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16.03.18 / Tschetschenen-Clans auf Vormarsch / Symposium des Bundeskriminalamts in Berlin zur organisierten Kriminalität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-18 vom 16. März 2018

Tschetschenen-Clans auf Vormarsch
Symposium des Bundeskriminalamts in Berlin zur organisierten Kriminalität
Michael Leh

Mit der organisierten Kriminalität (OK) hat sich ein Symposium des Bundeskriminalamts (BKA) in Berlin befasst. Gewaltbereite tschetschenische Clans sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Auch kriminelle Araber-Clans standen im Fokus der Tagung.

Hauptkommissar Jan Engels vom BKA beschrieb den Vormarsch krimineller tschetschenischer Banden in Deutschland. Der Großteil der Tschetschenen kam als Asylbewerber. 2013 stieg ihre Zahl sprunghaft an. Die aufenthaltsrechtliche Schutzquote liegt seit Jahren unter zehn Prozent, aktuell bei 7,6 Prozent. Etwa 50000 Tschetschenen sind inzwischen in Deutschland. „Wir sprechen hier von einer vergleichsweise geringen Gruppe, die aber enorme Probleme verursacht“, erklärte Engels. Aus dem Nordkaukasus kommen Dagestaner, Inguschen und weitere Ethnien dazu. 

Neben dem Bekenntnis zum Islam ist ihre Clan-Struktur kennzeichnend. „Wir haben sehr flache Hierarchien in diesen clan-basierten Strukturen. Das ist ein deutlicher Unterschied zu anderen Ethnien und Gruppierungen der eurasischen OK“, so Engels. Bei anderen dieser Gruppierungen gebe es normalerweise hochrangige kriminelle Autoritäten, wie bei den sogenannten Dieben im Gesetz. Für Tschetschenen hätten solche Strukturen keine „Bindungswirkung“ oder träten hinter die Regeln des Clans zurück. 

Die tschetschenische Diaspora sei stark vernetzt, auch in ihre Heimat. Dadurch gebe es ein „außerordentlich hohes Mobilisierungspotenzial“. Tschetschenen seien in der Lage, „in sehr kurzer Zeit viele Kräfte zusammenzuziehen“. Die Loyalität unter tschetschenischen Landsleuten sei sehr stark ausgeprägt. Entsprechend stark sei auch die Abschottung gegenüber anderen Ethnien. Die „Ehre“ des Einzelnen und die Ehre der Familie hätten einen besonders hohen Stellenwert. „Persönliche Ehrverdienste, aber auch persönliche Schande übertragen sich automatisch auf die Familie“, so Engels. Und: „Wir begegnen einem sehr archaischen Männlichkeitsideal. Es gibt nach wie vor Fälle von Blutrache.“ 

Die Tschetschenen kommen aus einer besonders gewaltgeprägten Region des postsowjetischen Raumes. „Wir stellen in der Regel bei den Tschetschenen eine überschießende Gewaltbereitschaft fest“, erklärte der Hauptkommissar. Mehrere Faktoren kämen zusammen: „Zum einen die kulturelle Bedeutung von Gewalt, die sich in der Affinität zum Kampfsport ausdrückt. Kampfsportarten sind in Tschetschenien Nationalsport. Hinzu kommen Gewalterfahrungen aus den Tschetschenien-Kriegen, bei einigen Personen aktuell auch aus Kampfeinsätzen in der Ukraine, in Syrien und dem Irak.“ 

Die „profunden Kenntnisse“ im Kampfsport prädestinierten Tschetschenen in Deutschland für die Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe. Dort und in der Türsteherszene seien sie stark präsent, ebenso beim Wachschutz in Asylsucherunterkünften. Bei kriminellen Aktivitäten zeige sich die Gewaltbereitschaft von Tschetschenen vor allem bei Schutzgelderpressungen, Körperverletzungsdelikten und gewaltsamer Übernahme krimineller Geschäftsfelder wie dem Rauschgifthandel in mehreren deutschen Städten. 

„Tschetschenische OK-Gruppen dringen massiv in von anderen OK-Gruppen besetzte Geschäftsfelder vor. Wir beobachten insgesamt eine Entwick­lung vom Dienstleister für andere kriminelle Gruppierungen hin zum Aufbau eigener Strukturen und eigener Vormachtstellung“, erklärte Engels. Es gebe auch „personelle Überschneidungen zwischen OK-Tätern und dem islamistischen Spektrum“. Man stelle Personen fest, die „gewissermaßen zwischen beiden Phänomenbereichen hin und her wechseln. Personen, die sich radikalisieren und die allein oder mit anderen gemäßigte Muslime unter Druck setzen“. Vereinzelt habe man auch die Ausspähung und Verfolgung von Kritikern des Regimes von Tschetschenien-Präsident Ramsan Kadyrow registriert.

„Wir sehen insgesamt ein wachsendes Rekrutierungspotenzial für Kriminelle und islamistische Kreise“, erklärte der BKA-Fachmann. Von einer „strukturellen Verbindung“ zwischen organisierter Kriminalität und Terrorismus oder einer systematischen Unterstützung von Terrorismus durch OK-Strukturen könne „momentan“ noch nicht gesprochen werden.

Der Professor Mathias Rohe, Jurist und Islam-Experte von der Universität Erlangen, sprach über die Strukturen krimineller Araber-Clans. 2015 hatte er eine Studie über „Paralleljustiz“ im Auftrag des damaligen Berliner Jus-tizsenators Thomas Heilmann (CDU) vorgelegt. „Wir haben auch“, sagte Rohe, „einen kleinen, schmächtigen Herrn Anfang 70 interviewt, der aber Oberhaupt eines großen Familienstranges ist.“ Wenn er eine interne Entscheidung fälle, wie setze er sie eigentlich durch, habe man ihn gefragt. „Da sagte der ganz offenherzig“, erklärte Rohe, „wissen Sie, ich habe eine Armee hinter mir stehen.“ Mit einem Smartphone könne der Clan-Chef „in 20 Minuten“ an „irgendeinem Ort in Berlin 60 bis 70 gewaltbereite junge Männer“ beisammen rufen. 

Diese seien dann auch „wirklich bereit“, Aufträge auszuführen. Das könne auch „Kleinigkeiten“ betreffen: „Da hat jemand ein Knöllchen erhalten oder von der Verkehrspolizei den Hinweis bekommen, nicht an einer bestimmten Stelle zu parken. Und schon hat man da einen Volksauflauf in Moabit oder sonst irgendwo.“ Das gebe es nicht nur in Berlin, sondern auch in Nordrhein-Westfalen oder woanders. 

„Diese Leute“, betonte Rohe, „haben keinerlei Respekt vor dem Staat.“ „Versuchen Sie mal“, fügte er hinzu, „einem Afghanen beizubringen, was die Bedeutung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung ist. Das ist praktisch nicht zu vermitteln.“ Der Staat dürfe keine rechtsfreien Räume zulassen. Wenn der Staat an einer Stelle Freiräume lasse, „nehmen sie die anderen.“