26.04.2024

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09.03.18 / Parallelen zwischen Demokratie und Kommunismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-18 vom 09. März 2018

Parallelen zwischen Demokratie und Kommunismus
Nike Breyer

Wen von uns hat in letzter Zeit nicht schon die Ahnung beschlichen, dass es mit dem „freiesten Staat, den es jemals auf deutschem-Boden-gab“ nicht mehr so weit her ist – und das nicht erst seit Heiko Maas und seinem unrühmlichen Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dafür muss man nicht einmal gelernter DDR-Bürger sein. Dass hier etwas schief läuft, dämmert inzwischen auch den Westdeutschen. 

Ryszard Legutko ist Pole und hat als solcher seinen eigenen Blick, nachdem er den real existierenden Sozialismus über Jahrzehnte aus eigenem Erleben kerfahren hat. Dabei machte er früh die irritierende Erfahrung, dass westliche Intellektuelle eine verzerrte Wahrnehmung entwickelten, als sie sich höchst einfühlsam in die „Errungenschaften“ des Sozialismus hineindachten, während sie andererseits die brutale Realität einer Diktatur der „Volksdemokratie“ ausblendeten. Später lernte er als Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament auch die EU-Bürokratie von innen kennen, heute beschäftigt er sich mit den Vorsokratikern. 

In seinem Buch „Der Dämon der Demokratie” verarbeitet Legutko nun diese Erfahrungen und nimmt dabei vor allem die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit der politischen Systeme unter die Lupe, indem er überraschend analoge Tendenzen in der liberalen Demokratie unserer Tage zum Kommunismus ausmacht. Zwar fehle den westlichen Staaten – noch – die kalte Brutalität bei der Durchsetzung der politischen Interessen. Aber die Entwicklung sei unverkennbar. Die „totalitären Strömungen in liberalen Gesellschaften“, wie es im Untertitel heißt, zeigten sich immer unverhohlener. So erkennt Legutko auch eine direkte Entsprechung zwischen dem politisch Bösen im Kommunismus und der Political Correctness in der liberalen Demokratie, die Eberhard Straub auch als „die Tyrannei der Werte” bezeichnet hat. Die willigen Vollstrecker derselben in beiden Systemen sind, folgt man Legutko, die Intellektuellen und die Medien, die Kontrolle ausüben und unbotmäßiges Denken nach Pranger-Art abstrafen, bis die Angst regiert und jeder seinen Nachbarn argwöhnisch überwacht. 

Leider bleibt das zivilreligiöse Element in beiden Systemen unterbelichtet und allzu eng gefasst. Der Jurist Josef Schüßlburner hat dieses in seinen Arbeiten deutlich schlüssiger thematisiert. Dabei stammen die ersten Überlegungen in dieser Richtung auch nicht von Rousseau, wie Legutko meint, sondern von dem antiken Universalgelehrten Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.), der mit seiner „theologia naturalis” bereits vor 1000 Jahren eine Sakralisierung politischer Systeme motivisch anmoderierte. Wer, wie die Rezensentin, dem aristotelischen Verfallszyklus politischer Systeme anhängt und damit auch deren Niedergang immer im Blick behält, der findet – ganz ohne Jacob Taubes, den Legutko bemüht – erneut bei den alten Griechen passendes Anschauungsmaterial: Der Athener Lykurg (390–324 v. Chr.), Schüler Platons, Finanzminister und Staatsmann, etablierte zur Zeit des militärischen Niedergangs von Athen bereits einen Kult um die Göttin Demokratia und verhängte – bei Todesstrafe – ein Ausreiseverbot für die Athener Bürger. Kommt uns das nicht bekannt vor? 

Gekonnt schlägt Legutko dabei den großen Bogen von den klassischen Staatsdenkern der griechischen Antike bis zu den großen Denkern der Neuzeit und zitiert deren Kerngedanken eingedampft auf wenige Sätze, ohne sie dabei zu entstellen. Einer Beschreibung der Geschichte der politischen Systeme Kommunismus und liberale Demokratie sowie ihrer utopischen Zutaten lässt er die daraus folgende Politik mit ihrer jeweiligen ideologischen Grun-dierung folgen. 

Zum Schluss wirft der Katholik Legutko noch einen Blick auf die Religion und die antiklerikalen Strömungen beider Systeme: „Wenn die Kommunisten heute noch am Leben wären, wären sie entsetzt, wie wenig ihr antireligiöser Krieg bewirkt hatte und wie erfolgreich die liberalen Demokraten im Vergleich zu ihnen sind. All das, was die Kommunisten mit Brutalität verfolgten, erreichten die Liberal-Demokraten fast mühelos.“ Die Wurzeln beider Politiksysteme sieht er in einer Idealisierung des Mittelmaßes und der damit verbundenen Vulgarisierung von Kunst, Wissenschaft, Politik, Recht und Kultur – und folgert: „Aber zu einer echten Veränderung wird es erst kommen, wenn sich die jetzige Auffassung vom Menschen abgenutzt hat und als unzulänglich empfunden wird.“ Als Rüstzeug dafür ist die Lektüre dieses klugen Buches sehr zu empfehlen.

Ryszard Legutko: „Der Dämon der Demokratie. Totalitäre Strömungen in liberalen Gesellschaften“, Karolinger Verlag, Wien 2017, gebunden, 192 Seiten, 23 Euro