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23.03.18 / Oberschlesier als Stütze des polnischen Fußballs / Eine Region bildet bis heute das Gerüst der sportlichen Erfolge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-18 vom 23. März 2018

Oberschlesier als Stütze des polnischen Fußballs
Eine Region bildet bis heute das Gerüst der sportlichen Erfolge
Edmund Pander

Was bist Du verdammt für ein Schlesier?!“ soll Zbigniew Boniek, Präsident des Polnischen Fußballverbandes (PZPN) nach einem verpatzten Spiel der polnischen gegen die englische Nationalmannschaft 2013 zu Kamil Glick vorwurfsvoll gesagt haben. Für Boniek bedeutet ein Schlesier zu sein vermutlich so viel, wie mit einem Gütesiegel für Fleiß, Kampfgeist und Schlitzohrigkeit ausgestattet zu sein. Ein (ober-)schlesischer Spieler sei talentiert, technisch überragend und tanze nicht aus der Reihe, sondern arbeite uneigennützig für die ganze Mannschaft. Es gab Zeiten, da die Oberschlesier fast die gesamte polnische Nationalmannschaft stellten. Bei den bislang 89 polnischen Fußballmeisterschaften haben oberschlesische Klubs insgesamt 31 Mal gesiegt. Ruch Königshütte und Gornik Hindenburg obsiegten 14 Mal, Polonia Beuthen zweimal, Schomberg Beuthen (Szombierki Bytom) einmal. Hinzu kommt, dass der 1. FC Kattowitz, GKS Kattowitz, AKS Hindenburg, GKS Tychau und Piast Gleiwitz polnische Vizemeister waren. Im Grunde wurde dem 1. FC Kattowitz (zuvor Preußen Kattowitz) der Titel durch Schiedsrichterentscheidungen vermutlich gesteuert verwehrt.

Der erste Oberschlesier in der polnischen Nationalmannschaft war der 1903 in Kattowitz geborene Torwart Emil Görlitz. Görlitz spielte im Klub der deutschen Minderheit 1.FC Kattowitz, dem in polnischer Zeit sein alter Name „Preußen“ verweigert wurde und der das 1. FC zunächst sogar versteckt in englischer Schreiweise tragen musste. Zu den oberschlesischen Stars des polnischen Fußballs gehörten vor dem Krieg Ernst Willimowski, der ein 0:4 gegen Brasilien zwischenzeitlich im Alleingang in ein 4:4 verwandelte, Gerhard Cieslik in den 50. Jahren, Wlodzimierz Lubanski aus Sosnitza bei Gleiwitz in den 60ern. Von den zahlreichen Aussiedlern in der Bundesliga wie Miroslav Klose, Klaus Zaczyk, Raphael Schäfer, Darius Kampa, Sebastian Schendzielorz, DDR-Oberligaspielern wie Damian Halata und Dariusz Wosz oder dem Weltmeister von 1954 Fritz Laband ganz abgesehen.

In der Heimat war nach dem Krieg Gerhard Cieslik für viele Oberschlesier ein Idol. Als er 1957 zwei Tore im Spiel gegen die Sowjetunion im „Schlesischen Stadion“ zu Königshütte schoss und Polen 2:1 siegte, wurde er auch an der Weichsel zur Legende.

Als ganz Polen nach dem Krieg die Hauptstadt Warschau aus Trümmern – häufig mit Steinen aus Schlesien – aufbaute, sollten auch die besten Fußballer des Landes für den Warschauer Militärklub Legia spielen. Das wollte Ruch-Ass Cieslik auf keinen Fall. Er konnte damals den sozialistischen Arbeiteraktivisten Wiktor Markiewka für sich gewinnen. Markiewka soll die Parteigenossen in Warschau gewarnt haben, dass – wenn Cieslik nach Warschau gehe – die oberschlesischen Gruben und Hütten stehen blieben, heißt es in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“. Andere oberschlesische Spieler hatten weniger Glück. In den besten Legiaspielzeiten 1955 und 1956 spielten gleich zehn Oberschlesier. Unter ihnen der in Ruda geborene Ernst Pohl, der nach Beendigung seines Wehrdienstes in seine Heimat zurückkehrte und damit den Erfolg seines Klubs Gornik Hindenburg begründete. Heute trägt das Gornik Hindenburg-Stadion Pohls Namen.

Die einst besten polnischen Fußballklubs Gornik Hindenburg und Ruch Königshütte haben ihre letzten Meisterschaftstitel vor 30 Jahren geholt, und trotzdem haben diese beiden Klubs treue Anhänger, die auch außerhalb dieser Städte leben. „Beweis dafür sind die oberschlesischen Autokennzeichen aller Städte, die während der Spiele in Stadionnähe parken“, sagt der Journalist und Autor Dawid Smolorz aus Gleiwitz, der selbst bekennender Gornik-Fan ist. Er ist keine Ausnahme, denn die Stadt Gleiwitz wird von Gornik beherrscht, obwohl seit einigen Jahren meist Piast Gleiwitz die Nase vorn hat. Doch Oberschlesier und Piast-Fan zu sein, geht im Grunde kaum.

In Warschau erinnert man sich noch daran, wie nach dem gewonnenen Spiel gegen den Vizeweltmeister Tschechoslowakei 1964 fast die gesamte Mannschaft in den Zug nach Kattowitz stieg, denn diese Nationalspieler stammten alle aus Oberschlesien. Fast ein Rück­griff auf Willimowskis Zeiten. Rückblickend erinnerte sich Willimowski Anfang der 90er Jahre an seine Zeit in der polnischen Nationalmannschaft: „Es herrschte eine großartige Kameradschaft, wobei beim gemütlichen Beisammensein auch deutsche Lieder gesungen wurden. Wir Ostoberschlesier unterhielten uns deutsch.“