24.04.2024

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09.03.18 / Stigmatisierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Stigmatisierung
Philipp Hötensleben

Das Hamburgische Verfassungsgericht hat entschieden, dass der Ausschluss des fraktionslosen Abgeordneten Ludwig Flocken (ehemals AfD) von der Sitzung der linksdominierten Hamburgischen Bürger­schaft am 1. März 2017 rechtmäßig war.

Flocken hatte in einer Rede zum von der CDU angemeldeten Debattenthema „Türkischer Nationalismus – demokratiefeindliche Hetze – Hamburg sagt Nein“ angemerkt, man könne den türkischen Nationalisten nicht vorwerfen, aggressiv Räume für ihre Ideologie zu besetzen. Vielmehr würden sie Räume für ihre Ideologie in Besitz nehmen, die sie von den Deutschen verlassen vorgefunden hätten. Zur Erklärung sagte er: „Sie alle kennen die Bilder von Merkel nach ihrem letzten Wahlsieg, wie sie die Deutschlandfahne wegschmeißt und ihr der Ekel ins Gesicht geschrieben steht. Grüne urinieren darauf, Rote können die Nationalfarben am Hamburger Rathaus kaum ertragen. Diese Leere ist es, in die sich ein Meer von roten Halbmondfahnen zum Teil gigantischen Ausmaßes ergießt, der überbordende türkische Nationalismus.“

Die drei von Flocken hier beschriebenen Vorkommnisse entspringen nicht dessen Phantasie, sondern es hat sie tatsächlich so gegeben. Die Filme dazu kann sich jedermann im Internet ansehen – wie übrigens auch Flockens Rede.

Weil Flocken sich „mit seinen Äußerungen über die Bundeskanzlerin, die Grüne Partei, über Mitglieder dieses Hauses … einer gröblichen Verletzung der Ordnung des Hauses“ schuldig gemacht habe, verwies Bürgerschaftspräsidentin Carola Veith (SPD) den Abgeordneten des Plenarsaales. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sie bis zu dieser Entscheidung eine halbe Stunde verstreichen ließ, also kalkuliert handelte.

Durch den Rauswurf fühlte Flocken sich in seinen Rechten als Abgeordneter verletzt und zog vor das Verfassungsgericht. Seine Ausführungen beruhten auf Tatsachen und könnten leicht verifiziert werden, so seine Argumentation. Die negative Bewertung der Bundeskanzlerin sei vom Rederecht des Abgeordneten gedeckt.

Das Verfassungsgericht räumt mit diesem Urteil der Parlamentspräsidentin einen weiten Beurteilungsspielraum ein und schließt sich deren Auffassung an, dass „bei der Gesamtschau der Rede eine schwere und wiederholte Herabwürdigung von Mitgliedern der Bürgerschaft und Dritter“ vorliege, die nicht mehr vom Rederecht des antragstellenden Abgeordneten gedeckt sei.

Das Besondere an dem Urteil ist, dass erstmals in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus eine wertende Betrachtung zum Ausschluss aus einer Parlamentsdebatte geführt hat. Bis dahin waren formale Beleidigungen sowie Tätlichkeiten Auslöser von Ordnungsmaßnahmen gewesen. Das Urteil stärkt somit das Ordnungsrecht der Parlamentspräsidentin und schränkt das Rederecht des freien Abgeordneten insoweit ein, als dass es dem Beurteilungsspielraum des jeweils amtierenden Parlamentspräsidenten unter­worfen wird. De facto nutzt es der Parlamentsmehrheit und wendet sich gegen neue politische Kräfte, die mit diesem Instrument stigmatisiert werden sollen.