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16.03.18 / Es wächst zusammen, was zusammengehört / Pragmatismus und Kooperation auf und in geteilten Inseln und Städten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-18 vom 16. März 2018

Es wächst zusammen, was zusammengehört
Pragmatismus und Kooperation auf und in geteilten Inseln und Städten
Chris W. Wagner

Wer heute noch meint, das Leben an der Grenze enge ein, kennt die neusten Entwicklungen deutsch-polnischer Grenzstädte wie Frankfurt an der Oder, Guben, Swinemünde oder Görlitz nicht. Seit dem Beitritt Polens zum Schengenraum setzen die Verwaltungen der polnischen Grenzstädte auf eine nachbarschaftliche Zusammenarbeit statt sich offen Standortkämpfe mit ihren deutschen Anrainern zu liefern.

Tomasz Ciszewicz, Bürgermeister von Frankfurt (Oder)-Dammvorstadt räumte gegenüber der Zeitung „Rzeczpospolita“ ein, auf deutscher Seite der Oderstadt befinde sich zwar die schönere, historische Altstadt, auf polnischer Seite gebe es dafür eine bessere Übernachtungsinfrastruktur. „Wir sind für die Touristen günstiger, deshalb suchen viele nach Übernachtungen und Verpflegung auf unserer Seite“, so Ciszewicz. Stolz führt er das deutsch-polnische, durch EU-Mittel finanzierte Projekt „Europäische Modellstadt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Frankfurt (Oder) & Slubice“ auf. Vor genau einem Jahr begonnen, soll es bis zum 31. Dezember 2019 mit einem Umfang von 1,177 Millionen Euro, davon 85 Prozent Förderung, realisiert werden. Als Projektpartner treten dabei neben den beiden Städten die Gemeindeverwaltung der Dammvorstadt und die Europa-Universität Viadrina auf. Weitere Kooperationspartner sind das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt, das Kulturzentrum von der polnischen Seite und das Sport- und Erholungszentrum ebendort.

Neben einer Zusammenarbeit der Verwaltungen will man mit Einrichtungen aus Bildung, Kultur, Tourismus und Sport die Oderstadt gemeinsam besser vermarkten. Von den grenzüberschreitenden Veranstaltungen im Rahmen des Modellprojektes zählt das Rockfesival „Haltestelle Woodstock“ zu den bekanntesten. Mittlerweile gilt das seit 17 Jahren organisierte, kostenlose „Woodstock“ als größtes Open-Air-Rockfestival Europas und wird bei Küstrin organisiert. Bei diesem durch die „Peace Patrol“ von etwa 1000 geschulten Freiwilligen versorgten, dreitägigen Konzert leisten auch die polnische Polizei, die Bundespolizei, die Feuerwehr sowie medizinische Dienste der Stadt Küstrin, der Freiwillige Polnische Bergrettungsdienst (GOPR), das Polnische Rote Kreuz und die deutsche DLRG Unterstützung. Der in Meseritz geborene Bürgemeister Ciszewicz ist von Beruf Vermessungstechniker, absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg das Collegium Polonicum in der Dammvorstadt und ist seit 2010 Bürgermeister im polnischen Teil Frankfurts – der  Dammvorstadt.

Viel länger im Amt des Bürgermeisters in Swinemünde ist der in Neustettin geborene Janusz Zmurkiewicz. Er regierte die Stadt bereits 1984 bis 1989, 2002 wurde er wiedergewählt. Zmurkiewicz spricht offen darüber, dass er die geteilte Insel Usedom als eine deutsch-polnische Besonderheit empfinde, auf der es im polnischen Teil eine besser funktionierende Kurinfrastruktur gebe. Das Plus auf deutscher Seite sieht Zmurkiewicz im Golfplatz und dem Flughafen in Heringsdorf. Dieser Flughafen wird bald schon „Heringsdorf-Swinoujscie“ heißen. Bereits 2012 wurde auf der Insel der Wander-Fahradweg eröffnet, der auf zwölf Kilometern Länge die Kurorte Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck mit Swinemünde verbindet.

Die geteilte Stadt Görlitz feiert dieses Jahr ihr 20. Jubiläum als „Europastadt Görlitz/Zgorzelec“. Und obwohl seit vielen Jahren eine Zusammenarbeit der Rathäuser beider Neißestadthälfte besteht, wurde erst im vergangenen Jahr ein gemeinsames, mit drei Millionen Euro finanziertes touristisches Investitionsprogramm aufgenommen. Es heißt „Brückenpark/Park Mostow“ und umfasst die Instandsetzung und Neugestaltung von Parkanlagen und Freiflächen beiderseits der Neiße. Der Niederschlesier Rafal Gronicz ist seit 2006 Bürgermeister vom polnischen Teil der Stadt und arbeitet als Lead-Partner mit Hochdruck an der Umsetzung des Projekts. In seiner Stadthälfte wird der Georg-Snay-Park (Park im Blachanca) neugestaltet. Auf deutscher Seite wird im Rahmen des „Brückenpark“-Projektes der Friedenspark entlang der Neiße neu gestaltet. Baubürgermeister Michael Wieler am Westufer hat unter anderem eine Sanierung des Jakob-Böhme-Denkmals einschließlich des Wasserspiels, die Aufwertung des kleinen Platzes am Denkmal und eine Neugestaltung des Spielplatzes sowie des Ballspielfelds an der Furtstraße im Friedenspark vorzunehmen. Das Brückenprojekt soll bis Ende September abgeschlossen werden. Bisweilen laden beide Stadthälften zu den dritten gemeinsamen „Literaturtagen an der Neiße“ vom 11. bis zum 18. April ein. Thema ist „Grenzen überwinden“; auf dem Programm stehen Lesungen und Diskussionen in beiden Sprachen links und rechts der Lausitzer Neiße.