20.04.2024

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09.03.18 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

es ist schon manchmal erstaunlich wenn ein Mensch, der auf eine sehr lange Lebensspanne zurückblicken kann, durch eine kleine Frage in eine Zeit zurück versetzt wird, die er vergessen glaubte. So erging es mir jetzt, als ich ein Schreiben bekam, dessen Absender den Namen GOERDELER trägt. Ein Stück Königsberger Stadtgeschichte ist mit diesem  Namen verbunden, denn es handelt sich um den ehemaligen Zweiten Bürgermeister von Königsberg, Dr. Carl Friedrich Goerdeler, der sich in die Geschichte der Stadt einschrieb, als er nach dem Ersten Weltkrieg und den folgenden wirren Jahren mit einer beispielhaften Neuordnung der Stadtverwaltung zur Stabilisierung des städtischen Lebens maßgeblich beitrug. Nun meldet sich sein Enkel Wolfgang Goerdeler aus Potsdam, der die Lebensstationen seines Großvaters nachvollziehen möchte, wie auch die seines Großonkels Fritz Goerdeler, Bruder von Carl Friedrich, der ebenfalls in Königsberg als Stadtkämmerer in der Verwaltung tätig war. Wolfgang Goerdeler sucht Unterlagen über die Tätigkeit der Brüder, da fast alle amtlichen Dokumente durch Kriegseinwirkung verloren gingen. Er ist an allen Belegen über deren Funktionen in ihrer Königsberger Zeit zwischen den Weltkriegen interessiert, aber auch an ihrem menschlichen Schicksal, das für die Brüder Goerdeler nach dem Hitler-Attentat 1944 in Berlin-Plötzensee endete. Sie wurden beide kurz vor Kriegsende dort als Widerständler hingerichtet.

Es wird schwer sein, das Anliegen, das Wolfgang Goerdeler an uns stellt, zu erfüllen, denn es dürften kaum Unterlagen über die Tätigkeit seines Großvaters in Königsberg zwischen 1920 und 1930 in Form von Dokumenten, Briefen, Bildern und Zeitungsbelegen vorhanden sein, die sich im privaten Besitz und Archiven befinden. Vielleicht hat Carl Friedrich Goerdeler als späterer Oberbürgermeister von Leipzig mit alten Königsberger Freunden im Briefwechsel gestanden, oder es finden sich noch Belege über sein Königsberger Wirken in Form von öffentlichen Mitteilungen oder Anordnungen. Leider bringt auch der wohl emsigste Chronist jener Zeit, Dr. Ludwig Goldstein, in seinem Buch „Heimatgebunden“ nur wenige Angaben über Dr. Carl Fr. Goerdeler, zu denen ein Besuch bei Agnes Miegel anlässlich ihres 50. Geburtstages gehört, als er und Oberbürgermeister Lomeyer ihr mit einem großen Strauß Marschall-Niel-Rosen gratulierten. Mehr Informationen dürfte es wahrscheinlich über Fritz Goerdeler geben, der bis 1944 in Königsberg als Stadtkämmerer tätig war und der dem von seinem Bruder geführten Goerdelerkreis angehörte, einem Zusammenschluss der Widerständler, zu denen auch Prinz Wilhelm von Preußen und der damals noch amtierende Oberbürgermeist Lomeyer gehörten. Über die Funktion seines Großvaters als Kopf dieser Widerstandsbewegung dürfte Wolfgang Goerdeler Unterlagen besitzen, am wichtigsten sind ihm Zeugnisse über die Tätigkeit seines Großvaters als Bürgermeister von Königsberg. (Wolfgang Goerdeler, Zum Großen Herzberg 6 in 14476 Potsdam, E-Mail: goerdeler@t-online.de)

Diesem Anliegen muss ich noch etwas hinzufügen, denn ich fühle mich als Zeitzeugin gefordert. Was mich beim Lesen seines Schreibens bewegte, sind die Bilder aus jener Zeit, die plötzlich da waren, denn obgleich ich erst drei Jahre alt war, als die sogenannten „Matrosenunruhen“ auch Königsberg erfassten, habe ich sie gut in Erinnerung, es dürften wohl meine ersten bewussten Eindrücke überhaupt gewesen sein. Die Horden zogen nämlich auch durch unsere stille Augustastraße, an deren Ende der Exerzierplatz Herzogsacker mit seinen Kasernen lag. Ich saß auf dem Fensterbrett im ersten Stock unseres Hauses und blickte auf die Straße, ehe meine Mutter mich mit festem Griff herunterholte und mich in das fensterlose Kabinett unserer Wohnung beförderte. Ein Bild steht mir aber heute noch vor Augen: Es zogen auch Frauen mit und eine sehr junge, kräftige mit rotem Tuch um den Hals, laut unverständliche Parolen skandierend, blickte zu mir hoch und ballte die Faust. Ich wusste ja nicht, dass auf dem Dach unseres vierstöckigen Hauses ein Maschinengewehr aufgefahren war. Es war ein schönes Gesicht mit großen, hellen Augen, aber der spürbare Hass machte es zur erschreckenden Fratze. Vielleicht war es der Grund, dass sich dieser Vorgang bei einer Dreijährigen so eingeprägt hat, dass es nach fast 100 Jahren als wohl erste bewusste Erinnerung wieder abgerufen werden kann.

Die nächste Frage erreichte uns über mehrere Ecken, denn sie konnte bisher nicht beantwortet werden – nun ist sie bei unserer Ostpreußischen Familie gelandet, und ich glaube schon, dass jemand aus unserem Leserkreis sie lösen wird. Es handelt sich um das Foto eines Speichers an einem größeren Gewässer, das Frau Gisela-Marianne Wagner im Rahmen ihrer Familienforschung entdeckt hatte und das sie nicht einordnen kann. Es ist undatiert und lediglich mit einigen handschriftlichen Kreuzen versehen, aus denen sich kein brauchbarer Hinweis ergibt. Frau Wagner meint, dass es sich um Memel handeln könnte, das Gewässer dürfte dann die Dange sein. In ihrer mütterlichen Linie gab es auch einen direkten Bezug zu Memel, denn ihre Vorfahren waren als Färber und Chemische Reiniger in verschiedenen Städten Ostpreußens tätig, so in Königsberg, Tilsit, Allenstein und eben Memel. Der abgebildete Speicher könnte ihrer Meinung nach Lagerräume für die betreffenden Materialien enthalten haben. Mit diesen Angaben wandte sie sich an versierte Memel-Kenner, aber leider mussten die auch passen wie andere bereits Gefragte. Die Redaktion „Memeler Dampfboot“ teilte ihr nach eingehender Prüfung mit, dass es sich bei dem fraglichen Speicherfoto garantiert nicht um ein Gebäude aus dem alten Memel handelt, das hätten zuverlässige Zeitzeugen bestätigt. Nun sind wir also dran. Die Gebäude sind so markant, dass sich mit Sicherheit einige Leser an diese Hafenpartie erinnern. Vor allem könnten die Dächer der Gebäude mit ihren turmähnlichen Aufbauten als Fixpunkte dienen. Hoffen wir also mit Frau Wagner, dass sie bald eine glaubhafte Antwort auf ihre Frage erhält. (Gisela-M. Wagner, Heldorfer Mark 39 in 40489 Düsseldorf, Telefon/Fax: 0203/741007, E-Mail: wagnergm@web.de)

Und noch immer Glückwünsche zu meinem 102ten Geburtstag, denn manche Leserinnen und Leser erreicht unsere Zeitung erst später – und außerdem gehts mit der Post ja auch nicht so schnell, wie Frau Christa Jedamski aus Eschborn feststellen muss. Da freut sie sich immer, wenn unsere Zeitung in ihrem Briefkasten liegt und sie durch die Ostpreußische Familie wieder in die nie vergessene Heimat abtauchen kann. „Ich bin immer froh, etwas über das alte Königsberg zu lesen, da kann ich meine als Kind erlebten Eindrücke bruchstückartig wieder zusammensetzen“, schreibt Frau Christa, und so entsteht manchmal ein buntes Puzzle wie das von ihrem letzten Besuch im Königsberger Tiergarten, bevor die Bomben fielen. „Es war eine Fahrt mit der Linie 7 mit einer hübschen jungen Schaffnerin in ihrer blauen Uniform und dem schräg sitzenden Käppi. Da fing ein Fahrgast an zu summen. Es war ein Soldat, der in seinem Arm ein junges lachendes Mädchen hielt. Sie trug einen blauen Florentiner über ihren korkenzieherartig gedrehten blonden Locken. Im Schaukelrythmus des Wagens wippte ihr Kleidersaum und ließ ihre gut gewachsenen Beine sehen, die in Seidenstrümpfen mit dunkler Naht steckten. Es waren aber keine Strümpfe, wenn man näher hinschaute, sondern nackte Beine, und die Naht war mit einem Augenbrauenstift nachgezogen. Die Beiden sangen dann gemeinsam das Lied von der netten kleinen Schaffnerin, das damals sehr beliebt war. Und alle Fahrgäste sangen fröhlich mit. Ich sehe dieses Bild immer noch mit geschlossenen Augen vor mir, es ist für mich der letzte Gruß aus dem unzerstörten Königsberg.“

Diese und andere Erinnerungen wird sie Herrn Jörn Pekrul vermitteln, unserem „Königsberger Wanderer“, mit dem sie Gedanken- und Erfahrungsaustausch betreibt, denn Beide bewegen sich auf einer Linie, wenn auch auf zwei verschiedenen zeitlich bedingten Ebenen: Für Frau Jedamski ist das alte Königsberg, das die in Mohrungen Geborene von Besuchen aus ihrer Kindheit kennt – für Herrn Pekrul ist es das heutige Kaliningrad, das für ihn wie ein Magnet wirkt und das er unermüdlich und erfolgreich nach deutschen Spuren durchforscht. Jeder versucht dem Anderen, „seine“ Stadt transparenter zu machen. Da kann es schon manchmal Missverständnisse geben, „doch bevor wir uns verheddern, kriegen wir die Kurve“ schreibt Frau Jedamski. Worüber sie sehr betrübt ist, dass es von politischer Seite immer noch kein ehrendes Wort und Erinnern an die vielen verschleppten Frauen und Mädchen nach Russland gibt. Wenn ich an meine Mutter und meine Tante denke und was sie in jener schweren Zeit alles erleiden mussten – für beide waren es Extremtraumatisierungen, die sie nicht lange ausgehalten haben. Es ist ja niemand mehr von dort zurückgekommen. Und ich? Ich lebe in der Einsamkeit der Erinnerung und deshalb klammere ich mich an jeden Lichtblick, den mir das Leben noch bietet!“

Für solch einen könnte ihr unsere Familie verhelfen, denn sie hat noch Fragen offen, von denen sie zwei an uns weitergibt. Die eine: Wie hieß das große Spielwarengeschäft in Königsberg und in welcher Straße lag es? Die andere: Kann jemand über die Orthopädische Klinik in Frauenburg Auskunft geben, vor allem etwas über den dort wirkenden Dr. Watermann und sein Schicksal aussagen? Ihm verdankt Frau Jedamski sehr viel, denn es war ihr behandelnder Arzt, als sie dort Ende der 30ger Jahre lag. (Christa Jedamski, Eckener-Str.3 in 65760 Eschborn, Telefon: 06196/44642.)

Frau Sabine Neuber aus Ascheberg sucht ein plattdeutsches Ulk-Lied, das so beginnt: Eck bön emoal enne Stadt gewäse, heidideldum… (Frau Sabine Neuber, Plöner Chaussee 54 in 24326 Ascheberg, Telefon: 04526/1397.)

Eure Ruth Geede