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23.03.18 / Bürger kämpfen für die »grüne Lunge« / Nach zahlreichen Protesten in Königsberg: Gouverneur verspricht ein neues Baumschutzgesetz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-18 vom 23. März 2018

Bürger kämpfen für die »grüne Lunge«
Nach zahlreichen Protesten in Königsberg: Gouverneur verspricht ein neues Baumschutzgesetz
Jurij Tschernyschew

In Königsberg regt sich seit geraumer Zeit Widerstand gegen verfehlte Baumpflegemaßnahmen der Stadt, der in zahlreichen Protestveranstaltungen auf öffentlichen Plätzen mündete. Schließlich fanden die Umweltschützer Gehör bei Gouverneur Anton Alichanow, der eine Überarbeitung des Baumschutzgesetzes in Aussicht stellte.   

Zu einer Protestkundgebung in der Nähe des Kosmonauten-Denkmals hatte vor Kurzem die Facebookgruppe „Alleen im Königsberger Gebiet“  aufgerufen. Auf Plakaten forderten deren Teilnehmer: „Wir wollen eine Garten- und keine versumpfte Stadt!“ und „Schneiden Sie die Bäume nicht bis auf die Wurzeln zurück“. Die Aktivisten starteten außerdem eine Unterschriftensammlung zum Erhalt der Grünanlagen in Königsberg, die sie Gouverneur Anton Alichanow überstellten. Dieser hat inzwischen reagiert, wohl vor dem Hintergrund, dass der russische Präsident Wladimir Putin Königsberg im Rahmen seines Wahlkampfs einen Besuch abstattete. 

Der Gouverneur verfügte, dass diejenigen, die über Fällgenehmigungen verfügen, entweder für gefällte Bäume neue pflanzen oder an die Gemeinde, auf deren Territorium die Fällaktionen stattfinden sollen, eine Ausgleichsgebühr zahlen. 

Laut Alichanow ist das geltende Gesetz nicht mehr aktuell und eine Novelle unter Berücksichtigung der neuen Realitäten erforderlich. Er versprach, innerhalb eines Monats einen neuen Gesetzesentwurf zu entwickeln. Die Arbeit an der veränderten Version des Gesetzes von 2006 soll unter Einbeziehung ausgewiesener Experten und Vertretern der Öffentlichkeit sowie Umweltschützern erfolgen. Die Regionalregierung erklärte, dass man bei der Ausarbeitung ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Bäume, die anstelle der gefällten gepflanzt werden, legen werde. 

Einige Tage zuvor hatten die Aktivisten das Fällen von Bäumen im Südpark verhindert. Mitglieder der Gruppe hatten den Staatsanwalt auf den Plan gerufen. Hintergrund war, dass die Stadtverwaltung zuvor die Direktion der städtischen Landschaftsparks angewiesen hatte, im Südpark 38 Weiden und Pappeln zu fällen. Die Stadt hatte neben dem Südpark für den Bau eines Zugangs zum Stadion „Lokomotive“, das als Trainingsplatz während der Fußball-WM genutzt werden soll, 226 Bäume zum Fällen freigegeben.

Die Umweltschützer führen Buch: In den vergangenen drei Jahren verschwanden in Königsberg 17810 Bäume, die durch nur 3351 Neuanpflanzungen ersetzt wurden. Auch die Anzahl der neu gepflanzten Bäume nehme Jahr für Jahr ab. Die Stadtverwaltung zahle den Unternehmern rund 80 Euro für die sogenannte „Verjüngung“ eines Baumes, was aber in der Regel dessen Verstümmelung bedeute. Das Entfernen der Krone und das Zurücklassen von Stümpfen führe dazu, dass die Pflanze im Frühling nicht genug Blätter ansetzen könne, um Nährstoffe aufzunehmen. Die Folge: Der Baum stirbt. Bemerkenswert sei, dass es in der Stadtverwaltung keine Spezialabteilung gibt, die sich mit Grünflächen und der Pflege durch Ausgleichspflanzungen auskennt. 

Dabei gab es schon 1947 in Königsberg eine Baumschule, in der Setzlinge angebaut wurden. Deren Mitarbeiter kümmerten sich darum, rechtzeitig neue Bäume zu züchten. In den 1990er Jahren wurde die Baumschule allerdings aufgegeben.

Der Groll der Bürger ist verständlich. In den vergangenen zehn Jahren ist im Zuge großer Fällaktionen – was teilweise mit Bautätigkeit im Zusammenhang steht, aber auch mit stümperhaften Pflegemaßnahmen – der Baumbestand in Königsberg deutlich zurückgegangen. Auch der Beginn dieses Jahres war durch einen massiven Baumschnitt in der ganzen Stadt gekennzeichnet. Allein im Januar hatten die Behörden 321 Fällgenehmigungen ausgestellt. Auf Dutzenden Straßen sind für 2018 weitere Rückschnitte angeblich „gefährlicher Äste“ geplant. Es herrscht das Vorurteil vor, dass ein riesiger Baum faule und potenziell gefährlich sei. Handelt es sich um eine Pappel, müsse sie unbedingt wegen ihres schwachen Wurzelsys-tems beseitigt werden. Geht es um eine Weide, handele es sich bei ihr  um eine Pflanze, die das Gras schädige und deshalb weg müsse. Als Grund für das Fällen von Bäumen gab die Stadtverwaltung die Sorge um die Sicherheit der Bürger an. Dafür müsste man aber eigentlich nur die unteren störenden Äste wegschneiden, die Krone formen und nicht alle Äste entfernen.

Ein weiterer Grund für das Massenfällen der Bäume ist die Fußball-WM, deretwegen das massive Rückschneiden der Bäume als Verbesserungsmaßnahme vorgenommen wird. Allein für diese „Verbesserung“ wurden aus dem Haushalt der Stadt über 280000 Euro bereitgestellt, während für neue Grünanlagen angeblich die Mittel fehlen. Für die Rettung von Bäumen ist angeblich kein Geld da, für das Fällen schon? Jedenfalls wird der Lebensraum der ehemaligen Gartenstadt Königsberg mit der Zeit immer hässlicher. Die Zahl der Bäume, die Abgase und Staub absorbieren könnten, nimmt stark ab. Die Initiative des Gouverneurs war längst überfällig.