28.03.2024

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16.03.18 / Es war sogar die gleiche Hebamme / Sein Surminski-Porträt hatte Folgen – aber das erzählt Peer Schmidt-Walther besser selbst ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-18 vom 16. März 2018

Es war sogar die gleiche Hebamme
Sein Surminski-Porträt hatte Folgen – aber das erzählt Peer Schmidt-Walther besser selbst ...
Peer Schmidt-Walther

Die Preußische Allgemeine Zeitung vom 19. Januar ist auch im fernen Australien aufmerksam studiert worden, besonders die Seite 17. In meinem Artikel „Ein Apfel aus Jokehnen“ über Arno Surminski stieß Leser Harry Spiess aus Donvale bei Melbourne auf den Hinweis, dass der Schriftsteller an einem Buch arbeitet, in dem ein ostpreußischer Lokführer aus Prostken im Mittelpunkt steht. Spiess schrieb in einem Brief, den Arno Surminski mir dieser Tage überließ, dass er Lokführer sei und aus Fürstenau, heute Lesniewo, stamme. Das ist ein Nachbarort von Jäg-lack beziehungsweise Jokehnen wie Surminki sein Heimatdorf im Roman nannte. In Fürstenau wurde Spieß am 17. November 1932 mit Hilfe der Hebamme geboren, die auch Surminski ans Licht der Welt holte. In der Drengfurter Kirche, in der Harrys Eltern heirateten, wurden beide Jungs getauft.

Die Wohnung der Familie Spiess lag über Hills Zigarrengeschäft am Markt. Sein Großvater mütterlicherseits, Bernhard Tausendfreund, war Schmied und Stellmacher auf dem Gut Budnick am Fürstenauer See. Sein Großvater väterlicherseits, Richard Spiess, war Lokführer auf der Barten-Nordenburger-Kleinbahn, die eine Haltestelle nahe Schloss Jäglack unterhielt. Durch ihn wurde Harry später inspiriert, denselben Beruf zu erlernen.

1939 zog die Familie nach Tilsit, wo Vater Erwin als Oberbetriebsmonteur Arbeit im Umspannwerk fand. 1944 musste Mutter Minna mit zwei Töchtern und dem Sohn Harry fliehen – per Zug über Rastenburg und Königsberg nach Belgard in Pommern. Schließlich zogen sie weiter nach Berlin, wo man nach Kriegsende im Französischen Sektor eine Unterkunft fand. Nachdem die Schulzeit abgeschlossen war, lernte Harry 1948 Feinmechaniker im Ostsektor. Er bekam aber keine Arbeit und bewarb sich für eine Auswanderung nach Kanada. Eine Parallele zu Arno Surminski, der Gleiches tat. Im Gegensatz zum späteren Schriftsteller, klappte es jedoch bei Spiess nicht, da die Einwanderungsquote bereits erfüllt war. Spieß versuchte es stattdessen mit Australien und hatte Erfolg. 1952 verließ er mit dem Passagierdampfer Anna Selen Bremerhaven. Bei den Victorian Railways in Melbourne fand er ab 

30. März 1952 Arbeit als Dampflok-Heizer und wurde nach fünf Jahren zum Lokführer befördert, später auch auf Dieselloks. 

„Der Höhepunkt in meinem Lokführerberuf“, berichtet er, „kam im Jahr 1988. Ich konnte zwei Mal den Flying Scotsman nach Seymor in unserem Staat Victoria fahren“. Dazu muss man sagen, dass No. 4472 die berühmteste und schnellste Dampflok Englands war, die per Schiff den weiten Weg nach Melbourne antrat und dort aus Anlass der 200-Jahrfeier würdig das Mutterland vertrat. 

1958 heiratete Spiess die Australierin Noreen, mit der er auf dem Englischen Konsulat in Berlin beim ersten Heimaturlaub  am 24. Februar getraut wurde. Nach 40 Jahren Arbeit für die Victorian Railways ging er 1992 in den Ruhestand. Seiner alten Heimat gegenüber ist er nach wie vor eng verbunden. „Im Jahr 1968“, schreibt er weiter, „habe ich hier eine Ostpreußen und Westpreußen-Gruppe gegründet. Ende August feiern wir unser 50-jähriges Bestehen. Wir haben noch 70 Mitglieder“. Seine Noreen und er feierten am 24. Februar 2018 im Kreis ihrer großen Familie (fünf Kinder, 14 Enkel und vier Urenkel) die Diamantene Hochzeit.

Arno Surminski hat sich sehr über diese Reaktion vom sechsten Kontinent gefreut, zumal auf diese Weise ein noch lebender ostpreußischer Lokführer auf die Bühne getreten ist – im Gegensatz zu dem fiktiven Kollegen im Buch, das zu einem noch nicht feststehenden Zeitpunkt unter dem Titel „Unterwegs – Roman eines Lokführers“ erscheinen soll.