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09.03.18 / Ende einer Kölner Institution / Ist Volksschauspiel nicht mehr zeitgemäß? – Über das einst so beliebte Millowitsch-Theater senkt sich der Vorhang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Ende einer Kölner Institution
Ist Volksschauspiel nicht mehr zeitgemäß? – Über das einst so beliebte Millowitsch-Theater senkt sich der Vorhang
Siegfried Schmidtke

Das Millowitsch-Theater, jahrzehntelang eine kulturelle Institution in Köln und auch bundesweit als Volkstheater bekannt, lässt am 25. März dieses Jahres endgültig den Vorhang fallen. Der Deutsche Kulturrat setzte das Kölner Theater auf die Rote Liste bedrohter Kultureinrichtungen.

Das Theater wurde seit 1940 vom legendären Volksschauspieler Willy Millowitsch geleitet, der einer alteingesessenen Schauspielerdynastie entstammt. Der „kölsche Jung“ Willy machte seine Bühne nicht nur in Köln bekannt und beliebt, sondern wurde durch Fernseh-Übertragungen auch bundesweit prominent.

Mit der Komödie „Der Etappenhase“ schrieb der 1999 im Alter von 90 Jahren verstorbene Millowitsch Fernseh- und Theatergeschichte. Das Stück wurde 1953 als erste Live-Übertragung einer Theateraufführung vom damals noch vereinten Nord-Westdeutschen Rundfunk (NWDR) im Fernsehen ausgestrahlt. Schlagartig war der Name Millowitsch auch außerhalb Kölns ein Begriff. Die jahrzehntelang regelmäßigen TV-Ausstrahlungen aus dem Millowitsch-Theater waren regelrechte „Straßenfeger“, die das Fernseh-Volk von den Straßen weg vor die TV-Apparate lockte.

Millowitsch schaffte es auch, sich als Sänger und Darsteller in Kino- und Fernsehfilmen einen Namen zu machen. Die Stimmungslieder „Schnaps, das war sein letztes Wort“ und „Ich bin ene kölsche Jung“ werden noch heute bei Karnevalsveranstaltungen gespielt und mitgesungen. Als „Kommissar Klefisch“ trat Millowitsch in einer TV-Serie auf.

Im privaten Leben baute Millowitsch die Schauspielerdynastie aus. Mit seiner zweiten Ehefrau bekam er vier Kinder, von denen drei die Schauspielerei fortführten. Tochter Mariele und Sohn Peter sind die wohl bekanntesten.

Peter trat schon als Sechsjähriger, in die Fußstapfen des Vaters und spielte bei Bühnenstücken mit. 1998 übernahm Peter Millowitsch – eher unfreiwillig – den Familienbetrieb. „Willy hatte ja eigentlich gesagt“, erinnert sich Peter, „er wolle auf der Bühne sterben.“ Die Gesundheit des damals 89-jährigen Vaters habe dann aber nicht mitgespielt und Sohn Peter fühlte sich zur Übernahme des Theaters verpflichtet. Ein Theater, das mit rund 400 Plätzen zu den größten Bühnen in Köln gehört.

Es ist kein Geheimnis, dass alle vier Kinder Probleme hatten, im Schatten des großen Übervaters Willy zu stehen. Doch dieses Schicksal habe die Geschwister auch „besonders zusammengeschweißt“, bemerkte eine der Schwestern Peters.

Ein Grund für familieninterne Reibereien war zum Beispiel die inhaltliche Ausrichtung des Volkstheaters. Im Gegensatz zum Vater Willy brachte Peter Millowitsch auch ernste Stücke auf die Bühne. Im Zwei-Personen-Stück „Bildung für Rita“ spielte er 2005 mit der TV-Schauspielerin Meike Gottschalk ohne den sonst üblichen Klamauk. Das sei ein gewisses Risiko gewesen, meinte Peter Millowitsch damals, denn mit dem Namen Millowitsch verbänden die meisten Theaterbesucher vor allem Komödie und Humor: „Bei Millowitsch wollen die Leute lachen.“ Und wohl auch die kölnische Mundart hören. Meike Gottschalk konnte kein „Kölsch“ sprechen – was ihr Peter Millowitsch nicht übelnahm: „Kölsch sprechen ist kein Muss. An erster Stelle steht der An­spruch an die Qualität meiner Schauspieler.“

Ein markanter Einschnitt in der Geschichte der Spielstätte war das Jahr 2015, als aus dem „Millowitsch-Theater“ die „Volksbühne am Rudolfplatz“ wurde. Seitdem war Millowitsch „nur“ noch ein Mieter der Bühne, einer unter anderen – allerdings ein prominenter und dauerhafter. Sechs Monate im Jahr bespielte Peter mit seinem Ensemble die Volksbühne.

Ende Dezember 2017 kündigte Peter Millowitsch an, dass er die Produktion eigener Stücke in der Spielzeit 2018/2019 beenden werde. Im Frühjahr 2019 wolle er, dann 70 Jahre alt, zum letzten Mal das Stück „Der Etappenhase“ aufführen, also jenes Stück, mit dem sein Vater 1953 Theater- und Fernseh-Geschichte schrieb.

Einen Monat später kündigte Millowitsch an, vorzeitig aufzuhören und den Theaterbetrieb am 25. März dieses Jahres zu beenden: „Das Geld und die Kraft reichen einfach nicht mehr.“ 

Ein Nackenschlag in wirtschaftlicher Hinsicht war der Ausstieg des WDR im Jahr 2016 aus den Fernsehübertragungen. Nachlassendes Publikumsinteresse am Volkstheater hatte die Rundfunkanstalt bewogen, auf Übertragungen zu verzichten. Neben den Fernseh-Einnahmen verlor Millowitsch zudem noch die Beteiligung des WDR an den Produktionskosten.

Millowitsch: „Weil ich das Theater nur noch aus privaten Rücklagen weiter finanzieren kann, habe ich mich entschieden, den Schlussstrich zu ziehen.“

Der „Etappenhase“ wird also nicht mehr produziert. Mit der Aufführung des aktuellen Schwanks mit dem vielsagenden Titel „Wer weiß, wofür et joot es?“ endet am 25. März die Geschichte des Millowitsch-Theaters.

Bleibt die Frage nach der Hilfe seitens der Stadt Köln für die traditionsreiche Kultureinrichtung. Die Stadt pflegt nach eigenen An­gaben zu Peter Millowitsch und dem Volksbühne-Theater einen „positiven Kontakt“. Bei der Sanierung des denkmalgeschützten Theaters habe die Stadt sich aktiv durch einen Zuschuss in Höhe von zirka 250000 Euro beteiligt. 

Simone Winkelhog vom Presseamt der Stadt Köln: „Peter Millowitsch hat zu keinem Zeitpunkt die Erwartung nach einer regelmäßigen finanziellen Unterstützung durch die Stadt geäußert. Das Betriebskonzept war immer auf wirtschaftliche Tragfähigkeit ausgelegt. Das jetzt angekündigt Ende des Familienbetriebes wäre durch städtische Subventionen nicht aufzuhalten, da Peter Millowitsch die Altersgrenze erreicht hat und es keinen geeigneten Millowitsch-Nachkommen gibt.“

Oberbürgermeisterin Henriette Reker meint: „Die Stadt steht dem Haus und auch dem Genre ‚Volkstheater‘ positiv gegenüber und freut sich darüber, dass die Volksbühne in ihrem gemischten Spielplan auch weiterhin das Volkstheater in etwa gleichem Umfang wie bisher repräsentieren wird.“

Gemeint ist damit der Plan von Christian Seeler, Ex-Intendant des Hamburger Ohnesorg-Theaters, ab Dezember dieses Jahres die Komödie „Tratsch im Treppenhaus“ in der Volksbühne aufführen zu lassen. In den Hauptrollen: Heidi Mahler, Tochter der legendären Heidi Kabel und Peter Millowitsch, Sohn des legendären Willy Millowitsch.

Womit sich auch ein Liedtext der legendären Kölner Volksschauspielerin Trude Herr bestätigt: „Niemals geht man so 

ganz ...“