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23.03.18 / Lehrjahre der Brandstifter / Mit zwei Kaufhausbränden in Frankfurt setzte die spätere RAF vor 50 Jahren ihr erstes Zeichen der Gewalt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-18 vom 23. März 2018

Lehrjahre der Brandstifter
Mit zwei Kaufhausbränden in Frankfurt setzte die spätere RAF vor 50 Jahren ihr erstes Zeichen der Gewalt
Klaus J. Groth

Es war ein Fanal. Aber es wurde nicht erkannt. Am 2. April 1968 brannte es in Frankfurt am Main in zwei Kaufhäusern. Angeführt wurden die Brandstifter durch Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Mit diesen Bränden begann die Zeit des Terrors, setzte vor 50 Jahren die spätere Rote Armee Fraktion (RAF) ihr erstes Zeichen der Gewalt.

Nicht ganz ein Jahr zuvor hatte in Brüssel ein Kaufhaus gebrannt, 322 Menschen waren dabei umgekommen. Für die Kommunarden der Kommune 1 Rainer Langhans und Fritz Teufel war das Anregung, zwei Flugblätter zu verfassen. Beide wurden im Mai 1967 verteilt: „Ein brennendes Kaufhaus mit brennenden Menschen vermittelte zum ersten Mal in einer europäischen Großstadt jenes knisternde Vietnamgefühl, … das wir in Berlin bislang noch missen müssen.“

Das zweite Flugblatt wurde mit seiner menschenverachtenden Diktion noch eindeutiger: „Wann brennen die Berliner Kaufhäuser? … Wenn es irgendwo brennt in der nächsten Zeit, wenn irgendwo eine Kaserne in die Luft geht, wenn irgendwo in einem Stadion die Tribüne einstürzt, seid bitte nicht überrascht. Genauso wenig wie beim Überschreiten der Demarkationslinie durch die Amis, der Bombardierung des Stadtzentrums von Hanoi, … Brüssel hat uns die einzige Antwort darauf gegeben: Burn, warehouse, burn.“ Kennzeichnend für die damalige Stimmung, wurden die Pamphlete zur Satire erklärt. Und die Kommunarden kamen damit durch. Sie wurden auf Kosten der Staatskasse freigesprochen: Zwar hätten die Autoren zu einer Straftat aufgefordert, es sei ihnen aber nicht nachzuweisen, dass sie diese auch gewollt hätten. Gesinnungsgenossen haben die Botschaft der Kommunarden anders ausgedeutet als die zeitgeistigen Richter vom Landgericht Moabit. 

Bereits in der Woche nach dem Freispruch besuchten Gudrun Ensslin und Andreas Baader die Kommune 1. Man sprach über die Umsetzung der „Satire“ in die Praxis. Als erstes Ziel wurde das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in West-Berlin angepeilt, dann aber verworfen. 

Seit der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg im Juni 1967 radikalisierten sich große Teile der Studentenschaft in Berlin. Ensslin, Baader und Thorwald Proll reisten nach München. Dort stieß Horst Söhnlein zu der Gruppe. Mit einem geliehenen VW reiste man weiter nach Frankfurt, im Gepäck selbstgebastelte Brandsätze, bestehend aus Plastikflaschen und Benzin, Reisewecker und Glühzünder nebst Sprengstoff, zusammengehalten von Tesafilm und Tesakrepp. 

In Frankfurt wurden mehrere Kaufhäuser begutachtet. Im Kaufhaus „M. Schneider“ legten Ensslin und Baader in der Damenabteilung den ersten Brandsatz ab, den zweiten versteckten sie in der Möbelabteilung in einem altdeutschen Schrank. Etwa zur gleichen Zeit wurden auch im „Kaufhof“ Brandsätze versteckt. Wer die Täter in diesem Fall waren, konnte nicht geklärt werden.

Kurz vor Mitternacht sah ein Taxiunternehmer Feuerschein im Kaufhaus „M. Schneider“. Er alarmierte die Feuerwehr. Zur gleichen Zeit rief eine Frau bei der Deutschen Presse-Agentur an: „Gleich brennt’s bei ,Schneider’ und im ,Kaufhof’. Es ist ein politischer Racheakt.“

Die angerichteten Schäden waren nicht besonders hoch. Die Versicherungen bezahlten im Fall des Kaufhauses „M. Schneider“ 282339 D-Mark, im Fall von „Kaufhof“ 390865 D-Mark. Unter den Schaulustigen, welche die Löscharbeiteten beobachteten, standen auch Ensslin und Baader.

Am Vormittag des nächsten Tages erhielt die Frankfurter Polizei einen Tipp. Kurz darauf wurden Ensslin und Baader festgenommen. In der Handtasche von Ensslin fand man eine Schraube, wie sie auch für den Brandsatz verwendet worden war. Im Auto lagen Glühköpfe, Batteriezünder und andere Bauteile der Brandsätze. Die Kommune 1 erklärte sich zwar mit den Festgenommenen solidarisch, kritisierte aber deren stümperhafte Planung.

Die Stimmung in West-Berlin war aufgeheizt, als am Gründonnerstag Schüsse auf Rudi Dutschke, den Wortführer des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), fielen. Der Anstreicher Josef Baumann hatte am 11. April 1968 Dutschke aufgelauert und mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert. Bachmann wurde nach wenigen Minuten festgenommen. Im Krankenhaus Westend kämpften die Ärzte um Dutschkes Leben. Vom SDS-Zentrum brachen Studenten auf zum Marsch zum Axel-Springer-Verlag. Sie wollten die Auslieferung der Zeitungen verhindern, die seit Wochen Stimmung gegen Dutschke und den SDS machten. Mit Autos blockierten sie den Weg der Druckereifahrzeuge. Als die ersten Wagen mit den Zeitungen kamen, räumte die Polizei die Blockadeautos robust. Es kam zur Straßenschlacht. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Studenten warfen Molotowcocktails. Lastwagen des Springer-Verlages gingen in Flammen auf. Die gewaltsamen Proteste gegen den Springer-Verlag griffen auf andere Städte über. Die Osterunruhen nahmen bürgerkriegsähnliche Formen an. Bei Straßenschlachten in München starben zwei Menschen, verletzt durch einen Steinwurf und einen Knüppelhieb. Die Täter wurden nicht ermittelt. In Berlin gab Horst Mahler eine Pressekonferenz. Dabei sagte er: Wenn man Revolution mache, dann müsse man auch mit Opfern rechnen. 

Die Ereignisse überschlugen sich. Zur Mai-Demo in Berlin kamen 50000 Menschen, Notstandsdemonstrationen in Bonn, Besetzungen aus gleichem Grund an fast allen Hochschulen, Beate Klarsfeld ohrfeigte Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, Demonstrationen zur Frankfurter Buchmesse. 

In dieser Zeit, im Oktober 1968, begann der Prozess gegen die Brandstifter von Frankfurt. Neun Anwälte waren zur Verteidigung angetreten, unter ihnen Otto Schily und Mahler. Das Urteil: jeweils drei Jahre Zuchthaus. Die Anwälte legten Revision ein, der Vollzug wurde ausgesetzt. Die Revision wurde verworfen, Ensslin, Baader und Proll setzten sich nach Paris ab. 1970 kehrten Ensslin und Baader nach Berlin zurück. Baader wurde verhaftet, doch bereits am 14. Mai gewaltsam befreit. Für angebliche Recherchen für ein Buch hatte er das Gefängnis verlassen dürfen. Den Coup hatten Ensslin, Mahler und Ulrike Meinhof geplant. Die Rote Armee Fraktion betrat die Bühne.