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16.03.18 / Nicht privilegiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-18 vom 16. März 2018

Nicht privilegiert
Bodo Bost

Als der Journalist Deniz Yücel oder der Menschrechtsaktivist Peter Steudtner letztes Jahr in Istanbul verhaftet wurden, unternahm die Bundesregierung innerhalb von 24 Stunden alles, um ihre Freilassung zu erreichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer „Trübung der Beziehung“. Außenminister Sigmar Gabriel ließ den türkischen Botschafter in Berlin einbestellen, um ihm „klare Worte“ mitzuteilen. Als Gabriel von der Verhaftung des Pilgers David Britsch erfuhr, war er im Urlaub, an eine Unterbrechung, wie im Falle Steudtners, dachte er nicht. Selbst in den Gefängnissen Recep Tayyip Erdogans sind nicht alle Bundesbürger gleich. 

Für einen „Menschenrechtsaktivisten“ wird die Kanzlerin einbezogen und der Botschafter einbestellt. Und der Bundesaußenminister unterbricht als „Zeichen“ für den Ernst der Lage sogar seinen Urlaub. All das geschah nicht nach der ohne Begründung vorgenommenen Inhaftierung eines unbescholtenen christlichen deutschen Bürgers auf Pilgerreise nach Jerusalem. Britsch war nur einer von angeblich 54 in der Türkei festgehaltenen deutschen Bürgern. Konsularschutz sollte für alle Deutschen im Ausland gelten, nicht nur für „Aktivisten“ oder Journalisten, mit denen man vielleicht im Wahlkampf punkten kann. 

Der in Schwerin aufgebrochene Jerusalem-Pilger gehörte zu den zwölf in der Türkei aus politischen oder religiösen Gründen verhafteten Deutschen, die dort als Geiseln festgehalten wurden für die von Präsident Erdogan geforderte Auslieferung türkischer Staatsangehöriger in Deutschland, die er mit dem gescheiterten Putsch von 2016 in Verbindung bringt. Anders jedoch als die zumeist türkischstämmigen Journalisten oder politischen Aktivisten, für die sich die Bundesregierung intensiv und oft auch medienwirksam eingesetzt hat, war über das Schicksal von Britsch kaum etwas bekannt. Auch die Bundesregierung hat sich erst sehr spät für ihn eingesetzt, obwohl er die Landessprache nicht spricht.

Der 55-jährige Pilger war im April in der osttürkischen Stadt Antakya, dem biblischen Antiochia, festgenommen worden und in Abschiebehaft gekommen. Strafrechtliche Vorwürfe gegen ihn wurden nie erhoben. Britsch wollte von seiner Heimatstadt Schwerin zu Fuß, in Tagesmärschen von 40 Kilometern, bis nach Jerusalem pilgern. Für den Pädagogen war das neben einem persönlichen „Gebet mit den Füßen“ auch ein „gelebtes Projekt des Friedens und der Völkerverständigung“. Ganz bewusst wollte der Christ auf die Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen in der Fremde vertrauen. Im November 2016 war er aufgebrochen, Breslau und Auschwitz waren einige seiner ersten Stationen, weil seine Mutter aus einer jüdischen Familie in Breslau stammte. Von dort ging es über den Balkan in die Türkei. Anfang Februar hatte er die Türkei erreicht und sich weiter in Richtung Syrien aufgemacht. Kurz vor der Grenze sei er mehrfach kontrolliert und schließlich festgenommen worden. Statt nach Jerusalem zu kommen, saß er im Abschiebegefängnis in Askale, einem Ort in der türkischen Provinz Erzurum.

Britsch besaß nur einen deutschen Pass. Er war kein Doppelstaatler und auch nicht politisch aktiv. Die Botschaft zögerte bis zum Juli, bevor sie jemanden zu Britsch schickte.