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16.03.18 / Hohe Nachfrage trotz Sanktionen / Deutsche und russische Wirtschaftsvertreter zogen in Berlin eine positive Bilanz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-18 vom 16. März 2018

Hohe Nachfrage trotz Sanktionen
Deutsche und russische Wirtschaftsvertreter zogen in Berlin eine positive Bilanz
Jurij Tschernyschew

Anfang März richtete die Deutsch-Russische Außenhandelskammer (AHK) ihre große jährliche Konferenz zur Verbesserung des Investitions-Images Russlands in Deutschland aus. Sie fand im Sitz des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin statt.

Die Konferenz der AHK trug den Titel „Neues Wachstum, neue Chancen? – Russlands Rolle in der globalen Wertschöpfung“. Hauptthema der Dis-kussion war Russlands Bedeutung in den globalen Wertschöpfungsprozessen. Ein anderes Thema, das die insgesamt etwa 500 Teilnehmer der Konferenz beschäftigte, war die Digitalisierung von Herstellungsprozessen 

– die Industrie 4.0 – und inwieweit russische Unternehmen und Spezialisten dafür bereit stehen. Vertreter der Wirtschaft, der Ministerien und der Handelskammern der beiden Länder hatten die Gelegenheit, die Hauptrichtungen der russischen Industriepolitik kennenzulernen sowie die Trends zu diskutieren, die sich im Jahr 2017 gezeigt hatten.

Unter den Gästen waren der stellvertretende russische Minister für Industrie und Handel Alexander Morosow, der stellvertretende Minister für wirtschaftliche Entwicklung Alexej Grusdew, die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, der Leiter der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Martin Wansleben sowie der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Natschajew. Die Unternehmerschaft wurde durch die Leiter führender deutscher Unternehmen vertreten, die auf dem russischen Markt tätig sind wie Commerzbank, Volkswagen, SAP, Bayer und die Robert Bosch GmbH.

Bekanntlich haben die Sanktionen viele russische Unternehmen dazu veranlasst, die Prozesse zur Modernisierung der Produktionsanlagen zu intensivieren, um unabhängiger zu werden. Das hat zu einer größeren Nachfrage nach neuer Ausrüstung geführt, welche auf dem russischen Binnenmarkt nicht erhältlich ist, die aber aus Deutschland nach Russland geliefert werden kann. Auf diese Weise stellte eine Reihe deutscher Unternehmen eine erhöhte Nachfrage nach ihren Produkten fest. Ihr Umsatz mit russischen Partnern ist sogar gestiegen, was Wolfgang Büchele, dem Vertreter des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, zu der Aussage veranlasste: „Die russischen Investitionen in neue Produktionsstätten kommen der deutschen Wirtschaft zugute.“

DIHK-Chef Wansleben bemerkte: „Wir sind gut beraten, pragmatisch die Kontakte zu nutzen, gerade auf der Ebene der Wirtschaft, um nach wie vor miteinander zu reden und miteinander eine gute Lösung zu finden.“

Wirtschaftsministerin Zypries sagte nichts Neues oder besonders Hoffnungserweckendes für die Wirtschaftsvertreter. Sie wiederholte lediglich, dass ein Wegfall der Sanktionen von Schritten der russischen Seite zur Normalisierung der Lage in der Ostukraine abhängig sei.

Die deutschen Unternehmer verbinden ihre positiven Erwartungen mit dem Faktum, dass die russische Wirtschaft 2017 nach einem zwei Jahre anhaltenden Rückgang wieder leicht gewachsen ist. Da alle davon ausgehen, dass die Aufhebung von Sanktionen nicht bald erfolgen wird, arrangieren sich viele Unternehmer mit dem Gedanken, längerfristig unter erschwerten Bedingungen zu kooperieren und zu profitieren. Nach Angaben der russischen staatlichen Steuerbehörde ist die Zahl der Unternehmen mit deutscher Beteiligung im Jahr 2017 um fünf Prozent zurückgegangen. Die Steuerbehörde ordnet deutschen Unternehmen alle Firmen zu, deren Gründer oder Mitbegründer deutsche Staatsbürger oder Organisationen sind. Ende 2017 waren auf dem russischen Markt 4965 solcher Unternehmen registriert. Damit setzt sich der 2013 erstmals festgestellte negative Trend fort. Jedoch hat sich das Tempo des Rückgangs deutscher Unternehmern in Russland spürbar verlangsamt.

Laut Angaben des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der AHK konnten rund 60 Prozent der deutschen Unternehmen, die am russischen Markt aktiv sind, im vergangenen Jahr ihren Umsatz wesentlich erhöhen, und jedes dritte Unternehmen mit deutscher Beteiligung plant im Laufe des Jahres neue Investitionen. Als Hauptstörfaktoren, die wirtschaftliche Aktivitäten auf dem russischen Markt bremsen, nennen die deutschen Unternehmen bürokratische Hindernisse, die Voreingenommenheit der Steuerbehörden sowie den Kaufkraftverlust der Bevölkerung. Einen weiteren Hinderungsgrund sehen sie im staatlichen Protektionismus, der russische Unternehmen bevorzugt. Diese Politik erklärt sich in vielerlei Hinsicht mit dem Versuch der russischen Regierung, Importprodukte durch heimische Erzeugnisse zu ersetzen. Das ist spürbar bei öffentlichen Ausschreibungen, in deren Rahmen deutsche Unternehmen gegenüber russischen immer mehr benachteiligt werden.

Wenn man jedoch die Neuerungen berücksichtigt, die die US-Regierung jetzt ausländischen Exporteuren angekündigt hat, sind die protektionistischen Maßnahmen Russlands geradezu harmlose Abweichungen vom Prinzip des Freihandels.

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