aktuellem Stand ist damit der Verbleib von etwa einem Fünftel der Eingereisten noch immer unklar. 

Dieses Ermittlungsergebnis wird vermutlich in den kommenden Monaten eine Rolle spielen, wenn in Brandenburg, aber auch auf Bundesebene erneut die Debatte um die Ausweitung der sogenannten Schleierfahndung geführt wird. Gemeint sind damit verdachts- und anlassunabhängige Kontrollen durch die Polizei. Kritiker sehen im Mittel der Schleierfahndung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte, bei dem Aufwand und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. 2004 hatte Berlin unter dem damaligen rot-roten Senat die Möglichkeit von verdachtslosen Kontrollen abgeschafft. 

Befürworter können sich unter anderem auf Zahlen aus Hessen berufen. Dort wurden im Zeit-raum von 2001 bis 2005 bei verdachts- und anlassunabhängigen Kontrollen annähernd 1,6 Millionen Fahrzeuge und 3,2 Millionen Personen überprüft. Die Polizei stellte dabei fest, dass 0,9 Prozent der überprüften Personen zur Fahndung ausgeschrieben waren. 

Vor Kurzem legte die Bundespolizei Zahlen zu Überprüfungen von Fernbussen vor. Bei stichprobenartigen Kontrollen an der Grenze und im grenznahen Bereich stellte die Bundespolizei 2017 insgesamt 7457 Personen fest, die versucht haben sollen, illegal nach Deutschland einzureisen. 

Der bisherige Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hatten sich für die Einführung der Schleierfahndung in allen Bun­desländern ausgesprochen. Allerdings sind diese Versuche bislang gescheitert.

Die Bundesländer handhaben die Schleierfahndung immer noch sehr unterschiedlich. Berlin und Bremen verzichten ganz auf dieses Mittel. Im Land Brandenburg sind unabhängige Personenkontrollen nur in einem 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Bundesgrenze an Oder und Neiße zugelassen. 

Mehr Möglichkeiten könnte die Neufassung des brandenburgischen Polizeigesetzes eröffnen. Einen Entwurf hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) für die erste Hälfte dieses Jahres angekündigt. Das Vorhaben ist geeignet, für Streit zwischen den beiden Koalitionspartnern SPD und Linke zu sorgen. So hat die Linkspartei bereits signalisiert, dass sie gegen den verstärkten Einsatz von Videoüberwachung ist. Ob die Partei zu Zugeständnissen bei der Schleierfahndung bereit ist, bleibt abzuwarten. Brandenburgs CDU, aber auch der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Thomas Jung, plädieren schon seit Längerem dafür, durch Mittel wie die Schleierfahndung die Sicherheit in Brandenburg zu erhöhen.